Sozialsenator Dietrich Wersich rechnet nicht mit einer schnellen Aufklärung des Falls. Bilder zum Fall.
Eigentlich wollten die Abgeordneten im Kinder-, Familien- und Jugendausschuss der Bürgerschaft aufklären. Sie wollten vom Senat Antworten auf die offenen Fragen im Fall des toten Babys Lara aus Wilhelmsburg. Am Ende blieben die meisten Fragen offen. Mehr noch: Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) warf mehr Fragen auf, als er beantworten konnte.
Klar ist nach der Sondersitzung: Es gab zu Lebzeiten des neun Monate alten Babys Lara nur einen einzigen schriftlichen Bericht des Rauhen Hauses an das Jugendamt im Bezirk Mitte über die geleistete Familienhilfe. Dieser stammt von September 2008. Damals war Lara drei Monate alt. Im Normalfall, so Jugendamtsleiter Wolfgang Hammer, hätte es eine weitere Überprüfung des Hilfeverlaufs und damit einen weiteren schriftlichen Bericht im Dezember geben müssen. Dieser liegt nach Aussagen von Senator Wersich aber nicht vor. "Es hat zwar im Dezember einen Kontakt gegeben zwischen Rauhem Haus und dem Jugendamt. So wurde eine Wiedervorlage des Falls nach weiteren drei Monaten verfügt. Einen Bericht gibt es aber nicht", so Wersich. Warum dieser Bericht fehlt, sei eine der offenen Fragen, die die Behörde klären will.
Des Weiteren hat die gestrige Befragung ergeben, dass es offenbar keinen schriftlichen Auftrag vom Jugendamt an das Rauhe Haus über die Betreuungsleistung gegeben hat. Das heißt: Nirgendwo wurde schriftlich festgelegt, welche Leistungen vom Rauhen Haus in der Betreuung von Jessica R. und Lara erbracht werden sollten. War zum Beispiel die Familien-Betreuerin bei ihren Besuchen verpflichtet, sich das Kind auch ohne Kleidung anzusehen? Darauf gibt es bisher keine Antwort. Hat sie es dennoch getan und hätte dabei das zu niedrige Gewicht des Babys feststellen müssen? Auch das kann momentan niemand sagen. Die wenigen Akten, die es gibt, gäben darüber keine Auskunft, so Wersich.
Die Betreuerin der Familie verweigert derzeit die Aussage. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Deshalb kann auch bisher niemand sagen, ob Lara zu sämtlichen empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt vorgestellt worden ist oder nicht. Das entsprechende Untersuchungsheft ist in den Händen der Ermittlungsbehörden. Jessica R. hatte in einem Fernseh-Interview angedeutet, dass sie die letzten beiden Untersuchungen versäumt habe. Nach Informationen von Hamburg 1 fehlen die Untersuchungen U4 und U5.
Gut eine Woche nachdem Lara tot aufgefunden worden war, rechnete Wersich gestern nicht mit einer "kurzfristigen Aufklärung" des Falles. "Das wird uns noch eine Weile beschäftigen", so Wersich.
Es sei zu klären, ob in jeder Phase der Betreuung eine "geeignete Hilfe" verfügt worden ist, ob diese "richtig durchgeführt" worden und ob diese Hilfe "geeignet" gewesen sei. Ohne Antworten auf diese Fragen und die genaue Todesursache könne die Behörde den Fall nicht abschließend bewerten oder eventuelle systemische Fehler erkennen. Die Abgeordneten waren damit schneller: "Es ist offensichtlich, dass zwischen Jugendamt und Träger die notwendigen Vereinbarungen nicht in der Form getroffen wurden, wie es hätte sein müssen", sagte Klaus-Peter Hesse (CDU). Thomas Böwer (SPD): "Ich bin fassungslos, dass es offensichtlich keinen schriftlichen Auftrag zwischen Rauhem Haus und Jugendamt gegeben hat." Tatsächliche Aufklärung hatte er von der gestrigen Sitzung nicht erwartet. "Wir sind erst am Anfang", so Böwer. So sahen es auch die Ausschussmitglieder - und vertagten die Sitzung.