Sozialarbeiter in Hamburgs City müssen künftig Familien-Besuche schriftlich nachweisen. Behörde ist gegen die Einführung.
Hamburg. Stichtag ist der 1. November: Von dann an müssen alle Sozialarbeiter, die in Hamburg-Mitte in der ambulanten Familienbetreuung arbeiten, ihre Hausbesuche in einem Formular schriftlich dokumentieren und von den Hilfeempfängern abzeichnen lassen. Nur mit diesem Nachweis können künftig entsprechende Leistungen beim Jugendamt abgerechnet werden. Damit zieht der Bezirk Mitte Konsequenzen aus dem Fall des toten Babys Lara aus Wilhelmsburg.
Trotz intensiver Betreuung durch Mitarbeiter des freien Trägers "Rauhes Haus" wurde Laras Tod nicht verhindert. Im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen war herausgekommen, dass die zuständige Sozialarbeiterin des Rauhen Hauses - obwohl vier Betreuungsstunden pro Woche vor Ort angeordnet waren - zum Teil tatsächlich nur eine halbe Stunde in der Familie verbracht hatte.
Das neue System soll nach Aussagen von Mittes Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) dafür sorgen, dass "nicht nur auf Zuruf Geld an die Träger überwiesen wird, sondern der Hilfeempfänger bestätigt, welche direkte Leistung es vor Ort gegeben hat".
In einem vorgefertigten Formular werden Datum, Beginn und Ende des Besuches sowie die Art der vor Ort geleisteten Betreuung eingetragen. Diese Angaben werden sowohl vom betreuenden Mitarbeiter als auch vom Hilfeempfänger unterzeichnet. Das ausgefüllte Formular muss mit der monatlichen Abrechnung eingereicht werden.
Über die Einführung des neuen Systems sei die Sozialbehörde (BSG) in "entsprechenden Arbeitssitzungen" informiert worden, sagte Schreiber. Er spricht von einer mit den Trägern einvernehmlichen Einführung. "Ich halte das neue System für einen Fortschritt und bin sehr gespannt auf die Erfahrungen damit", sagte der Bezirksamtsleiter. Die Sozialbehörde (BSG) sieht die Sache gänzlich anders.
Sprecherin Jasmin Eisenhut spricht von einer eigenmächtigen Umsetzung der Idee durch den Bezirk. "Wir sind über die Einführung zum 1. November nicht offiziell in Kenntnis gesetzt worden", so Eisenhut. Dies hätte aber geschehen müssen. Zudem sei das neue Abrechnungssystem von einer Expertenkommission verworfen worden. "Unserer Ansicht nach führt das System schnell zu einer Über-Bürokratisierung und zu Aktionismus - und nicht zu einer Verbesserung des Kinderschutzes", sagte Eisenhut. Die Behörde wolle nun prüfen, wie sie mit der Situation umgehen werde.
Die Träger, die die neue Vorgabe umsetzen müssen, sind geteilter Meinung. Uwe Mann van Velzen, Sprecher des Rauhen Hauses, sagte: "Wir haben Verständnis dafür, dass der Bezirk Mitte dies einführt. Dennoch bleibt die fachliche Frage, ob es hilft." Das müssten die Erfahrungen zeigen. Das Rauhe Haus stehe dem Ganzen "positiv und offen" gegenüber. Aber auch dieses System löse nicht das ganze Problem, sondern sei eine Ergänzung. Grundsätzlich sei es sinnvoller, ein solches System hamburgweit einzuführen, so Mann van Velzen.
Heidi Rosenfeld, Geschäftsführerin von "Augenblicke e. V.", glaubt nicht, "dass dadurch Tragödien verhindert werden". Dafür seinen vielmehr "passgenaue Hilfen für die Familien" notwendig. "Wir müssen das neue System mitmachen, um unser Geld zu bekommen", sagte Rosenfeld. Sie sieht darin aber vor allem einen Mehraufwand für ihre Mitarbeiter.