Hamburg. Das Lokal an der Elbe gilt als Hamburgs kultigster Platz, sein Ruf reicht bis nach New York. Wie in Oevelgönne alles begann.
Im Sand von Övelgönne scheint die Zeit still zu stehen. Hier spielt ein Fluss Meer und verzaubert Besucher wie Einheimische gleichermaßen. Seit nunmehr 50 Jahren liefert ein Kiosk Klappstuhl und Kaltgetränk dazu: Die Strandperle eröffnete 1973 unter diesen Namen seine Luke – und ist aus Hamburg nicht mehr wegzudenken.
Das Erfolgsrezept der Strandperle? Nordisch by nature. Unprätentiös. Urwüchsig. „Wir sind eher verhalten unterwegs, ein kultiger, aber persönlicher Platz“, sagt Pia Fintelmann, die zusammen mit Christoph Kaapke die Geschäfte führt. Und eins stellt sie gleich klar: „Wir sind kein Beachclub, unser Strand ist natürlich.“
Restaurant Hamburg: „Mutter aller Beachclubs“? Strandperle will das nicht sein
Auch auf den zweiten Blick wird klar, dass die These, der Traditionsschuppen in Övelgönne sei die „Mutter aller Beachclubs“ schräg klingt. Statt Lounge-Möbel sitzen die Gäste auf Klappstühlen, die ihre Patina mit Würde tragen. Das WLAN-Passwort bleibt unter Verschluss – „Hafen, Schiffe und Wellen müssen reichen“, sagt Pia, die auf den Vornamen besteht.
Und Easy Listening und Lounge Music bekommt auch niemand auf die Ohren: In der Strandperle dudelt keine Musik, den Sound liefert der drittgrößte Hafens Europas. Er liegt wie auf einem Präsentierteller, eine prächtige Bühne, deren Wassertheater nie langweilig wird.
Pils gibt es überall, dieses Panorama nur hier. Genau das macht die Strandperle zu einem besonderen Ort – übrigens einem, den 2017 die New York Times in den höchsten Tönen als „Top Destination Europe“ lobte. Regelmäßig entdecken Medien den besonderen Geist des Ortes an der Elbe und geraten ins Schwärmen. Der „Playboy“ pries die „Strandperle“ anno 1992 als „d i e Sommerattraktion Hamburgs und Pilgerort für Abendrot-Enthusiasten“.
Beachclub Hamburg: Alles begann 1905 als „Altonaer Milchhalle“
Ein Geheimtipp ist die Strandperle nicht mehr, an heißen Sommertagen tummeln sich bis zu 2000 Menschen am Elbstrand in Övelgönne. Ein besonderer Tipp aber bleibt sie. Schon seit über einem Jahrhundert. 1905 als „Altonaer Milchhalle“ eröffnet, konnten die Gäste damals „einen Becher Milch“ und „züchtig ein Bad im Fluss“ genießen. Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffneten Eva und Max Lührs hier „Lührs Gaststätte“.
1973 erfanden dann Bernt und Elke Seyfert die „Strandperle“ und führten die Institution 35 Jahre. Es sollte drei Jahre dauern, bis der Geheimtipp erstmals im Abendblatt Erwähnung fand: „Kleine Imbisse oder Kaffee und Kuchen gibt es in der Strandperle sehr preiswert“, lobte die Zeitung damals. Und so ist es bis heute geblieben. Die Preissteigerungen (siehe Kasten) bei Pils und Würstchen liegen nur moderat über der durchschnittlichen Inflation von 126 Prozent binnen 30 Jahren. Dabei ist die Logistik hier am Strand eine echte Herausforderung.
