Es sind nicht allein die dreistelligen Millionen-Verluste, die dem weltgrößten Schiffsfinanzierer zu schaffen machen. Es ist auch der Vertrauensverlust, der den Mann an der Spitze das Amt kostet.

Hamburg. Am Ende hatte Hans Berger selbst seinen letzten Fürsprecher verloren. Als ihm auch Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) das Vertrauen entzog, musste Berger (58) als Chef der HSH Nordbank gehen. Dabei hatte ihn noch vor acht Tagen der zweitgrößte Anteilseigner gelobt: Dem Vorstand der Landesbank unter der Führung von Berger gelinge das Management der Finanzmarktkrise "nach wie vor außerordentlich gut", hatte Wiegard gesagt. Doch dann schwenkte er auf die Linie von Hamburgs Finanzsenator Michael Freytag (CDU) ein und stellte sich gegen Berger.

Die Vorgeschichte seines Sturzes ist mindestens so lang, wie die weltweite Bankenkrise mittlerweile andauert. Und wirklich überraschend kommt Bergers Abgang dann auch nicht mehr. Denn die HSH Nordbank, die sich traditionell als großzügiger Sponsor für den Segelsport engagiert, ist in extrem schwere See geraten. Abschreibungen in Höhe von insgesamt 2,3 Milliarden Euro wegen der Finanzmarktkrise sind für eine Bank dieser Größenordnung kein Pappenstiel und der Ausfall der Dividende auf Jahre ist nicht dazu angetan, die Eigentümer zu erfreuen - weder die Budgetverantwortlichen in Hamburg und Kiel, die jeden Euro für ihre Haushalte brauchen, noch den US-Finanzinvestor Flowers, der im Herbst 2006 der erste private Anteilseigner einer Landesbank wurde.

Ein Bankchef müsste schon eine sehr überzeugende Figur machen, um vor diesem Hintergrund im Amt bleiben zu können. Doch das konnte man von Berger zuletzt angesichts der Hiobsbotschaften, die er verkünden musste, nicht mehr sagen: 120 Millionen Euro Verlust aus der Lehman-Pleite, 250 Millionen Euro in Island versenkt. Dabei waren es nicht einmal in erster Linie die Verluste selbst, die man ihm anlastete. Ähnliche Probleme haben auch andere international tätige Banken. Was man vermisste, war der souveräne Umgang mit der Krise. Immer wieder wurde bis zum letzten Moment beschönigt, wurden negative Berichte offiziell dementiert, die sich unmittelbar darauf als zutreffend erwiesen. Senator Freytag und sein Kieler Amtskollege Wiegard sahen sich durch solche Vorkommnisse wiederholt Angriffen der Opposition ausgesetzt.

Wie in politischen Kreisen zu hören ist, war es wohl der Neunmonatsbericht, der das Fass zum Überlaufen brachte. Zwar vermeldete Berger für diesen Zeitraum erstmals einen Verlust - 360 Millionen Euro von Januar bis September - und räumte ein, auch im Gesamtjahr werde man rote Zahlen schreiben. Doch es gibt offenbar Hinweise, dass der Bericht die Situation positiver darstellte, als sie wirklich ist. Wenn der Aufsichtsrat nun eine Sonderprüfung "aller wesentlichen Kapitalmarkttransaktionen im Hinblick auf das bilanzielle Risiko" anordnet, spricht dies jedenfalls nicht für ungeteiltes Vertrauen in die Darstellung der wirtschaftlichen Lage.

Dabei braucht die HSH Nordbank nichts mehr als Vertrauen, hat sie doch gerade erst im Mai ihren Eignern eine Kapitalerhöhung um insgesamt zwei Milliarden Euro abgerungen. Hamburg schoss bei dieser Gelegenheit 318 Millionen Euro an frischem Kapital zu. Zu diesem Zeitpunkt schien die Bank die Risiken aus der Finanzmarktkrise tatsächlich noch im Griff zu haben - zumindest verbreitete man entsprechende Zuversicht. So gab sich Berger im Juni, zum fünften Jahrestag der Fusion von Hamburgischer Landesbank und LB Kiel zur HSH Nordbank, im Gespräch mit dem Abendblatt noch überzeugt, dass die Eigentümer "auch in Zukunft viel Freude an uns haben werden".

Gleichzeitig stellte er die äußerst positive Beschäftigungswirkung des Zusammenschlusses heraus. Seit Mitte 2003 habe die Mitarbeiterzahl um mehr als 600 auf rund 4750 Personen zugenommen. Vor allem im Ausland hatte der größte Schiffsfinanzierer der Welt seine Belegschaft mächtig aufgestockt, um auch auf anderen Geschäftsfeldern, etwa im Immobilienbereich, stark expandieren zu können.

Drei Monate später aber sah alles wieder ganz anders aus. Berger musste ein drastisches Sparprogramm mit dem Wegfall von 750 Arbeitsplätzen verkünden, die Auslandsbüros wurden ausgedünnt. Die HSH Nordbank sei nicht in der Krise, bewege sich aber in einem "krisenhaften Umfeld", sagte der damals schon umstrittene Manager. Angesichts dieses Umfelds musste er zuletzt sogar nach dem Staat rufen - die Bank beantragt Bundesbürgschaften von bis zu 30 Milliarden Euro. Voraussetzung dafür ist jedoch eine weitere Kapitalspritze. Die Reaktionen auf Bergers Bitte um neues Eigenkapital sind aufschlussreich: Während Wiegard dafür plädiert, dass die Länder das Geld aufbringen, setzt Hamburg auf Kapital aus dem neu eingerichteten Bundestopf, in den bereits die Commerzbank gegriffen hat.

Vorerst unklar bleibt, ob für Bergers Ablösung vielleicht auch persönliche Faktoren eine Rolle gespielt haben - wie zum Beispiel seine berufliche Herkunft. Der stets äußerst kontrolliert wirkende Manager hat im Sparkassensektor in Kiel Karriere gemacht, und er wohnt auch heute noch in einem Vorort der Landeshauptstadt. Sicherlich ein Manko in den Augen der mächtigen Anteilseigner aus Hamburg. Bei der Landesbanken-Fusion 2003 war Berger Chef der LB Kiel - und es war diese Bank, deren riskante Investments im US-Hypothekenbereich später als Erste abgeschrieben werden mussten. Mancher fragte sich schon, ob Berger tatsächlich der richtige Mann sei - nach dem Einstieg eines US-Investors -, die HSH Nordbank an die Börse zu führen.

Nur einmal kam der Manager doch ins Grübeln, ob die Bankenkarriere der richtige Weg war: 1972 arbeitete er im Organisationskomitee für die Olympischen Segelwettbewerbe in Kiel. Zwar ist Berger nicht selbst Segler. "Aber mein Großvater war Kapitän, das liegt vielleicht in den Genen."

Zeit, einen Segelschein zu machen, hätte er jetzt.