Hamburg. In Sülldorf startete vor sieben Jahren ein Pilotprojekt. Passiert ist bis heute aber nichts. Woran es hakt – und was gefordert wird.

Sie heißen grüner Wissensboulevard. Der Ring. Oder Bergedorfer Link. Die Rede ist von den zwölf Hauptverkehrsadern, mit denen Hamburg Großes vorhat. Zumindest liest es sich so, wenn man die vielen Seiten zum Masterplan Magistralen studiert. Der Senat verspricht sich viel von der Entwicklung an diesen Verkehrsachsen, vor allem neuen Wohnraum, der durch eine höhere Bebauung ermöglicht werden soll.

Doch so hochtrabend die Pläne, so niederschmetternd ist die Realität. Im Hamburger Westen machte sich der Bezirk Altona als einer der Ersten auf den Weg. Ein Bebauungsplan am Sülldorfer Bahnhof galt als Pilotprojekt und Auftakt der Magistralen-Strategie. Das ist sieben Jahre her. Gebaut wird bis heute nicht. Auch an anderer Stelle der Sülldorfer Landstraße herrscht Stillstand.

Wohnen in Hamburg: Neue Wohnungen in Sülldorf geplant – aber nichts passiert

Zum Beispiel auf dem Grundstück Höhe Hausnummer 146 bis 154. Hier plant ein Investor einen Neubaukomplex mit einem Rewe-Markt und rund 80 neuen Wohnungen. Die Abrissbagger schafften vor vier Jahren schon den nötigen Platz dafür. Mit Wohnen hat es aber nur im aller weitesten Sinne zu tun, was man dort heute findet: einen überwachten Stellplatz für Wohnmobile.

Wohnwagenparkplatz
Zwischen dem Aldi-Supermarkt (l.) und dem geplanten Rewe-Markt samt neuen Wohnungen (r.) blieb dieses denkmalgeschützte Gebäude an der Sülldorfer Landstraße erhalten. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

An den großen Camper-Parkplatz schließt sich ein paar Schritte weiter der nächste Bauzaun an. Vor dem leerstehenden Gewerbeobjekt hängt ein Plakat vom Projektentwickler Bonava. „Wir suchen Grundstücke“, schreibt das Unternehmen. Man sei immer auf der Suche nach Bauland. Ob und wann hier gebaut wird? Unter den aktuellen Projekten findet sich bei Bonava zu Sülldorf nichts.

Immobilien Hamburg: 1500 neue Wohnungen pro Jahr im Bezirk Altona – aber erst 360 genehmigt

Einer, der über all das nur den Kopf schütteln kann, ist CDU-Fraktionschef Sven Hielscher. „Kein einziger Bebauungsplan ist in diesem Zusammenhang bis heute realisiert worden“, kritisiert er. Dabei hätte allein der Abschnitt vom Sülldorfer Bahnhof die Magistrale entlang bis zum Iserbrooker Bahnhof das Potenzial von 700 bis 800 Wohneinheiten, die hier durch die dann erlaubte höhere Bebauung entstehen könnten.

Zum Vergleich: Pro Jahr sollen in Altona 1500 neue Wohnungen entstehen, so die Zielvorgabe. In diesem Jahr wurden bis zum Herbst gerade einmal 360 genehmigt. Doch statt neuer Wohnungen sind in Sülldorf durch den Abriss von Bestandsgebäuden erst einmal welche vernichtet worden.

Magistralen-Plan: Statt Wohnungen zu schaffen, wurden welche vernichtet

In der Stadtentwicklungsbehörde sieht man das anders. Zwar kann die Behörde auf Abendblatt-Anfrage keinen fertigen Bebauungsplan im Zusammenhang mit dem Magistralen-Plan im Bezirk Altona benennen, verweist aber auf zwei fertige Bebauungspläne in Stellingen und Bramfeld. 2019 sei auf dem Internationalen Bauforum die Magistralen-Strategie bekräftigt worden. Im Juli 2024 wurde dann der Masterplan dazu präsentiert.

