Hamburg. Auf Pkw angewiesener Rentner kämpft um Recht auf Ausweis für benachbarte Anwohnerzone. Wiederholte Knöllchen führen zu Zuspitzung.
Sollten Autobesitzer aus einem als autoarm deklarierten Viertel Anrecht auf einen Bewohnerparkausweis in einem benachbarten Gebiet haben? Diese Frage landete in Hamburg nun gewissermaßen vor Gericht. Dort hatte sich ein Anwohner der Neuen Mitte Altona gegen mehrere Bußgeldbescheide zur Wehr gesetzt, die er für mutmaßliches Falschparken infolge vergeblicher Parkplatzsuche vor der eigenen Haustür kassiert hatte.
„Ich finde das ungerecht“, sagt der betroffene Kläger Joachim Begemann über die Park-Regelung für die Neue Mitte. Im Mai 2020 war der 67 Jahre alte Rentner mit seiner zu 50 Prozent gehbehinderten Frau mit einer Baugemeinschaft dort eingezogen, hatte trotz eigenem Pkw aber auf einen der rationierten Tiefgaragenstellplätze verzichtet – „zugunsten unserer vielen Familien mit kleinen Kindern“, wie er sagt.
Anwohnerparken Neue Mitte Altona – das sagt die Behörde
Zu diesem Zeitpunkt setzte Begemann noch darauf, Anspruch auf einen Ausweis für eine Parkzone im Viertel zu erhalten. Diese wurde dann tatsächlich zum 1. Januar 2021 eingeführt – allerdings nicht in der Neuen Mitte selbst, sondern im angrenzenden Gerichtsviertel. Für Begemann kam dieser Schritt „völlig überraschend“. Die neue Zone „A101“ habe er erst durch ein Knöllchen für sein an der Harkortstraße abgestelltes Fahrzeug realisiert.
Begemanns Zwickmühle: Da seine Wohnung wenige Meter außerhalb der Zone „Gerichtsviertel“ liegt, fehlt ihm die Berechtigung für einen Anwohnerausweis. Das bestätigt auch die Verkehrsbehörde. Sprecher Dennis Heinert: „Nur Menschen, die in einem Gebiet meldebehördlich als Bewohner registriert sind, können auch in ihrem Wohngebiet einen Bewohnerparkausweis beantragen.“ Dies regle die Straßenverkehrsordnung „eindeutig“.
Neue Mitte Altona: Parken – tägliche Gebühr von bis zu 33 Euro
Der Parkraum in der Neuen Mitte selbst wiederum wird zwar bewirtschaftet, aber nicht als Anwohnerzone – was sich auch nicht mehr ändern wird. „Die Neue Mitte Altona ist bewusst von vornherein als autoarmes Quartier geplant und umgesetzt worden“, sagt Heinert. „Deshalb gibt es hier auch keine Pläne für ein Bewohnerparken.“ Autobesitzer wie Joachim Begemann müssen sich also alternative Parkmöglichkeiten suchen, sofern sie nicht tief in die Tasche greifen möchten.
Würde Begemann sein Auto wiederholt in der Neuen Mitte abstellen, käme der nicht verbeamtete ehemalige Gymnasiallehrer hochgerechnet auf eine tägliche Parkgebühr von bis zu 33 Euro – bei einer eigentlichen Höchstparkdauer von drei Stunden und mehrmaligem Umparken. Mit Glück könnten es für einen Parkplatz rund um den „Platz der Arbeiterinnen“ – innerhalb der Neuen Mitte gelten unterschiedliche Tarife – auch nur 10 Euro am Tag sein.
Wiederholte Strafzettel für angebliches Falschparken
In der Summe zu viel Geld für Joachim Begemann, der seine nicht allzu üppige Rente lieber für andere Bereiche zusammenhalten möchte. Also wetteifert er seit drei Jahren mit anderen Autobesitzern aus der Nachbarschaft um die wenigen verbliebenen kostenfreien Stellplätze in einer Stichstraße zwischen Stresemannstraße und Plöner Straße – in fußläufig 1,2 Kilometer Entfernung zu seiner Wohnung.
Allerdings schickt der Landesbetrieb Verkehr seine Kontrolleure regelmäßig auch dorthin – und zögerte im Fall von Joachim Begemann mehrmals nicht lange. Obwohl sein Peugeot auf einer unbefestigten Fläche neben einem Trafohäuschen unter der S-Bahn-Brücke aus seiner Sicht niemanden behindert habe, wurde er insgesamt viermal für angebliches Falschparken belangt. Immerhin: Abgeschleppt wie im Fall eines Nachbarn (Kostenpunkt: 600 Euro) wurde sein Wagen an jener Stelle bislang nicht.
Anwohnerparken Neue Mitte: Autobesitzer vor Gericht
„Jetzt reicht’s“, befand Begemann dennoch und entschied sich dazu, die Zahlungen zu verweigern, insgesamt achtmal Widerspruch einzulegen und es auf eine Gerichtsverhandlung ankommen zu lassen. Diese endete nach einem Blitzverfahren am Amtsgericht nun mit einem Vergleich. Die Richterin äußerte dabei sogar Verständnis für Begemanns Situation. Bezahlen muss dieser nur einen symbolischen Betrag von 25 Euro statt ursprünglich geforderter 314 Euro, Gerichtskosten über 400 Euro bleiben ihm ebenso erspart.
„Ich hatte eigentlich mit einer höheren Strafe gerechnet“, sagt Begemann zwar. Trotzdem ist er auch enttäuscht, dass sein ursprüngliches Anliegen, die – aus seiner Sicht – durch die „Pkw-Verbannung“ aus der Anwohnerparkzone A101 hervorgerufene „Notlage“ für Autobesitzer aus der Neuen Mitte Altona, vor Gericht nicht thematisiert wurde. Deshalb hat er im Nachgang eine an die Innenbehörde gerichtete Petition abgeschickt, die von einem Großteil der Baugemeinschaft unterzeichnet wurde.
Anwohner der Neuen Mitte hat eine Idee fürs Anwohnerparken
Generell begrüßt Joachim Begemann das Konzept, die Neue Mitte möglichst autofrei zu halten. Er selbst bleibe dennoch wegen seiner Frau und Fahrten zu seiner 92 Jahre alten pflegebedürftigen Mutter in einem schlecht durch den ÖPNV angebundenen Ort in Ostwestfalen auf einen eigenen Wagen angewiesen. „Mein Auto kann sich ja nicht in Luft auflösen“, sagt er. Das politische Vorgehen in der Neuen Mitte empfinde er letztlich sogar als eine Art „Zwangsenteignung“ von Autobesitzern.
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Deshalb sei er auch bereit, sich weiter gegen die Parkpolitik zu wehren und seinen Wagen notfalls weiter im Grauzonenbereich neben der Stresemannstraße abzustellen. „Ich warte jetzt ab, wie die Behörde reagiert“, sagt Begemann, der sich eine Ausweitung der Petition und weitere Aktionen vorbehält – am Ende aber auch noch einen eigenen Lösungsvorschlag parat hat: „Man könnte für Nachbarn eines Bewohnerparkgebiets doch einen alternativen Ausweis anbieten. Ich würde auch das Doppelte zahlen.“