Wie konnte es dazu kommen, dass der russische Geschäftsmann Dmitri Kowtun gleich an mehreren Orten in Hamburg Polonium-Spuren hinterlassen hat? Polonium 210 ist relativ ungefährlich, solange es nicht in den Körper gelangt. Das chemische Element sendet Alphastrahlung aus, die sogar durch ein Blatt Papier, Kleidung oder die Haut abgehalten wird. "Eine unmittelbare Gesundheitsgefahr besteht jedoch, wenn Polonium über Mund, Nase oder offene Wunden in den Körper gelangt", sagt Gerald Kirchner vom Bundesamt für Strahlenschutz. Dann kann es wie bei dem russischen Ex-Agenten Alexander Litwinenko zu schweren Schäden an den Organen kommen. Schleimhäute zerfallen, das Immunsystem bricht zusammen, die Leber versagt, eine akute Leukämie bricht aus - das Opfer stirbt. Polonium kann nicht von außen durch die Haut in den Körper aufgenommen werden. Kommt ein Mensch in Hautkontakt mit Polonium, so ist dies ungefährlich. Denn das Gift kann nicht an toten äußeren Hautzellen haften bleiben. Gelangt es jedoch über eine offene Wunde, Mund oder Nase in den Körper, so kann es durch Schweißabsonderung oder Urinausscheidung wieder aus dem Körper herauskommen. Auf einem dieser Wege, vermuten Ermittler, konnte Kowtun in der Wohnung seiner Ex-Frau, im Haus seiner Ex-Schwiegermutter, im Auto, mit dem er am 28. Oktober vom Flughafen abgeholt wurde, und an seiner Ausländerakte im Bezirksamt Rückstände des Stoffes hinterlassen.

Etwa ein Mikrogramm, also ein millionstel Gramm des strahlenden Elements, reicht aus, um einen Menschen zu töten. Das ist ein Bruchteil eines Sandkorns. Es war die polnische Chemikerin und Physikerin Marie Curie, die Ende des 19. Jahrhunderts das Element Polonium entdeckte. Sie erhielt 1911 unter anderem dafür als erste Wissenschaftlerin dieses Gebiets den Nobelpreis für Chemie. Dass es allerdings bis zum Tod des russischen Ex-Agenten Litwinenko als Gift nicht in Erscheinung trat, liegt vielleicht daran, dass es sehr schwer zu beschaffen und anzuwenden ist.