Morgens um sechs weckt ihn der Hahnenschrei. Sein Ruf schallt über die Stadtgrenze von Schleswig-Holstein hinüber in das östlichste Haus Hamburgs. Dort, am Altengammer Hauptdeich 2, wohnt Thilo Nowak (68). Zur Miete. Seit 27 Jahren. Jeden Morgen um 6.30 Uhr kommt Sohn Thomas (30) die 50 Meter von Schleswig-Holstein herübergelaufen, um mit seinem Vater den ersten Kaffee zu schlürfen. Schwarz. Und stark. Ein paar Stunden später folgt der Rest der Familie, die Enkelkinder Timothy (4) und Antony (2).

Im östlichsten Winkel Hamburgs riecht es nach Gras und sandigen Waldwegen und mittags meist nach Kohlroulade. Hundegebell schallt von der nahegelegenen Hundeschule der Polizei. Im Garten hinterm Haus sitzt Thilo Nowak mit seinen Enkeln. "Die Familie ist das Wichtigste, was ich habe", sagt Nowak, der seine Kinder, Sohn Thomas und Tochter Silke, allein großgezogen hat. Noch heute melden sich die beiden täglich bei ihrem Vater, helfen ihm, die Kate und den 500 Quadratmeter großen Garten in Ordnung zu halten. Die Enkel haben ein eigenes Kinderzimmer bei "Opa". Statt Bücher türmen sich in den Regalen Spielzeugautos, auf dem Fußboden liegen Teddys und Buntstifte.

Die meiste Zeit aber verbringen die Nowaks in der Werkstatt im Hinterhof. Dort steht das Lieblingsspielzeug der Familie: ein kalifornischer Ford LTD, Baujahr 1972. Rosa mit weißen Ledersitzen. Im Sommer geht es gemeinsam gen Westen, den Elbdeich entlang, mit 50 Stundenkilometern der Metropole entgegen.

Oder auf eine Landpartie, rüber nach Schleswig-Holstein, vorbei an dem gelben Ortsschild, das die Stadtgrenze markiert. Hier ist nicht nur Hamburg zu Ende. Hier endet auch die Route der Hamburger Müllabfuhr. Nicht jedoch das Hamburger Telefonnetz. Dafür gelten andere geographische Grenzen. So hat Sohn Thomas noch die Hamburger Vorwahl, obwohl er in Schleswig-Holstein gemeldet ist. Und darüber ist er sogar ein bißchen froh. "Ich zahle weniger Autoversicherung", sagt er, "und der Kindergarten ist hier auch günstiger."

Vater Thilo Nowak hingegen hat sich 1978 ganz bewußt ein Hamburger Domizil gesucht. "Ich bin damals hierhergezogen, weil ich meine Kinder nicht sonnabends in die Schule schicken wollte", sagt er. 400 Mark Miete hat Nowak Ende der 70er Jahre für das Haus gezahlt. Heute sind es 500 Euro. Die Kosten sind gestiegen. Und dennoch ist Thilo Nowak geblieben. In Hamburg. Und bei seiner Familie. Darüber ist er froh.