Hamburg. SPD fordert mehr Straßensozialarbeit und Hilfe fürs Quartier. Wo die Schwierigkeiten liegen und was das mit dem Hauptbahnhof zu tun hat.
Eine Zeitlang war es ruhiger geworden um den Bahnhof Holstenstraße in Hamburg-Altona, doch jetzt ist es offenbar wieder so schlimm wie vor einigen Jahren schon einmal. Es gibt Probleme mit Alkoholabhängigen und Drogensüchtigen, die sich im Umfeld aufhalten. Offen wird getrunken, Crack konsumiert und mit Drogen gedealt. Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen innerhalb der Szene sowie mit Bewohnern und Passanten.
„Die Situation ist prekär“, sagt Gregor Werner (SPD). Der Bezirksabgeordnete aus Altona, den zahlreiche Beschwerden erreichen, hat vor Kurzem eine umfangreiche Anfrage zu dem Thema gestellt. Die nun vorliegenden Antworten bezeichnet er als „alarmierend“. Er wirft dem Bezirksamt sogar Versagen vor bei der Bekämpfung der Crack-Szene rund um den viel frequentierten Bahnhof, der derzeit zudem noch eine Dauerbaustelle ist.
Holstenstraße: Verdrängung der Szene vom Hauptbahnhof nach Altona
Folgt man den ausführlichen Schilderungen des Bezirksamts Altona, stellt sich der Fall kompliziert dar. Zum einen gebe es in Hamburg eine grundsätzlich wachsende Crack-Szene. Zum anderen hätten demnach die Maßnahmen im Bereich Hauptbahnhof Folgen für Altona. „Mit jeder Verdrängung der Szene aus dem Bereich des Hauptbahnhofes scheint der Holsten-Bahnhof, unter anderem aufgrund seiner guten Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, einer der alternativ gewählten Aufenthaltsorte zu werden“, heißt es in der Antwort des Bezirks.
Es gibt aber einen Lösungsansatz aus dem Amt: die Errichtung eines Konsumraums im Umfeld der S-Bahn Holstenstraße „mit Angeboten, die dem Bedarf entsprechen“. Damit könnte man der anwachsenden Crack-Szene, die eine gesamtstädtische Herausforderung darstelle, adäquat begegnen und zur Entspannung vor Ort beitragen, so das Bezirksamt Altona. Vor Ort gibt es bereits eine Tages- und Beratungsstätte – allerdings für eine andere Zielgruppe.
„Prekäre Situation“: Polizei hilft, angespannte Lage zu entschärfen
In der Stresemannstraße 150 sollen „Menschen in prekären Lebenssituationen, wie beispielsweise Alkoholabhängigkeit und Obdachlosigkeit“ Hilfe finden. Etwa 65 bis 80 Personen mit Alkoholproblemen nutzen laut Behörde pro Tag das Angebot, bevor sich die Crack-Szene hierher umorientierte. Denn plötzlich nahm die Zahl der Hilfesuchenden stark zu – laut Bezirksamt waren es am Jahresende 2023 bis zu 150 Personen am Tag, „vornehmlich Crack-User“. Das führte zu einer Verdrängung der ursprünglichen Zielgruppe und überstieg die personellen sowie die räumlichen Kapazitäten der Einrichtung, heißt es in dem Bericht weiter.
Erst mithilfe der Polizei und einer Schließung des gern genutzten Gartens der Tages- und Beratungsstätte habe man die angespannte Lage überhaupt nur entschärften können. „Es wird mit vereinten Kräften der vor Ort tätigen Akteure, der zuständigen Behörden und der Polizei versucht, die Crack-Szene in die Räume des Stay Alive umzulenken“. Beim Stay Alive handelt es sich um einen Drogenkonsumraum an der Virchowstraße in Altona.
SPD Altona: Hilfsangebote vor Ort reichen nicht aus, es braucht mehr Personal
Aus Sicht des SPD-Politikers Werner reichen diese wiederum auf Verdrängung ausgelegten Maßnahmen nicht aus, um der Situation rund um den Holstenplatz langfristig und nachhaltig Herr zu werden. „Mit den steigenden Temperaturen werden die Probleme am Bahnhof wieder zunehmen und noch deutlicher“, prophezeit er. „Es gibt Hilfsangebote vor Ort, aber die reichen einfach nicht aus.“
In der Tat räumt auch das Bezirksamt Altona in der Antwort auf die Anfrage ein, dass „die personellen Ressourcen bereits im Normalbetrieb, ohne die Beratung und Begleitung der Crack-User, nicht mehr den Anforderungen“ entsprechen würden. In Zahlen heißt das: Derzeit wird die Straßensozialarbeit vom Verein Palette und der Betrieb der Tages- und Beratungsstätte an der Stresemannstraße (Kooperation von Palette und Fördern & Wohnen) an vier Tagen pro Woche von einer 30-Stunden-Stelle sowie einer 28-Stunden-Stelle übernommen. Eine weitere Teilzeitstelle ist derzeit nicht besetzt, aber zumindest neu ausgeschrieben und „wird hoffentlich bald neu besetzt werden können“, so das Bezirksamt.
S-Bahnhof Holstenstraße: „Situation hat sich wieder deutlich verschlechtert“
Werner ärgert daran besonders, dass man damit bereits Erreichtes im Quartier wieder verspiele. „Die Situation um den Bahnhof Holstenstraße hat sich nach einer Phase der Verbesserung in den letzten beiden Jahren wieder deutlich verschlechtert“, so der Bezirksabgeordnete. „Aus Sicht der Anwohner hat das Bezirksamt versagt“, kritisiert Werner. Offenbar scheine die Behörde mit der Bekämpfung der Crack-Szene überfordert zu sein.
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Die SPD in Altona fordert nun, dass sich das Bezirksamt prioritär um das Problem Holstenstraße kümmere, Gelder einwerbe und mehr Personal unter anderem für die Straßensozialarbeit zur Verfügung stelle.
Laut Bezirksamt stünde man in einem engen Austausch mit der SPD-geführten Gesundheits- und Sozialbehörde. Ziel der Gespräche: bedarfsgerechte Hilfsangebote im Umfeld der S-Bahn-Haltestelle Holstenstraße zu entwickeln sowie zusätzliche Stellen für die Straßensozialarbeit zu schaffen.