Schnee, Eis und Streusalzmangel - der Extremwinter hat nicht nur Hamburg fest im Griff. Das Abendblatt hat sich in anderen Städten umgehört.
Berlin: Auch in der Hauptstadt sind die Glatteis-Verhältnisse katastrophal. Ähnlich wie in Hamburg sind immer noch nicht alle öffentlichen Einrichtungen und Grundstückseigentümer ihren Verpflichtungen nachgekommen. Deswegen fordern viele seit Tagen einen Eisgipfel nach dem Vorbild Hamburgs, um den Winterdienst zu verbessern. Einen Schuldigen haben die Politiker in Berlin schon gefunden: Es seien vor allem die privaten Räumdienste, die versagt hätten. Jetzt wird überlegt, künftig die Pflichten und Regeln für den Einsatz der privaten Dienstleister zu verschärfen.
Bremen: Laut Restaurantfachfrau Tina Schuster (30) fühlt sich niemand für Schnee und Glatteis verantwortlich: "Vor privaten Wohnanlagen oder öffentlichen Orten haben wir hier ähnliche Probleme wie in Hamburg. Die Gastronomiebetriebe achten streng darauf, dass immer gestreut ist. Wir haben sogar einige unserer Leute losgeschickt, damit sie um Bremen herum in den Baumärkten Streusalz besorgen."
Wismar: In der Stadt an der Ostsee geht auf vielen Bürgersteigen und Nebenstraßen gar nichts mehr. Auch breitere und häufig genutzte Wege wie an der Universität oder im Bürgerpark sind nicht geräumt. Der Schnee liegt teilweise kniehoch, darunter verstecken sich dicke Eisplatten. Hier hat die Stadt offensichtlich versäumt, bei Tauwetter zu räumen. Dementsprechend hoch ist auch die Zahl der Patienten mit Arm- und Beinbrüchen in den Kliniken. Die Bereitschaft der Bürger, Schnee zu schippen, ist gleich null. Wismar gleicht einem Wintermärchen wie vor 100 Jahren. Sehr romantisch, aber auch sehr rutschig.
Kassel und Paderborn: Die Behörden halten die Hauptstraßen einigermaßen sauber und streuen an wichtigen Verkehrsknotenpunkten. Nebenstraßen und Gehwege sind jedoch dick vereist, weil nicht genug Streusalz vorhanden ist. Das geht in der Region sogar so weit, dass die A 44 zwischen Diemelstadt und Erwitte auf einer Strecke von 52 Kilometern für zwei Tage gesperrt werden musste. Und die Menschen schlittern, fluchen und hoffen auf einen baldigen Frühling.
Münster: "Irgendwann trifft der Winter jeden mal", sagt Norbert Robers, Sprecher der Universität Münster, wo drei Tage lang die komplette Heizungsanlage ausgefallen war. Insgesamt sei die Aufregung über nicht geräumte Straßen aber eher gering. "Nach mehr als acht Wochen Schnee haben sich die meisten daran gewöhnt." Bestes Zeichen: Die Münsteraner fahren trotz Neuschnee Fahrrad. "Viele sind auf der Straße unterwegs, aber auch die Radwege werden geräumt, noch vor den Gehwegen."
München: In der Innenstadt räumen Anwohner nicht selbst, die Stadtreinigung übernimmt das - allerdings gegen eine Gebühr, die jeder innerhalb des Mittleren Rings zahlen muss. Die U-Bahntreppen sind sogar beheizt. Obwohl auch die "Abendzeitung" von "katastrophalen Zuständen" schreibt, sehen die Verhältnisse hier deutlich besser aus als in Hamburg. "In der Innenstadt kenne ich keine Gehwege, die glatt sind", sagt die Journalistin Anna Schmid (28).
Stuttgart: Auch hier ist die Situation entspannter als im Norden. "Die Hausbesitzer achten hier gegenseitig darauf, dass auch jeder vor seiner Tür streut", sagt Student André Bohr (22). Milde Temperaturen und geringer Schneefall tun ihr Übriges. "Kein Chaos, nix Schlimmes, und auch die Nebenstraßen sind hier frei", sagt Studentin Sarah Jesser (21).
Zürich: In der größten Stadt der Schweiz kennt man sich mit Schneemassen aus. Straßen und Gehwege sind weitestgehend freigeschaufelt und gestreut. Wer kann, flüchtet in die Berge und bewegt sich auf Skiern oder per Snowboard fort. Die Schulferien haben begonnen, die Skisaison läuft. Die, die arbeiten müssen, stehen bei Minusgraden und mit tropfender Nase an Bahnhof und Bushaltestelle und ertragen mit schweizerischer Geduld, was die Natur ausheckt.