Bürgermeister Ole von Beust schließt im Abendblatt-Interview eine Neuverschuldung nicht mehr aus.
Hamburger Abendblatt:
Hat die HSH Nordbank als eigenständige Landesbank eine Zukunft?
Ole von Beust:
Die Landesbanken haben nur dann eine Zukunft, wenn sie ein Modell der Kooperation miteinander suchen. Was für ein Modell das sein kann, wird gerade mit Nachdruck geprüft. Wichtig ist, dass die Landesbanken, das gilt auch für die HSH Nordbank, ein Geschäftsmodell haben, das am Markt bestehen kann. Aus meiner Sicht geht es um eine Kooperation auf regionaler Ebene oder um eine Gesamtkooperation aller Landesbanken miteinander. Die Entscheidungen eilen. Es ist dringend nötig, die strukturellen Probleme zu lösen.
Abendblatt:
Die Nord LB hat eher reserviert auf eine Kooperation reagiert.
Von Beust:
Nein. Die Nord LB hat nur gesagt, dass sie sich nicht vom Sparkassen- und Giroverband diktieren lassen will, wie ihre Struktur in Zukunft aussieht. Es hat Kontakte zu Anteilseignern der Nord LB und auch Gespräche mit Baden-Württemberg über eine Kooperation mit der dortigen Landesbank gegeben. Entschieden ist aber noch nichts. Letztlich geht es um eine Strukturfrage, die nur mit allen Landesbanken geklärt werden kann. Ich hoffe, dass wir in der nächsten Woche nach einem weiteren Treffen der Ministerpräsidenten einen Schritt weiter sind.
Abendblatt:
Teilen Sie die Kritik Ihres Kieler Amtskollegen Peter Harry Carstensen, dem die Arbeit der Bankenaufsicht viel zu langsam ist?
Von Beust:
Die Kritik ist völlig berechtigt. Die HSH Nordbank hat um eine Bürgschaft in Höhe von 30 Milliarden Euro gebeten, die laut Gesetz ohne Bedingungen gewährt werden soll. Jetzt ist die Bankenaufsicht nur bereit, die Garantie zu geben, wenn die HSH Nordbank eine Eigenkapitalerhöhung zusichert und das Geschäftsmodell zusammen mit den Landesbanken neu definiert. Die Ziele sind in der Sache zwar richtig, und die Länder arbeiten bereits daran, aber man kann sie nicht so schnell verwirklichen, wie die Banken die Bürgschaften brauchen.
Abendblatt:
Warum ist es so eilig?
Von Beust:
Die HSH Nordbank muss beispielsweise schnell wieder Schiffe finanzieren können. Im Moment liegen zahlreiche Neubauten auf Werften. Damit sie weitergebaut werden können, muss die Finanzierung gesichert sein, ohne die Bürgschaft kann die HSH das nicht leisten. Das ist eine katastrophale Situation.
Abendblatt:
Ist Ihnen jetzt das ganze Ausmaß des Desasters klar?
Von Beust:
Es ist kein HSH-Nordbank-Desaster, sondern ein Problem der Landesbanken und vieler Geschäftsbanken. Was das Ausmaß angeht, müssen wir die Risikoanalyse der Wirtschaftsprüfer von KPMG abwarten. Der Bericht soll im Laufe des Dezember vorliegen.
Abendblatt:
Ein wesentlicher Grund für die Schieflage sind die Engagements in den USA und auf Island. Was hat eine Landesbank dort zu suchen?
Von Beust:
Was die Vergangenheit angeht, muss man zur Rettung der Akteure sagen: Die Landesbanken waren, nach dem Wegfall der Gewährsträgerhaftung, mit Geld ausgestattet, das sie anlegen mussten.
Da in Deutschland die Zinsen relativ niedrig waren, haben sich die Banken im Ausland umgesehen. Hamburg und Schleswig-Holstein haben davon auch durch hohe Dividenden profitiert. Und damals galten diese Geschäfte allgemein als krisensicher.
Im Nachhinein muss man sagen: Schuster, bleib bei deinen Leisten! Die Banken müssen sich in Zukunft auf ihre Kernkompetenzen beschränken.
Abendblatt:
Angesichts guter Geschäfte war die Bank blind für die Risiken.
Von Beust:
Man hat sich wie alle von den hohen Erträgen blenden lassen und war hinterher verwundert.
Abendblatt:
Hätte der Aufsichtsrat früher Einhalt gebieten müssen?
Von Beust:
Das kann ich erst dann sagen, wenn der Bericht von KPMG vorliegt. Entscheidend ist, ob der Vorstand der Bank den Aufsichtsrat auf mögliche Risiken hingewiesen hat.
Abendblatt:
Das Kerngeschäft der HSH Nordbank droht einzubrechen: die Schiffsfinanzierung. Hat dieses Geschäftsfeld noch eine Zukunft?
Von Beust:
Langfristig ja. Aber das nächste Jahr wird nicht nur dort schwieriger, als viele es erwarten. Es wird viel geringere Wachstumsraten in China und Indien geben. Hinzu kommen noch größere wirtschaftliche Schwierigkeiten in Osteuropa, auch weil die Öl- und Gaspreise gesunken sind und diese Länder auch besonders unter der Bankenkrise leiden. Einbrüche dort haben für unsere Stadt als Logistikdrehscheibe erhebliche Konsequenzen. Hamburg wird sich 2009 sehr warm anziehen müssen.
Abendblatt:
Muss Hamburg angesichts erwarteter Steuereinbrüche nun in die Neuverschuldung einsteigen?
Von Beust:
Wir werden alles tun, es nicht zu machen. Aber versprechen kann ich es nicht. Ich hoffe, dass wir den Betriebshaushalt weiterhin aus eigner Kraft ausgleichen können. Bei den Investitionen kann es um eine zeitlich befristete Neuverschuldung gehen, etwa um ohnehin geplante Investitionen vorzuziehen.
Abendblatt:
Wie soll das Konjunkturprogramm konkret aussehen?
Von Beust:
Es darf auf keinen Fall ein Strohfeuer sein. Denkbar sind vorgezogene Investitionen im Bereich Verkehrsinfrastruktur, etwa beim Hafen-Hinterland-Verkehr, denken Sie an die Hafenquerspange, einen Ersatz für die Wilhelmsburger Reichsstraße und Kreuzungsertüchtigungen innerhalb des Hafens. Prüfen werden wir auch Investitionen im Bereich der Schulsanierung, der Gebäudesanierung und bei den Hochschulen.
Abendblatt:
Und das Volumen?
Von Beust:
Das kann ich noch nicht sagen, die konkreten Maßnahmen stehen ja noch nicht fest. Ich hoffe, dass wir die groben Züge des Programms noch vor Weihnachten vorstellen können, Details im Januar. Wichtig ist, dass dieses Programm in Absprache mit den anderen norddeutschen Länder erfolgt, damit es nicht verpufft.