In Deutschland ist die Zahl der Todesopfer durch den EHEC-Erreger auf zehn gestiegen. Auch die Zahl der Krankheits- und Verdachtsfälle steigt.

Kiel/ Hamburg/Berlin. In Norddeutschland steigt die Zahl der Todesfopfer durch den EHEC-Erreger weiter an. Bis zum Sonnabend sind zehn Menschen dem gefährlichen Darmkeim zum Opfer gefallen. Auch die Zahl der Krankheits- und Verdachtsfälle steigt. Nach offizieller Schätzung ist der Höhepunkt der Krankheitswelle noch nicht erreicht. Die Quelle des gefährlichen Erregers ist bislang nicht eindeutig identifiziert. Mehr als die Hälfte der Deutschen verzichtet auf rohe Tomaten, Gurken und Salat.

Unterdessen gibt die Gesundheitsbehörde nach wie vor keine Entwarnung beim Verzehr von Gurken, Tomaten und Salat. Die Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks sagte: "Es ist zu früh, um Entwarnung zu geben. Waschen oder Schälen bietet zwar einen guten Schutz, aber der Erreger kann auch in den Lebensmitteln sein. Wer auf Nummer sicher gehen will, der sollte im Moment auf gekochtes Gemüse umstellen.“

Bis zum heutigen Morgen wurden in Hamburg 467 Fälle von Patientinnen und Patienten, die mit EHEC infiziert bzw. EHEC-Verdachtsfälle sind, gemeldet. Die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) ist noch zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen, weches Unternehmen die mit Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) belastete Gurken vertrieben hat. Weiterhin deuten Hinweise auf Lieferwege aus den Niederlanden hin, ein Unternehmen kann aber noch nicht benannt werden. Weitere positive EHEC-Nachweise auf Gurken oder andern Lebensmitteln wurden bislang nicht gefunden.

In einem Krankenhaus in Schleswig-Holstein starb am Sonnabend eine 86 Jahre alte Frau an der schweren Komplikation HUS. HUS steht für hämolytisch-urämisches Syndrom. Im Hamburger Uniklinikum Eppendorf (UKE) starb daran in der Nacht zum Sonnabend eine 87-jährige Frau. Eine 38 Jahre alte Frau aus Schleswig-Holstein war bereits am Donnerstagabend in einem Kieler Krankenhaus am HUS gestorben. Bundesweit schweben mehrere Menschen weiter in Lebensgefahr.

"Es ist bedauerlich, dass wir in Hamburg einen weiteren Todesfall zu beklagen haben“, so Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks. "Jeder Tag mehr bedeutet eine weitere Herausforderung für die Krankenhäuser in Hamburg. Nach wie vor ist die Versorgung in Hamburg sicher gestellt. Aber wir werden auch weiter auf Ressourcen in den andern Bundesländern zurückgreifen und Patientinnen und Patienten verlegen. Dem Aufruf, in der kommenden Woche Blut zu spenden, schließe ich mich ausdrücklich an. Selbst wenn die Vorräte an Blutplasma noch ausreichen, so müssen wir doch bereits jetzt an die Zeit danach denken.“

Deutschlandweit wurden mittlerweile mehr als 1.000 bestätigte und EHEC-Verdachtsfälle registriert. Normalerweise gibt es im ganzen Jahr etwa 900 gemeldete Infektionen mit den Bakterien. Von den neun Toten waren acht Opfer Frauen. Bislang stammen alle Todesopfer aus Norddeutschland.

Allein in Niedersachsen wurden bis Sonnabend 141 bestätigte Erkrankungen, 48 EHEC-Verdachtsfälle und 42 HUS-Fälle registriert. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Zahl der Schwererkrankten noch weiter steigt“, sagte der Sprecher des Sozialministeriums. Wegen Überlastungen verlegen Hamburger Kliniken Erkrankte derzeit nach Niedersachsen. In Hamburg liegt die Zahl bei etwa 400 Patienten.

In Mecklenburg-Vorpommern haben sich weitere EHEC-Patienten in Behandlung begeben. Bei einer 58-jährigen EHEC-Patientin im Karlsruher Klinikum bestand keine akute Lebensgefahr mehr. „Aber die Patientin wird nach wie vor beatmet“, sagte eine Kliniksprecherin. Sie hatte zuvor nach Angaben der Klinik viel Rohkost gegessen. Aus Nordrhein-Westfalen wurden am Sonnabend keine neuen EHEC-Fälle gemeldet, hier erkrankten 48 Menschen. Schweden hatte 25 nachgewiesene EHEC-Erkrankungen, Dänemark sieben, Großbritannien drei, Österreich zwei und die Niederlande eine.

Hamburger Mediziner setzen im Kampf gegen das gefährliche HU-Syndrom auf eine neue Behandlung. Sechs EHEC-Infizierte mit Komplikationen bekämen UKE derzeit einen speziellen Antikörper, sagte Prof. Rolf Stahl am Sonnabend. "Seit Freitagabend setzen wir bei schwerstkranken Patientinnen und Patienten mit Störungen des zentralen Nervensystems ein neues Medikament ein“, berichtete der Nierenspezialist. "Erst in einigen Wochen werden wir wissen, wie erfolgreich diese Therapie sein wird.“

Nach Einschätzung von Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) ist der Höhepunkt der Krankheitswelle noch nicht erreicht. Denn zwischen einer Ansteckung und dem Ausbruch der Krankheit könnten bis zu zehn Tage liegen. Er gehe außerdem davon aus, dass es außer den identifizierten spanischen Salatgurken vom Hamburger Großmarkt noch weitere Ansteckungsquellen geben müsse.

Spanische Behörden wiesen Informationen der EU-Kommission zurück, wonach zwei Agrarbetriebe in Südspanien wegen EHEC-Verdachts vorübergehend geschlossen worden seien. In den beiden Betrieben in den Provinzen Almería und Málaga seien lediglich abgeerntete Gurken vorsichtshalber sichergestellt worden, teilte das andalusische Gesundheitsministerium in Sevilla mit. Sie könnten womöglich mit den in Deutschland aufgetretenen EHEC-Infektionen in Verbindung stehen. Experten entnahmen Boden-, Wasser und Produktproben.

Die Laboranalyse zum Zusammenhang zwischen den positiven Proben bei Gurken und den Stuhlproben der erkranken Patientinnen und Patienten dauert ebenfalls an. Mit Ergebnissen wird in der kommenden Woche gerechnet.

Weitere Informationen zur Erkrankung oder zu Hygienemaßnahmen sind über die Internetseite der BGV unter www.hamburg.de/bgv sowie über den telefonischen Hamburg Service, auch am Wochenende, unter 428 28 -0 verfügbar.

EHEC-Schnelltest soll kommende Woche bereit stehen

Wissenschaftler der Uniklinik Münster arbeiten unter Hochdruck an einem Schnelltest zum Nachweis des grassierenden Durchfall-Erregers EHEC. Ein Modell gebe es bereits, dieses werde derzeit getestet, sagte ein Sprecher der Uniklinik am Samstag. Der Schnelltest könne wohl im Laufe der kommenden Woche, eventuell erst zum Ende der Woche zur Verfügung stehen. An dem Test arbeitet das Konsiliarlabor für das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) unter der Leitung des EHEC-Spezialisten Helge Karch. Das Labor hatte auch den Erregertyp ermittelt, der für den aktuellen Ausbruch der EHEC-Infektionen in Deutschland verantwortlich ist.

(jes/at/dpa)