Stadtrand: Besuch bei den Menschen am nördlichsten, östlichsten, westlichsten und südlichsten Punkt.
Jörg Hartmann (34) und Lisa Schwarz (81) haben eines gemeinsam: Beide wohnen in Hamburg. Doch zwischen ihnen liegen 38 Kilometer Luftlinie. Sie leben an den äußersten Punkten der Stadt. Dort, wo Hamburg zu Ende ist. Die Grenzen der Metropole sind unsichtbar. Stadtmauern gibt es nicht mehr, der Grenzwall verläuft nur noch oben, im Norden, quer durch den Duvenstedter Brook. Es sind die Koordinaten des Amtes für Geoinformation und Vermessung, die festlegen, wo die Grenze zum nächsten Bundesland verläuft: im Süden zu Niedersachsen, im Norden, Osten und Westen zu Schleswig-Holstein.
Von Grenze zu Grenze gemessen ist Hamburg 38,56 Kilometer lang und 41,27 Kilometer breit (ausgenommen Neuwerk). Der höchste Punkt liegt in den Harburger Bergen, 116,2 Meter über dem Meeresspiegel, der tiefste in Neuenfelde, 0,8 Meter unter Normalnull. Durch das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 wurden Altona, Harburg-Wilhelmsburg, Wandsbek und 27 Kommunen zwangsweise eingemeindet, die Fläche verdoppelte sich auf mehr als 75 000 Hektar, die Bevölkerung wuchs um 40 Prozent. Heute leben in Hamburg mehr als 1,735 Millionen Menschen in knapp 92 000 Haushalten. Vier davon liegen ganz am Rand, am äußersten Zipfel der Stadt: am Leuchtfeuerstieg in Rissen, am Kraueler Hauptdeich in Kirchwerder, am Altenwerder Hauptdeich in Altengamme und am Duvenstedter Triftweg in Wohldorf.
Die Menschen, die dort wohnen, leben in der Stadt und doch auf dem Lande. Dort, wo der Asphalt in Schotter übergeht, Schotter in Sand. Wo Holz gehackt und Hunde gezüchtet werden. Am Stadtrand, wo morgens um 6 Uhr der Hahn kräht, Kühe am Gartenzaun grasen und die Luft im Sommer nach Heu riecht.
Sie sind Hanseaten und sagen dennoch: "Wir fahren nach Hamburg", wenn sie sich auf den Weg zum Jungfernstieg machen. Menschen am Rande der Großstadt, Menschen mit Grenzerfahrung.