Hamburg. Der Großkonzern macht juristisch mobil gegen einen Kiosk im Bahnhof Altona. Der wehrt sich mit Unterschriften.

Wenn ein Obsthändler vor einem Großkonzern wie der Deutschen Bahn nicht in die Knie geht, kann er mit Sympathisanten an seiner Seite rechnen. Mehr als 5100 Kunden treten mit ihren Unterschriften für den Erhalt des kleinen Kiosks im Erdgeschoss des Bahnhofs Altona ein. Betreiber Mehmet Ali Demirtas weiß zudem Vertreter der Parteien sowie die Bürgerinitiative „Prellbock“ hinter sich. Nach einer Räumungsklage droht nun jedoch das endgültige Aus.

Vor Monaten hatte die Bezirksversammlung Altona an den Konzern appelliert, den Vertrag bestehen zu lassen oder den Kaufmann anderswo auf dem Gelände unterzubringen. Die jetzt beim Landgericht angestrengte Räumungs­klage der Bahn Station & Service gegen ihren Mieter spricht eine andere Sprache. In der ersten Hälfte 2020 könnte es zu einem Gerichtsprozess kommen.

SPD: „Unsoziales Verhalten der Bahn“

Eigentlich war Mehmet Demirtas bereits zum 31. März dieses Jahres gekündigt worden. Der dort seit mehr als zehn Jahren stationierte und ob seines frischen, vielfältigen und recht günstigen Angebots bei Reisenden und Passanten beliebte Obststand stört angeblich „Sichtachsen“ im Vorfeld der Bahnsteige. Nach einem Umbau sollten die Richtung Ottenser Hauptstraße platzierten Ladengeschäfte („Foodcourt“) bereits vor weit mehr als einem Jahr eröffnen. Nach diversen Verschiebungen und endgültigem Termin Ende 2019 ist von einem Start aktuell nichts zu erkennen. Zumindest ist nunmehr bekannt, wer dort Einzug halten wird: Kentucky Fried Chicken, das Espresso House und zwei Imbisse zum Beispiel.

„Die Obstoase ist eine Institution mit Charme und Herz, sagt die Bezirksabgeordnete Antonia Haufler im Namen der CDU. „Dieser Stand gehört zum Altonaer Bahnhof und Ottensen wie der Michel zu Hamburg.“ SPD-Kollege Mithat Capar meint: „Ich kann das unsoziale Verhalten der Bahn nicht nachvollziehen.“ Er hoffe, das Unternehmen komme „vor Weihnachten zur Besinnung“ und erhalte den Stand. Capar gehört zu den Initiatoren einer Unterschriftenaktion, die enormen Zuspruch fand.

„Der Kiosk von Herrn Demirtas erntet von der Kundschaft viel Lob“, sagt Andreas Müller-Goldenstedt für die Bürgerinitiative „Prellbock“. Eine Kündigung sei nicht nachvollziehbar. Das Bündnis tritt in erster Linie gegen eine Verlagerung des Bahnhofs ein, macht sich allerdings ebenfalls für den Obststand stark. An den Wochenenden ist von 6 bis 22 Uhr geöffnet, am Wochenende bis 19.30 Uhr.

Andere Geschäfte im Bahnhof stehen seit Jahren leer

Die Deutsche Bahn verweist auf einen fristgerecht gekündigten Mietvertrag und klare Absprachen. „Wir haben die Terminkette einige Male um mehrere Monate verlängert“, sagt Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. „Der letzte finale Termin ist der 31. Dezember 2019.“ Hierüber sei Einigung erzielt worden. „Ausführliche Gespräche der Räumungsfristverlängerung seien gescheitert.“

„Die Obstoase ist eine Institution mit Charme und Herz.“

Antonia Haufler, CDU-Bezirksabgeordnete

Standbetreiber Demirtas und seine Mitstreiter sehen die Sachlage anders. Es habe kein Angebot für einen anderen Standort gegeben. „Und seit Monaten hat kein Vertreter der Bahn persönlich mit uns gesprochen“, sagt Demirtas. Nach einer mündlichen Zusage habe er eine Architektin mit dem Entwurf eines neuen Pavillons beauftragt. Inklusive Anwaltskosten summierten sich seine Kosten bisher auf mehr als 6000 Euro. Nicht nur dem zweifachen Familienvater, auch den fest angestellten Mitarbeitern Etem Ipek und Murat Sahin sowie den Aushilfen drohe das Aus.

Einige Ladenflächen stehen seit Jahren leer

Die Räumungsklage der Hamburger Anwaltskanzlei Duvigneau Scholz datiert vom 23. Oktober dieses Jahres. Die Zivilkammer 16 des Landgerichts stellte den Anwälten des Obsthändlers die Klageschrift Anfang November zu. „Wir legen Widerspruch ein“, kündigt Demirtas an. Bisher seien die mehr als 5100 Unterschriften nicht vorgelegt worden. Sollte es keine gütliche Einigung geben und ein Gerichtsprozess anberaumt werden, will Demirtas die Listen präsentieren. Zuvor hatte sich der SPD-Abgeordnete Mithat Capar von der Korrektheit und der Anzahl überzeugt.

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Unabhängig vom weiteren Verlauf fragen sich Zugreisende, S-Bahn-Passagiere und Fußgänger, wann die benachbarten Ladenflächen des Erdgeschosses freigegeben und die Geschäfte eröffnet werden. Einige stehen seit Jahren leer. „Die Bauarbeiten sind leider noch nicht abgeschlossen“, sagt Egbert Meyer-Lovis im Namen der Bahn. Ursache seien „besondere Herausforderungen bezüglich der elektrischen Anlagen“. Diese mussten komplett erneuert und den „hohen Ansprüchen der neuen Mieter“ angepasst werden: „Wir entschuldigen uns für diese Verzögerungen.“