Der Aufsichtsratsvorsitzende räumt Fehleinschätzungen des Vorstands ein, ist aber zuversichtlich, dass die Bank die Krise überstehen wird - ohne ihn. Denn er gibt sein Amt ab.
Abendblatt:
Hamburg und Schleswig-Holstein müssen zur Rettung der HSH Nordbank drei Milliarden Euro bereitstellen und in Höhe von zehn Milliarden Euro Garantien leisten. Ist die Bank ein Fass ohne Boden?
Wolfgang Peiner:
Nein. Selbst nach dem hohen Bilanzverlust des Jahres 2008 hat die Bank immer noch aufsichtsrechtliche Eigenmittel von knapp zehn Milliarden Euro. Die Liquidität der Bank ist nicht zuletzt durch den Schirm des SoFFin gesichert. Die Bank ist nicht pleite.
Abendblatt:
Warum war die Schieflage nicht vorhersehbar?
Peiner:
Die Bank hatte nach ihrer Gründung, also der Fusion der beiden Landesbanken Hamburg und Schleswig-Holstein, ein Geschäftsmodell entwickelt, das ein großes Volumen von Kreditersatzgeschäften beinhaltete. Man hat ein großes Wertpapier-Portfolio aufgebaut und von den Renditen gut gelebt. Dann kam die weltweite Bankenkrise. Nicht zuletzt durch den Konkurs von Lehman Brothers mussten erhebliche Wertberichtigungen vorgenommen werden, die die Bilanz in starkem Maße belasten. Dieses Kreditersatzgeschäft-Portfolio war, das muss man aus heutiger Sicht sagen, vor dem Hintergrund des niedrigen Eigenkapitals der Bank und ihres Risikomanagements zu groß.
Abendblatt:
Wer hat wann beschlossen, dass sich die Bank auf das hoch riskante Kreditersatzgeschäft einlässt, das in die Krise führte?
Peiner:
Es ist nicht hoch riskant. Es ist ein überwiegend ganz normales Wertpapier-Portfolio, das allerdings in Zeiten einer Finanzmarktkrise erheblichen Wertschwankungen unterliegt. Das Geschäftsmodell ist 1999/2000 entwickelt und von der HSH Nordbank übernommen worden. Andere Landesbanken wie die bayerische oder baden-württembergische haben es genauso gemacht.
Abendblatt:
Hamburg und Schleswig-Holstein haben von den hohen Renditen profitiert. Waren die Eigentümer zu gierig?
Peiner:
Nein. Weder die Eigentümer noch der Aufsichtsrat haben den Vorstand der Bank zu dem Abschluss besonders risikoreicher Geschäfte mit dem Ziel hoher Renditen ermuntert. Es war die Geschäftspolitik des Vorstands der Bank.
Abendblatt:
Also trägt der Vorstand die Verantwortung für die katastrophale Lage?
Peiner:
Das ist deutsches Aktiengesetz und keine Besonderheit. Der Aufsichtsrat hat die Verantwortung, die Geschäfte und das Geschäftsmodell zu überwachen und einzuschätzen. Allerdings: Der Vorstand war in seiner Einschätzung der Folgen der Finanzkrise für die Bank zu optimistisch.
Abendblatt:
Wann ist Ihnen als Aufsichtsratsvorsitzendem deutlich geworden, dass die Fahrt steil nach unten geht?
Peiner:
Dass die Fahrt mit dem Wertpapier-Portfolio nach unten geht, ist mir mit dem Ausbruch der Finanzkrise Anfang 2007 deutlich geworden. Nachhaltig klar war es mir dann 2008 mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Davor habe ich aber bereits die Linie vertreten, dass die Bank ihr Geschäftsvolumen deutlich reduzieren und sich auf das Kerngeschäft konzentrieren muss. Der Aufsichtsrat hat nach Ausbruch der Finanzkrise konsequent gehandelt: das Risikomanagement gestärkt, den Wachstumskurs zurückgenommen und die Ertragskraft gestärkt, den Vorstandsvorsitzenden ausgewechselt und ein neues Geschäftsmodell entwickelt.
Abendblatt:
Trotzdem gibt es jetzt erste Stimmen, die Ihren Rückzug aus dem Aufsichtsrat fordern. Was sagen Sie dazu?
Peiner:
Nach Ausbruch der weltweiten Finanzkrise, d. h. in meiner Zeit als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Bank, habe ich nach meiner subjektiven Einschätzung richtig und konsequent gehandelt. Aus heutiger Erkenntnis hätte ich aber nach der Fusion der Banken - ebenso wie Frau Simonis, die damalige Vorsitzende des Aufsichtsrats, und Herr Stegner, ihr damaliger Finanzminister und Mitglied des Aufsichtsrats - das Geschäftsmodell der Bank im Hinblick auf das Volumen des Kreditersatzgeschäfts infrage stellen müssen. Das sage ich, obwohl weder unsere Wirtschaftsprüfer noch die Bankenaufsicht und die uns beratenden Investmentbanken darin ein Problem gesehen haben.
Abendblatt:
Das Mandat des Aufsichtsrats endet Ende April. Stehen Sie für eine weitere Amtsperiode zur Verfügung?
Peiner:
Nein. Ich bin Aufsichtsratsvorsitzender mit dem Ziel geworden, die Bank an die Börse zu bringen und den politischen Einfluss der Länder auf die Bank deutlich zu verringern. Dieses Ziel ist heute nicht mehr realistisch. Deswegen sollte jemand anders den Vorsitz übernehmen. Ich werde nicht wieder als Mitglied des Aufsichtsrats kandidieren.
Abendblatt:
Übernehmen Sie damit Ihren Teil der Verantwortung?
Peiner:
Ich möchte es nicht so hochtrabend formulieren.
Abendblatt:
Was haben Sie falsch gemacht?
Peiner:
Aus heutiger Sicht erkennen wir, dass das Kreditersatzgeschäft für die Bank zu groß war. Ich frage mich, ob ich das nicht aufgrund meiner Erfahrungen schon früher hätte sehen und erkennen können.
Abendblatt:
Wird die HSH Nordbank die Krise überstehen?
Peiner:
Ja, ich bin zuversichtlich. Die Bank ist stabil in ihren Grundgeschäftsfeldern. Sie hat für die Schifffahrt und das norddeutsche Firmenkundengeschäft eine systemische Bedeutung. Das heißt, sie ist eine Schlüsselbank für diese Bereiche. Dennoch muss sich die Bank für die Zukunft fragen, ob es möglicherweise Partner oder Fusionskandidaten gibt. Das neue Geschäftsmodell ist offen für eine solche strategische Weiterentwicklung.