Die Betreuer vom Rauhen Haus behaupten jedoch, alle nötigen Untersuchungen seien gemacht worden. Bilder zum Fall Lara.

Baby Lara wog zum Todeszeitpunkt statt der üblichen acht Kilogramm nur 4,8 Kilo, war stark unterernährt, ausgetrocknet und soll seit Februar magenkrank gewesen sein. Das haben die ersten Untersuchungen ergeben. Jetzt sind in dem tragischen Fall die ersten eklatanten Widersprüche aufgetreten. Sie betreffen die bei Babys wichtigen ärztlichen Untersuchungen und die Akten. Der erste Widerspruch:

Das Rauhe Haus, das Laras Mutter Jessica R. betreut, hatte am Tag nach Laras Tod erklärt, dass alle ärztlichen Untersuchungen wahrgenommen wurden. "Darauf hat unsere Mitarbeiterin sehr geachtet", sagte der Chef des Rauhen Hauses, Friedemann Green, aufgrund "erster Erkenntnisse" zum Abendblatt.

Jessica R. räumte nun am Montag ein, die letzten Vorsorgeuntersuchungen nicht mehr wahrgenommen zu haben und ihr Kind nicht mehr zum Arzt gebracht zu haben. Das erklärte die 18-Jährige in einem Exklusiv-Interview mit dem NDR-Fernsehen, das dem Abendblatt vorliegt. Sie wisse nicht mehr, wann sie mit ihrem Kind zum letzen Mal beim Arzt war. "Zuerst noch - dann nicht mehr", sagte sie. Das heißt: Es können Monate sein, in denen Baby Lara ärztlich nicht betreut wurde und abmagerte. Als Grund nannte Jessica Streitigkeiten mit ihrer älteren Schwester, die mit Anzeigen gedroht und sie "seelisch und körperlich fertiggemacht" habe. "Ich hatte einfach Angst, zum Kinderarzt zu gehen und dass das Jugendamt mir meine Kleine wegnimmt", sagte sie in dem Interview (heute 21 Uhr, "Menschen und Schlagzeilen", NDR-Fernsehen).

Über den Kontakt zu der Sozialpädagogin Marianne K. vom Rauhen Haus, die bei der Erziehung von Lara helfen sollte, sagt Jessica R.: "Sie kam zu mir und hat die Kleine angeguckt, hat mit der Kleinen geredet, gespielt und das war's dann eigentlich auch." Das Heft, in dem die ärztlichen Untersuchungen von Baby Lara festgehalten werden, hat die Polizei beschlagnahmt.

Für die Polizei ist Marianne K. eine Beschuldigte. "Wir ermitteln wegen aller infrage kommenden Delikte mindestens wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht", sagte Polizeisprecher Ralf Meyer. Nach Informationen der Tageszeitung "Die Welt" hat die Staatsanwaltschaft jetzt auch gegen Jessica R. und ihren Lebensgefährten Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Auch die ersten Angaben der Betreuerin - die sich wegen des Ermittlungsverfahrens nicht mehr äußert -, nach denen das Baby am 3. März wohlauf gewesen sei, gelacht und gegessen habe, passen nicht zu den Schilderungen der Mutter.

Ein zweiter Widerspruch hat sich nach der Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses ergeben, bei dem Jörg Poschinski, stellvertretender Chef des Jugendamts, sagte, dass das Jugendamt bisher keine Einsicht in die Akte des Rauhen Hauses habe. "Das ist unrichtig", sagte Uwe Mann van Velzen, Sprecher der Stiftung Rauhes Haus. "Wir haben unsere Berichtspflicht gegenüber dem Jugendamt zu 100 Prozent erfüllt. Es gibt bei uns keine Akte, die über das hinausgeht, was das Jugendamt kennt."

In der Praxis sei es so, dass über die Akte hinaus Telefonate zwischen Jugendamt und Rauhem Haus geführt, diese aber nicht protokolliert werden. Weiterhin gebe es eine Selbstverpflichtung im Rauhen Haus, nach der Betreuer jede Woche in einer Dienstbesprechung alle Details erörtern. Uwe Mann van Velzen sagt: "Sollte hierbei ein Anzeichen von Gefährdung von Kindeswohl bekannt werden, würde die Leitung sofort das Jugendamt informieren."