Hamburg. Trotz Gegenwehr musste der beliebte Stand im Bahnhof Altona schließen. Jetzt wird ein neuer Mieter gesucht. Wie die Bahn das begründet.

Es gab großen Protest, Unterschriftenaktionen, und sogar Altonas Bezirkspolitik beschäftigte der Fall, der aber trotzdem anders ausging, als viele es sich erhofft hatten. Denn der beliebte Betreiber des kleinen Obst- und Gemüsestands im Bahnhof Altona musste am Ende seinen Platz räumen.

Die Deutsche Bahn ließ sich nicht erweichen, blieb bei der Kündigung. Die Begründung lautete damals: Man brauche die Fläche als „Sichtachse“. Umso mehr überrascht, dass jetzt plötzlich eine Immobilienanzeige auftaucht, in der die Deutsche Bahn eben diese Aktionsfläche wieder zur Vermietung anbietet. Die Empörung ist groß.

Empörung über Deutsche Bahn: Politik in Altona hatte sich für Gemüsehändler starkgemacht

Zum Beispiel bei Mithat Capar. Der Bezirksabgeordnete und Bürgerschaftskandidat der SPD in Altona hatte sich im Fall des Gemüsehändlers vor vier Jahren für den Betreiber starkgemacht. Schon damals hatte er das Verhalten der Deutschen Bahn nicht nachvollziehen können. Dass ebendiese Fläche einige Jahre später erneut zur Miete angeboten wird, macht ihn fassungslos.

„Es ist absurd und geradezu grotesk, wie die Deutsche Bahn damals einen Standbetreiber, im Nachhinein betrachtet mit fadenscheinigen Argumenten, aus dem Bahnhof gedrängt hat, nur um nun dieselbe Fläche nach Jahren des Leerstands wieder zu vermieten“, kritisiert Mithat Capar. „Das ist nicht nur wirtschaftlich unsinnig, sondern zeigt auch, wie respektlos man mit einem Menschen und seiner Familie umgegangen ist, der jahrelang hier für viele Menschen einen wichtigen Anlaufpunkt geschaffen hat.“

Bahnhof Altona: Deutsche Bahn kündigte dem Obsthändler wegen „Sichtachsen“

Betrieben wurde der Obst- von Gemüsepavillon, der sich großer Beliebtheit erfreute, von Mehmet Ali Demirtas. Das zeigten nicht nur die mehr als 5100 Unterschriften, die für den Erhalt zusammenkamen, oder die Unterstützung der Bürgerinitiative „Prellbock“. Sondern auch eine gemeinsame Mehrheit aller Bezirkspolitiker in Altona, die sich Anfang 2019 in der Bezirksversammlung für den Verbleib aussprachen und die Bahn eindringlich um erneute Prüfung baten. „Dieser Stand gehört zum Altonaer Bahnhof und Ottensen wie der Michel zu Hamburg“, fasste es damals die CDU-Bezirksabgeordnete Antonia Haufler zusammen.

Zehn Jahre lang gab es den Obst- und Gemüsestand im Bahnhof Altona, bis dem Betreiber die Fläche, wie er sagte, überraschend im März 2019 gekündigte wurde. In der Begründung der Deutschen Bahn auch gegenüber dem Bezirk Altona wurde auf eine Beeinträchtigung der Laufwege für Bahnhofskunden und der Sichtachsen zum neuen Foodcourt verwiesen. Dabei blieb man trotz aller Gegenwehr sowie juristischer Mittel, die der Betreiber einsetzte. Ende Oktober 2020 gingen die Lichter aus.

Deutsche Bahn bietet 20 Quadratmeter im Bahnhof Altona für 2500 Euro pro Monat an

Im Oktober 2024 scheint die Lage eine andere zu sein. Von Sichtachsen ist in der aktuellen Immobilienanzeige der DB Infra GO AG – Regionalbereich Nord nicht die Rede. Vielmehr von einer sofort verfügbaren Verkaufsfläche in A-Lage. 2500 Euro möchte die Bahn für die 20 Quadratmeter große Aktionsfläche pro Monat haben. Allerdings gibt es Einschränkungen: „Es werden nur Konzepte berücksichtigt, welche noch nicht am Bahnhof vertreten sind“ und für die 125 Euro pro Quadratmeter gibt es auch nur einen Kurzzeitvertrag über 42 Tage am Stück. Aber: „Eine Verlängerung bei positiver Zusammenarbeit ist möglich.“ Interessenten könnten sich jederzeit bewerben.

Der Hamburger SPD-Abgeordnete Mithat Capar setzte sich massiv für den Erhalt des Obst- und Gemüsestands im Bahnhof Altona ein.
Der Hamburger SPD-Abgeordnete Mithat Capar setzte sich massiv für den Erhalt des Obst- und Gemüsestands im Bahnhof Altona ein. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

„Damals hieß es, der Stand würde ‚Sichtachsen‘ stören – eine Begründung, die rückblickend völlig an den Haaren herbeigezogen wirkt. Jetzt, fünf Jahre später, soll die Fläche wieder vermietet werden. Das zeigt doch, dass es nie um die Sache ging“, zieht der SPD-Abgeordnete Capar seine Schlüsse daraus. „Die Deutsche Bahn, ein Unternehmen in öffentlicher Hand, hat mit einer Kaltschnäuzigkeit gehandelt, die man eher von skrupellosen Immobilienhaien erwartet. Wenn selbst die Bahn so agiert, was bleibt dann noch von sozialer Verantwortung und fairem Miteinander in unserem Land?“

Deutsche Bahn verweist darauf, dass Sitzbänke entfernt wurden und Sichtachse nicht mehr stören

Die Deutsche Bahn erklärt auf Abendblatt-Anfrage: „Die Vorwürfe können wir nicht nachvollziehen.“ So verweist eine Bahnsprecherin darauf, dass der Obsthändler damals ein Angebot eines Bestandsmieters ausgeschlagen habe, der ihm eine alternative Fläche zur Untermiete in Altona angeboten hätte. Das habe der Obsthändler laut Sprecherin aufgrund der Lage aber nicht weiter verfolgt.

Warum der Stand überhaupt geräumt werden musste und die Sichtachsen jetzt keine Rolle mehr spielen, erklärt die Bahnsprecherin folgendermaßen: „Vor circa zwei Jahren wurden im genannten Bereich Sitzbänke zurückgebaut. Dadurch ist es nun wieder möglich, den Bereich als Aktionsfläche zu nutzen.“ Dazu gehörten Aktionen der Werbegemeinschaft, Promotionsaktionen oder eben auch temporäre Vermietungen. „Durch diese frei gewordenen Flächen sind jetzt auch alle sogenannten Laufachsen für Fahrgäste uneingeschränkt frei. Dies war vorher nicht gegeben“, so die Sprecherin.

Mehr zum Thema

Der Ottensener Capar kann darüber nur den Kopf schütteln: „Die Deutsche Bahn sollte sich lieber auf ihr Kerngeschäft, den zuverlässigen und pünktlichen Verkehr, konzentrieren, statt Menschen, die mit harter Arbeit ihre Familien ernähren, aus dem Bahnhof zu drängen. Es wäre besser, die Energie in die Verbesserung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs zu stecken. Menschen, die hart arbeiten, so zu behandeln, ist einfach beschämend.“