Fraktionen werfen Cornelia Schroeder-Piller vor, ein Rechtsgutachten zurückgehalten zu haben. Politiker aller Parteien fühlen sich übergangen und schlecht informiert.

Der politische Streit um ein Bordell an der Angerburger Straße in Wandsbek hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Der Vorsitzende der SPD-Bezirksfraktion, Thomas Ritzenhoff, hat nun den Rücktritt der Bezirksamtsleiterin Cornelia Schroeder-Piller (CDU) gefordert. "Um weiteren Schaden vom Bezirk abzuwenden, ist es an der Zeit, dass sie ihren Hut nimmt und ihren Posten als Bezirksamtsleiterin zur Verfügung stellt", sagte Ritzenhoff dem Abendblatt. Die SPD habe "keinerlei Vertrauen mehr in diese Verwaltungsspitze." Ähnliches ist auch aus Kreisen der CDU zu hören, auch wenn die Fraktion dies öffentlich noch nicht offiziell äußern wollte.

Grund für die aktuelle Rücktrittsforderung ist ein Widerspruch gegen die Ansiedlung des Bordells, der dem Bezirksamt bereits seit Anfang Januar vorliegt, den politischen Fraktionen aber erst jetzt bekannt wurde. Auch über das zur Widerspruchsbegründung eingereichte Gutachten (liegt dem Abendblatt vor) hatte das Bezirksamt die politischen Gremien nicht informiert. Mehr noch: Die Nachfragen der Fraktionen, ob es neue Erkenntnisse zur Ansiedlung des Bordells an der Angerburger Straße gebe, habe Cornelia Schroeder-Piller stets verneint, so die Vorwürfe aus den Fraktionen. Die Entscheidung der Bezirksversammlung für das Bordell in der vergangenen Woche sei damit auf falscher Grundlage getroffen worden. Ein pikantes Detail: Das jetzt bekannt gewordene Gutachten stützt ausgerechnet die Position der Ansiedlungsgegner im Bezirk und nicht die Auffassung des Bezirksamts.

Hintergrund: Das Bezirksamt hatte im September für das geplante Bordell einen positiven Vorbescheid erteilt, ohne die politischen Gremien an dem Entscheidungsprozess zu beteiligen. Der zuständige Bauausschuss wurde erst nach dem Vorbescheid über den Antrag informiert. Unter anderem deshalb hatten die Bezirksfraktionen am 5. Januar einem Antrag gegen die Ansiedlung des Bordells zugestimmt. Dieser wurde in der vergangenen Woche von der CDU zurückgenommen, nach einem Hinweis des Bezirksamts, das Bordell sei rechtlich nicht zu verhindern.

Dieser Aussage widerspricht das Gutachten ausdrücklich. Die Anwälte halten sogar schon den erteilten Vorbescheid für rechtswidrig. Deshalb kündigte Axel Wittlinger, Vertreter der benachbarten Grundstückseigentümer an der Angerburger Straße und Auftraggeber des Gutachtens, an, Klage einzureichen, sobald das Bezirksamt den endgültigen Genehmigungsbescheid unterzeichnet. Das soll laut Bezirksamtssprecherin Sonja Fessel in dieser Woche passieren.

Rechtlich dreht sich alles um eine Frage: Ist ein Bordell ein Gewerbe oder eine Vergnügungsstätte? Würde es als eine Vergnügungsstätte eingestuft, dürfte es nicht in einem Gewerbegebiet angesiedelt werden. Viele Bezirkspolitiker sind der Ansicht, dass es sich eindeutig um eine Vergnügungsstätte handelt. Diese Position wird auch vom Rechtsgutachten gestützt. Der für die Angerburger Straße geltende Bebauungsplan schließt zudem die Ansiedlung von Diskotheken und Kneipen in diesem Gebiet aus, um das produzierende Gewerbe vor Ort zu schützen. Juristisch ist der Definitionsstreit um Bordelle nicht endgültig geklärt.

Den Politikern geht es mittlerweile neben der inhaltlichen Komponente vor allem um die Vorgehensweise des Bezirksamts. Mitglieder aller Fraktionen sind empört, dass Schroeder-Piller die Politik bei der Entscheidung "übergangen" und "nicht mit einbezogen" habe. Thomas Ritzenhoff beklagt, dass bei einer Akteneinsicht der SPD im Januar der Vermerk über den bestehenden Widerspruch gefehlt habe, die zur Einsicht vorgelegte Akte also unvollständig gewesen sei.

Die Begründung des Bezirksamts zu den Vorwürfen: "Das angesprochene Papier ist kein Gutachten, sondern eine Einzel-Stellungnahme. Es wurde nicht geheim gehalten. Vielmehr hat das Bezirksamt die Stellungnahme und die dazugehörige ausführliche Begründung geprüft und festgestellt, dass keine neuen Erkenntnisse oder entscheidungsrelevanten Aspekte darin enthalten sind." Das Bezirksamt stütze sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die Beurteilung der Fachbehörde sowie auf ein unabhängiges Rechtsgutachten.