Hamburg. Seit knapp 25 Jahren betreibt Oskar Sporrer sein Ausflugslokal. Zuvor stand der Bayer unter anderem in Diensten einer Rotlichtgröße.
Links neben der Theke der Elbkate hängt ein Schild des Freistaates Bayern, rechts davon haben sich Hans Albers und Freddy Quinn mit Originalunterschriften auf Fotos verewigt: „Für Oskar“. Dieser Oskar, Nachname Sporrer, steht in der Kombüse hinten und bereitet Labskaus nach Art hanseatischer Fahrensmänner zu. Er spricht mit deftigem bayerischen Akzent, versteht aber auch Platt.
Wie das zusammengeht, wissen die Stammgäste des Ausflugslokals direkt am Elbufer aus erster Hand. Im Ticketbüro der ehemaligen Wasserfluglinie Hamburg–Dresden betreibt Sporrer seit fast einem Vierteljahrhundert seine Kate. Dieses Lokal in allerbester Lage bietet ihren Gästen Hausmannskost aus eigener Küche wie Erbensuppe oder Finkenwerder Scholle. Spaziergänger freuen sich über selbst gebackenen Kuchen.
Nicht minder urig wie das Lokal ist der Chef: Oskar Sporrer gilt als Original. Nicht nur seine Lebensgeschichte hat Charakter. In längst vergangenen Tagen fuhr der kernige Bayer zur See, bevor er sich im Rotlicht St. Paulis einen Namen als Wirtschafter und Gastronom machte. Der Mann macht kein Hehl aus diesen Stationen.
Große Pötte in der Küche und auf der Elbe
Wer zur Elbkate will, muss von der Elbchaussee, Höhe Halbmondweg, eine winzige, für den Autoverkehr gesperrte Straße durch Schröders Park hinuntergehen. Der 217 Tonnen schwere Findling „Alter Schwede“ ruht nur wenige Schritte entfernt. Auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) kehrte hier schon mehrfach ein.
Vor dem Restaurant befinden sich etwa 400 Sitzplätze, überwiegend an Holztischen, die auf der Rasenfläche direkt am Wasser stehen. Selbstbedienung ist angesagt. Wer à la carte bestellt, erhält die Speisen am Platz. Das Beste daran: Große Pötte stehen nicht nur in der Küche, sie fahren direkt vorbei. Kaum einen anderen Ort gibt es in der Hansestadt, um dem Schiffsverkehr auf dem Strom so nahe zu sein.
Heute brummt das Geschäft. Nach einem kräftigen Händedruck bittet Sporrer um einen Moment Geduld. Kein Problem, denn im Schankraum gibt es eine Menge zu sehen. Neben den Fotos und Autogrammen von Freddy Quinn und Hans Albers hängt an den Wänden Maritimes: Positionslampen für Back- und Steuerbord, ein Steuerrad, Schiffsglocken, ein Rettungsring, ein Ruder. Reedereiflaggen und ein Bullauge aus Messing runden das Bild ab.
Mit dem Wasserflugzeug nach Dresden
Die Historie dieser Kate kennen nur wenige. Sie betrifft eine alte Verkehrsverbindung zwischen der seinerzeit preußischen Stadt Altona und Sachsens Hauptstadt Dresden – mit Zwischenstopp in Magdeburg. Diese „Blaue Linie“ wurde am 10. August 1925 vom Altonaer Oberbürgermeister Max Brauer eröffnet, dem späteren Hamburger Senatschef. Neben einer Handvoll Passagieren beförderten die Wasserflugzeuge F 13 der Junkers Werke Dessau mit den passenden Namen „Silbermöwe“ und „Wildente“ Briefsendungen, Päckchen und frischen Fisch. Tickets für die zweimal täglich besetzte Passage wurden in einer Holzbaracke verkauft, der heutigen Elbkate. Ein Ruderboot beförderte die Fluggäste zur Maschine auf der Elbe.
Letztlich gab es nur 134 Flüge, dann wurde dieser exklusive Dienst eingestellt. Gründe waren Tücken wie Hochwasser, Eisschollen, zu wenige Passagiere, der aufstrebende Flughafen in Fuhlsbüttel sowie die Konkurrenz der Deutschen Luft Hansa.
Als Sporrer die Kate 1991 übernahm, war die neue Betätigung Zwischenstation einer langen Reise durch ein intensives Leben. Am 11. April 1953 als Sohn eines Landwirts auf einem Einöd-Bauernhof bei Straubing in Niederbayern geboren, zog es Oskar schon mit 15 Jahren hinaus in die weite Welt. Erst lernte er Koch in München, anschließend heuerte er bei der Nordsee-Reederei in Cuxhaven an. Als Smutje blieb er in der Hochseefischerei drei Jahre an Bord – meist auf dem Nordatlantik. Wegen einer Deern namens Tina musterte der 24-Jährige im April 1977 ab und warf in Hamburg Anker. Dauerhaft. Der weitere Werdegang in Stichworten: Job als Mann für alle Fälle im Club 88 auf der Reeperbahn. 1980 Selbstständigkeit mit der Kneipe Oskar auf der Großen Freiheit. Schließlich Job als Wirtschafter, um es vornehm auszudrücken, in Diensten des Rotlichtbosses Stefan Hentzschel.
1991 verabschiedet sich Oskar aus dem Dunstkreis des Rotlichts. Für immer. Das Ersparte reichte, um ins bürgerliche Leben einzukehren – in die Elbkate. Vermieter war und ist die Sprinkenhof AG. Praktisch für Oskar erwies sich, dass er mit Sabine Bublitz eine Mitarbeiterin hatte, die seit 24 Jahren im Team der Elbkate steht. Doch erst seit drei Jahren sind die beiden ein Paar. Sporrer ist im Reinen mit sich und seinem Werdegang. „In Hamburg habe ich meinen Heimathafen gefunden.“
Elbkate, Övelgönner Hohlweg 12. Geöffnet in den Sommermonaten meist von 10 bis etwa 22 Uhr – an sieben Tagen in der Woche. Bei ganz schlechtem Wetter geschlossen