Strandperle hofft auf Belieferung per Strandbuggy
„Inzwischen weigern sich manche Firmen, uns mit 60 Kilogramm schweren Fässern zu beliefern“, sagt Christoph. Denn die Zulieferer müssen in der Kehre in Neumühlen die Getränke auf sogenannte Ameisen umladen und schließlich noch die Treppen zur Perle hinuntertragen. „Wir sind aktuell wieder mit der HPA im Gespräch. Leider haben wir immer noch keine Erlaubnis, Strandbuggys wie an der Nordsee einzusetzen.“
Pia, längst in Övelgönne heimisch, ist seit 2011 im Leitungsteam. Seitdem hat sich einiges getan. Gab es bis dahin nur den Verkaufsraum mit Luke, investierten die Besitzer in eine feste Küche, die in den Elbhang unter Nachbars Garten gebaut wurde. Auf der vergrößerten Terrasse gibt es seitdem eine umfangreichere Karte – vom Frühstück bis zum Abendessen. An den 150 Sitzplätzen wird serviert; die Laufkundschaft bedient sich am Kiosk und setzt sich in den Sand.
Hamburg-Övelgönne: Regelmäßig ist hier Land unter
Der Neubau ist elbfest, der alte muss dem Wasser trotzen. Mehrere Sturmfluten setzten die Strandperle unter Wasser – sie tauchte immer wieder auf. Steigt das Hochwasser rund vier Meter über Normal Null, heißt es in Övelgönne 60 Land unter. „Der Kiosk muss geflutet werden, sonst würden die Wände einstürzen“, sagt Christoph, der im Sauerland aufgewachsen ist und 2020 in Övelgönne vor Anker ging. „Es gibt Jahre, da bleiben wir von Sturmfluten verschont, und andere, in denen es uns häufig trifft.“ Im vergangenen Jahr stieg das Wasser sogar über die Unterkante Oberdeck.
Das Oberdeck über der alten Küche bietet einen grandiosen Blick über Hafen wie Elbe und wird an Firmen oder Privatleute vermietet. Auf dem Unterdeck trifft sich ein überraschend buntes Publikum, Perlenkette und Arschgeweih, St. Pauli und St. Ellingen, Hartz IV und Porsche 911. In Film und Literatur taucht der Platz immer wieder auf, Olaf Scholz gab hier sein großes Sommerinterview.
Strandperle Hamburg: Inzwischen öffnet die Gaststätte das ganze Jahr
Die Strandperle hat über die Jahre vieles verändert – und ist sich doch treu geblieben. Sie ist Fluchtpunkt vom Alltag, ermöglicht einen Blitzurlaub am Wasser und gilt als der perfekte Ort fürs erste Date. „Es kommen immer wieder Leute auf uns zu, die sich hier kennengelernt haben“, sagt Pia. Manche heiraten sogar in der Strandperle.
Auch für die Anwohner will das Lokal ein „guter Ort der Begegnung sein“, wohlwissend, dass der Erfolg des Elbstrandes für die Nachbarn Fluch und Segen zugleich ist. Für Hamburg ist die Strandperle eindeutig ein Gewinn. „Wir sind ein echter Hamburg-Botschafter“, sagt Christoph.
Zwischen 60 und 80 Mitarbeiter beschäftigt die Gaststätte, rund zehn davon fest. Im Saisongeschäft ist das nicht immer einfach – damit auch im Winter etwas zu tun ist, öffnet die Luke ganzjährig an schönen Tagen, zugleich expandiert die Strandperle auf Weihnachtsmärkte. Viele Beschäftigte lieben das trubelige Leben im Sommer mit Überstunden und gehen dann im Winter surfen oder besuchen ihre Familie im Ausland. Das Team der Strandperle ist längst international.
Beachclub Hamburg: Strandperle feiert 50 Jahre auch mit Nachbarn
In den kommenden Tagen feiert die Strandperle mit Nachbarn, Gästen und Lieferanten. Zugleich geben Pia und Christoph ein Versprechen. Auch in den nächsten 50 Jahren soll sich der Charme der Institution am Elbstrand nicht verändern. „Es ist so, wie zu Oma nach Hause zu kommen, da stehen keine Designermöbel, sondern noch das alte Sofa“, sagt Pia.
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Und Christoph ergänzt; „So, wie es ist, ist es toll. Und nach außen soll alles so bleiben.“ Die Öffnungszeiten von 10 bis 23 Uhr, jeden Tag in der Woche, haben sich seit Jahren nicht verändert. Nur der Klimawandel hat die Saison verlängert, früher dauerte sie von April bis Oktober, nun von März bis November. Der kleine Kurzurlaub liegt in Hamburg um die Ecke.