Zum zeitlichen Horizont heißt es: „Die Magistralenentwicklung ist eine ‚Generationenaufgabe‘, die nur gemeinsam und in zeitlichen Entwicklungsetappen gelingen kann. Im Rahmen eines kurz-, mittel- oder langfristigen Entwicklungshorizonts werden sich die Magistralen durch eine Vielzahl sich ergänzender Maßnahmen ‚Stück für Stück‘ weiterentwickeln.“

Neue Wohnungen in Hamburg: CDU kritisiert langwierige Verfahren bei Änderung der Bebauungspläne

Zu dem Vorwurf, es seien keine Wohnungen geschaffen, sondern vielmehr welche vernichtet worden, verweist man auf eine Stellungnahme des Bezirks dazu: „Ein kausaler Zusammenhang zwischen Verfahrensdauer und dauerhaftem Abgang von Wohnraum ist nicht ersichtlich. In der Regel erfolgt der Abriss im Zusammenhang mit einer Baugenehmigung. Die tatsächliche Realisierung bei vorliegender Genehmigung obliegt den Bauherren.“

Hielscher, der sich seit Jahrzehnten in der Bezirkspolitik engagiert, sieht das Problem nicht bei den Bauherren, sondern vielmehr in der Verwaltung beziehungsweise in den langwierigen Verfahren. Um beim Beispiel der nötigen Änderung des Bebauungsplans an der Sülldorfer Landstraße zu bleiben: Hier habe es immer wieder Einwendungen gegeben.

Wohnungen in Sülldorf: Zahlreiche Einwendungen verzögern Bauprojekt

Hielscher zählt einige Beispiele auf: Die Deutsche Bahn benötigte mehr Platz für einen möglichen Ausbau der Gleise, das Denkmalschutzamt forderte mehr Rücksicht und Abstand zum geschützten Gebäude auf dem Nachbargrundstück. Und die Wirtschaftsbehörde habe angemerkt, dass in dem Bereich auch ein Gartenbaubetrieb sitze, von dem eine Nachbarbebauung mehr abrücken müsse, da diese sonst die Pflanzen verschatte.

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„Jahr für Jahr war immer etwas anderes“, berichtet der Bezirksabgeordnete, der auch Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung ist. „Wenn wir die Fachbehörden nicht hätten, wären wir in Altona an vielen Stellen deutlich weiter.“ Aus seiner Sicht hakt es, weil die Träger öffentlicher Belange viel zu lange für ihre jeweiligen Stellungnahmen zu den Bebauungsplänen bräuchten. „Es braucht eine enge Frist, in der die Stellungnahmen abgegeben werden müssen“, fordert Hielscher.

Wohnen Hamburg: „Wir müssen einfach machen, statt uns immer über die Magistralen-Strategie zu unterhalten“

„Die Änderung des Planrechts in bestehenden Siedlungsbereichen ist eine sehr komplexe Aufgabe, da zahlreiche öffentliche und private Belange aufeinander treffen“, sagt hingegen Constanze von Szombathely von der Behörde für Stadtentwicklung. „Auch führen sich über den Zeitraum ändernde Rahmenbedingungen zu Anpassungen in der Planung und den damit verbundenen Gutachten.“ Das könne manchmal zu einer Verzögerung der Verfahren führen. „Von Seiten der zuständigen Dienststellen wird auf einen zügigen Verfahrensfortgang hingewirkt, um möglichst frühzeitig Entwicklungswilligen eine verlässliche Grundlage für die weitere bauliche Entwicklung der Magistralen zu bieten“, so Constanze von Szombathely.

Hielscher geht das nicht weit genug. „Wir müssen aufhören, uns immer über die Magistralen-Strategie zu unterhalten, sondern müssen einfach machen“, fordert er. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass sich dann auch einmal etwas an der Sülldorfer Landstraße tut: In der jüngsten Bezirksversammlung wurde die besagte Änderung des Bebauungsplans nun beschlossen. Jetzt muss sie nur noch rechtlich geprüft und danach veröffentlicht werden, damit sie Gültigkeit erlangt.