Hamburg. Die Schanze in Hamburg lockt Touristen und Einheimische gleichermaßen an. Die Außengastronomie boomt – oft zum Leidwesen der Anwohner.

  • Laut einem Gutachten werden Lärmgrenzwerte ständig überschritten
  • Gastronomen dürfen Sonderflächen trotzdem noch bis Ende 2024 nutzen
  • Ein Anwohner bezeichnet diesen Beschluss als „vorsätzliche Körperverletzung“

Der Sommer hat noch nicht einmal richtig begonnen, da sind die Außenplätze von Hamburgs Cafés, Bars und Restaurants schon gut gefüllt. Insbesondere in belebten Stadtteilen wie Eimsbüttel, Eppendorf, Ottensen oder der Sternschanze zieht es die Hamburgerinnen und Hamburger in Massen nach draußen. Für Anwohnerinnen und Anwohner sorgt das mancherorts nicht für Begeisterung. Am Stellinger Weg nahe der Osterstraße etwa wurde die Außengastronomie wegen einer anhaltend hohen Beschwerdelage für diese Saison eingeschränkt. Ein Schritt, den sich auch einige Bewohnerinnen und Bewohner der Schanze wünschen.

Hamburg Sternschanze: Gastronomen dürfen Sonderflächen wie Parkplätze bis Ende 2024 nutzen

Ein Anwohner aus der Sternschanze wandte sich mit einem Leserbrief an das Abendblatt. Er schreibt: „Den Politikern des Bezirks Altona sind solche Überlegungen fremd, beschlossen sie doch schon im November mit den Stimmen aller Parteien außer den Linken eine Verlängerung der Sondernutzungen von Parkbuchten bis Ende 2024.“ Also mehr Außengastro statt weniger. Mit der Entscheidung sollten Gastronomen unbürokratisch Außenflächen nutzen können, etwa Parkbuchten und Gehwege. Als Grund nannte der Bezirk konkret die „andauernd schwere wirtschaftliche Lage“ der Gastronomen, die sich durch die Inflation, die Mietpreisentwicklung im gewerblichen Bereich und den Personalmangel ergeben hatte.

Lärm in der Schanze: Für das Gutachten wurden drei Szenarien modelliert

Bei Anwohnern sorgt dieser Schritt für Unmut. Auch vor dem Hintergrund einer vom Bezirk beauftragten lärmtechnischen Untersuchung für den Bereich Schulterblatt und Juliusstraße aus dem vergangenen Jahr. Bei dieser Untersuchung ist das beauftragte Ingenieurbüro AiR allerdings nicht von tatsächlich gemessenen Werten ausgegangen, sondern hat Situationen modelliert, wie sie vor Ort vorkommen.

In drei verschiedenen Szenarien wurde von unterschiedlich vielen Menschen ausgegangen, die sich in der Außengastronomie oder vor Kiosken aufhalten. Abgestuft wurde auch angenommen, dass sie entweder laut oder leise sprechen. Tag- und Nachtzeiten wurden genauso modelliert wie Wochentage und Wochenenden. So ist man etwa davon ausgegangen, dass es ab 19 Uhr am Wochenende mit mehr Alkohol lauter wird. Laut dem beauftragten Büro sei eine Modellierung sinnvoller als eine tatsächliche Messung, da Letztere immer nur eine Momentaufnahme sei. Sie müsse mehrfach wiederholt werden, um eine belastbare Datenreihe zu erzeugen.

Außengastronomie in der Schanze: Lärmgrenzwerte werden zu jeder Zeit überschritten

Als Zwischenergebnis hält das Büro fest, dass bei allen drei Varianten die Immissionsrichtwerte sowohl zur Tages- als auch zur Nachtzeit überschritten wurden. Konkret hat man sich dabei an der sogenannten „Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm“, kurz TA Lärm, orientiert. Das ist eine allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz der Nachbarschaft. Die untersuchten Straßen Juliusstraße und Schulterblatt zählen zum Teil zum allgemeinen Wohngebiet oder auch zum Mischgebiet. Im Wohngebiet gilt tagsüber ein Richtwert von 55 Dezibel, nachts von 40. Im Mischgebiet sind es tagsüber 60 und nachts 45 Dezibel. Laut Modellierungen wurden allerdings zu jeder Tages- und Nachtzeit im Bereich des Schulterblatts mehr als 70 Dezibel erreicht, was in etwa so laut ist wie ein Staubsauger.

Anwohner in der Schanze in Hamburg sind zum Teil vom Lärm der Außengastronomie genervt. Beim Bezirk gehen regelmäßig Beschwerden ein.
Anwohner in der Schanze in Hamburg sind zum Teil vom Lärm der Außengastronomie genervt. Beim Bezirk gehen regelmäßig Beschwerden ein. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Ärger in Hamburger Schanze: Anwohner wirft Bezirk „vorsätzliche Körperverletzung“ vor

Dass die Parkbuchten noch bis Ende des Jahres, womöglich auch darüber hinaus, für Außengastronomie genutzt werden können, bezeichnet der Anwohner vor diesem Hintergrund als „vorsätzliche Körperverletzung“, da der „Gesundheitsschutz der betroffenen Anwohner vollkommen ignoriert werde“. Wie aber bewertet der Bezirk Altona die Lärmsituation in der Schanze? „Konkrete Beschwerdelagen bezüglich einzelner Betriebe greift das Bezirksamt selbstverständlich – nicht nur im Stadtteil Sternschanze – auf und wirkt einer objektiv zu hohen Lärmbelastung entgegen“, so Sprecher Mike Schlink. Was CDU, SPD, Linke und Grüne zu den Vorwürfen sagen, lesen Sie hier.

Hamburger Szeneviertel: Bei Beschwerden gehe es oft um „rücksichtslose Gastrobetriebe“

Weil das Bezirksamt die Sorgen ernst nehme, habe man die lärmtechnische Untersuchung in Auftrag gegeben, um objektiv Klarheit zu bekommen. Konkret gehe es bei den Beschwerden oft um rücksichtslose Gastrobetriebe, die ihre Fenster für die Hinterhöfe verbotenerweise offen haben und so für eine Lärmbelästigung bis in die frühen Morgenstunden gesorgt hätten. Aber auch über laute Gäste in den Außenbereichen und Musikbeschallung aus den Gastrobetrieben würde es immer wieder zu Beschwerden kommen.

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Wieso in Altona bei hoher Beschwerdelage die Außengastronomie nicht punktuell eingeschränkt, sondern erweitert werde? „Das Bezirksamt Altona beobachtet die Beschwerdelage und auch die Handhabung in den benachbarten Bezirken genau und steuert bei Bedarf nach“, sagt Schlink. Der Bezirksamtssprecher betont: „Die lärmtechnische Untersuchung wird derzeit nachberechnet, das heißt, die zugrunde liegende Modellierung wird etwas modifiziert und geschärft.“ Das endgültige Ergebnis steht demnach noch aus.