Trotz der steigenden Gewaltkriminalität bei Jugendlichen waren im Dezember 2007 nur zwei junge Hamburger Intensivtäter in einem geschlossenen Heim untergebracht - einer davon in der Hamburger Feuerbergstraße, ein anderer in Bayern. Das ist das überraschende Ergebnis einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Thomas Böwer.

"Diese Zahlen zeigen, dass der Senat in der Frage der Jugendgewalt nur leeres Gedröhne von sich gibt, aber nicht handelt", sagte Böwer. "Herr Nagel fordert alles Mögliche, aber Justiz- und Sozialbehörde tun nicht einmal das, was längst möglich ist. Und währenddessen prügeln Jugendliche in der U-Bahn Rentner halb tot."

Laut Senatsantwort wurden zudem 104 junge Straftäter in offene Einrichtungen außerhalb Hamburgs verschickt. "Anstatt die Ursachen der Jugendgewalt in Hamburg zu bekämpfen, exportiert der Senat die hausgemachten Probleme in andere Bundesländer", so Böwer. Der SPD-Mann wies darauf hin, das 779 der 1330 vom Familieninterventionsteam (FIT) betreuten Jugendlichen unter der Obhut des FIT neue Straftaten begehen konnten.

Die Sprecherin der Sozialbehörde verteidigte die Tatsache, dass nur ein einziger Hamburger in der Feuerbergstraße untergebracht sei. "Die Einrichtung ist nicht für jeden Jugendlichen die richtige Maßnahme", sagte Behördensprecherin Jasmin Eisenhut. Das Heim, das den Steuerzahler 1,4 Millionen Euro im Jahr kostet, sei nötig. "Es hat auch eine abschreckende Wirkung", so Eisenhut.

Unterdessen nahm Bürgermeister von Beust die Jugend in Schutz. "Zur Diskussion gehört die Feststellung, dass weit über 95 Prozent der jungen Menschen sich ordentlich verhalten. Und das Gleiche gilt ohne jeden Abstrich für unsere ausländischen Mitbürger."

Michael Naumann, SPD-Bürgermeisterkandidat, griff den Senat an: "Er hat die Schließung von Polizeikommissariaten und Personalreduzierungen bei der Polizei zu verantworten - das war falsch." Er forderte frühe Erziehung gegen Gewalt in Kitas und Schulen. Nur so könne man den Verbrechern den Nachwuchs abschneiden.

Der Hamburger Kriminologe Prof. Jens Weidner sagte dem Abendblatt: "Die Jugendgewalt insgesamt sinkt. Mit einer Ausnahme: Körperverletzung bei 15-25-jährigen Tätern. Die Täter haben eines gemeinsam: Sie haben null Einfühlungsvermögen für die Opfer und sie sind Meister im Schönreden ihrer Taten." Auch er forderte schnelle Reaktionen der Justiz. Weidner: "Wenn es schnell geht, dauert es von der Tat bis zur Verurteilung fünf Monate. Das ist aus der Sicht eines Jugendlichen ein halbes Leben."

Der Kriminologe Prof. Bernhard Villmow sagte, es sei unsinnig im Zusammenhang mit Jugendgewalt jetzt ganz auf die "represssive Schiene" zu setzen. Insgesamt sei das Thema viel zu komplex, um jetzt irgendwelche Patentrezepte vorlegen zu können. Villmow: "Auf jeden Fall sind bei diesem Prozess verschiedene gesellschaftliche Bereiche gefordert, unter anderem Schulen, Sozialarbeit und Sport. Nicht zuletzt müssen Lebensperspektiven ermöglicht werden, die es den Jugendlichen erlauben, auch ohne Gewalteinsatz Erfolgserlebnisse zu haben."

Unterdessen fahndete die Polizei am Freitag mit Hochdruck nach den Tätern, die den Rentner in Niendorf brutal attackiert hatten. Mehrere Dutzend uniformierte und zivile Beamte gingen den zahlreichen Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Einige Beamte sprachen auch Jugendliche am U-Bahnhof Niendorf-Nord und im Stadtteil direkt an, so Polizeisprecher Andreas Schöpflin. "Eine heiße Spur gibt es aber noch nicht."