Die technischen Probleme beim Logistikriesen nehmen zu. Bei den ICE-Achsen ist noch keine Lösung in Sicht.

Hamburg. Angesichts der zunehmenden technischen Schwierigkeiten, mit denen die Bahn zu kämpfen hat, halten Konzernkritiker die Verschiebung des Börsengangs fast schon für eine gute Fügung. Denn für Investoren dürfte aus ihrer Sicht eine Bahn, die noch bis zum nächsten Sommer an Problemen ihres Vorzeigezugs - dem Hochgeschwindigkeitsexpress ICE - zu laborieren hat, deutlich weniger attraktiv sein als erhofft. Und nun hat die Bahn auch noch erhebliche Schwierigkeiten mit den Reparaturen an dem umfangreichen Streckennetz, das von ihr verwaltet wird. So musste die Strecke Schwerin-Rostock wegen Gleissenkungen gesperrt werden. Und die Gleiserneuerungen im Hamburger City-Tunnel werden am nächsten Wochenende bei den S-Bahn-Linien 1 und 3 zwischen den Landungsbrücken und Altona zu Einschränkungen führen.

Ohnehin hat es in jüngster Zeit zahlreiche Pannen mit der Linie S3 gegeben. Ein offensichtlicher Elektrikfehler führte dazu, dass vor wenigen Wochen ein aus Richtung Jungfernstieg kommender voll besetzter Zug fast eine Stunde im Tunnel vor der S-Bahnstation Harburg steckenblieb. Eine Diesellok musste den Zug anschieben, die Strecke blieb danach vorübergehend gesperrt. Im Anschluss an diesen Vorfall war die S-Bahn-Verbindung zwischen Harburg und Wilhelmsburg an mindestens zwei Wochenenden wegen Bauarbeiten zeitweise gesperrt - die Fahrgäste mussten mit von der Bahn zur Verfügung gestellten Bussen über die Elbbrücken fahren. Des Weiteren musste die S-Bahn über einen Zeitraum von mindestens einer Woche auf einer mehrere Hundert Meter langen Strecke zwischen Harburg und Wilhelmsburg aus Sicherheitsgründen im Schritttempo fahren.

"Unsere Baustellen wirken sich leider immer auf den Betrieb aus, da wir unter rollendem Rad reparieren", sagte der Hamburger Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Im Klartext: Während der Bauarbeiten müssen die Züge langsamer fahren oder können nur ein Gleis nutzen. Die meisten Bauarbeiten würden deshalb nachts oder an Wochenenden erledigt, um den Berufsverkehr zu verschonen. "In Hamburg und Schleswig-Holstein investieren wir 2008 insgesamt 205 Millionen Euro in die Netzmodernisierung", weist Meyer-Lovis den Vorwurf schlechter Netzpflege zurück. Kritiker werfen dem Staatskonzern dagegen vor, in den vergangenen Jahren die Investitionen zugunsten höherer Bahngewinne immer mehr zurückgefahren zu haben. "Die Bahn investierte 2006 noch rund 1,2 Milliarden Euro in das Netz, 2007 waren es nur noch 600 Millionen Euro", kritisierte Carl Waßmuth von der Vereinigung "Bahn für alle". Nicht annähernd ausgeglichen wurde dies durch eine Erhöhung der Bundeszuschüsse von 95 auf 250 Millionen Euro. Waßmuth äußert den Verdacht, dass die Bahn "quasi Hypotheken auf das Gleismaterial aufnimmt, das völlig unzureichend gewartet wird. Reparaturen werden so lange hinausgezögert, bis die Schienen oder Weichen ganz kaputt sind." Die eingesparten Wartungskosten und Sondererlöse durch Teilverkäufe stellten bei der Bahn seit Jahren "knapp die Hälfte des jährlichen Bilanzgewinns da". Auch Karl-Peter Naumann von Pro Bahn ist überzeugt, dass die Wartung vielerorts schleifen gelassen wird: "Das Hamburger S-Bahn-Netz ist sehr unzuverlässig. Hier muss offensichtlich noch vieles ausgebessert werden." In den nächsten fünf Jahren wollen Bund und Deutsche Bahn jährlich mindestens vier Milliarden Euro in die Schieneninfrastruktur stecken - 2,5 Milliarden Euro trägt der Bund.

Aber auch in anderen Bundesländern zeigen sich Schwachstellen: Die Berliner S-Bahnen verkehren wegen zusätzlicher Achsenchecks derzeit nur in verkürzter Länge, da der bei dieser Baureihe verwandte Stahl dem Material ähnle, aus dem die Achsen der defekten ICE-3- und ICE-T-Züge hergestellt wurden.

Bei Nahverkehrszügen des Typs ET 423-426 bestand im vergangenen Jahr zudem die Gefahr, dass sich Reisende beim Ein- und Aussteigen durch die Türen verletzen. Dieser Mangel wurde erst nach Einschreiten des Eisenbahn-Bundesamtes von der Bahn behoben. Da der Staatskonzern diese Maßnahme offenbar für überzogen hielt, reichte er Klage gegen das EBA ein: Das Urteil steht noch aus.