Den Haag. Antoine Auriol ist Onboard-Reporter. Der Franzose kann nicht segeln – dafür ist er Weltmeister in einer anderen Disziplin.
Antoine Auriol ist der Fly-Captain an Bord der „Malizia – Seaexplorer“. Fly-Captain? Ganz einfach, der junge Franzose ist zuständig für die Kameradrohne, die er regelmäßig über der Rennyacht von Boris Herrmann steigen lässt, um teilweise spektakuläre Bilder einzufangen. So hat er sich über die vergangenen sechs Etappen des Ocean Race seinen eigenen Namen gemacht, mittlerweile ziert die Bezeichnung Fly-Captain sogar sein Crewshirt.
Auriol sorgt aber nicht nur für spektakuläre Bilder von Bord. Er dokumentiert als Onboard-Reporter das gesamte Leben der fünf Menschen auf der „Malizia – Seaexplorer“. Dazu gehören kleine Filme mit Statements der einzelnen Crewmitglieder genauso wie Bilder aus dem Bordalltag. Und so macht er für die Menschen an Land das Leben an Bord erlebbar. In einer Form, wie es die Segler selbst allein aus Zeitmangel nicht könnten.
Ocean Race: Antoine Auriol ist Onboard-Reporter auf Boris Herrmanns Yacht
Gerade erst sandte das Team einen Beitrag von Auriol, in dem sich alle betroffen von dem Unfall beim Start zur siebten Etappe des Ocean Race vor Den Haag zeigten – und aufmunternde Worte an das Team 11th Hour Racing sendeten. Unvergessen sind auch die Bilder von Will Harris mit schwarzem Gesicht nach der Reparatur des Mastes. Oder Rosalin Kuiper mit einem dicken Verband um den Kopf, nachdem sie aus der Koje gefallen war und sich eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte.
Ganz besonders scheint er aber die Flüge mit seiner Drohne zu lieben. Ob bei spektakulären Wellen im Südpolarmeer oder bei spiegelglattem Wasser im englischen Kanal – Auriol lässt die Kameradrohne regelmäßig steigen, was ihm durchaus einiges abverlangt. Denn gerade die Drohne wieder heil an Bord zu bekommen, ist nicht immer leicht.
Ocean Race: Antoine Auriol hat an allen Etappen teilgenommen
In dieser Funktion hat der sympathische Mann, der eigentlich immer ein Lächeln auf den Lippen hat, an allen sieben Etappen teilgenommen – und das obwohl er bis zum Start des Ocean Race gar nicht so viele Stunden auf Segelschiffen verbracht hatte. Denn Auriol ist eigentlich kein Segler, der junge Mann liebt das Meer und den Wind, bisher hat er das aber eher auf einem Surf- oder Kiteboard getan.
Auriol ist in der Bretagne, dem Segelmekka Europas, als Kind eines Franzosen und einer Deutschen aufgewachsen. Er ist also neben Herrmann derjenige an Bord, der am besten Deutsch spricht. Bereits seit 17 Jahren lebt der heute 38-Jährige allerdings nun schon im spanischen Cadiz. „Ich bezeichne mich selbst als Europäer“, sagt er. „Mittlerweile vielleicht sogar als Weltbürger – so viel wie ich reise.“
Antoine Auriol war Turner, Trampolinspringer, Windsurfer und Kiter
Fragt man Auriol nach seinem Leben vor dem Ocean Race, bekommt man zur Antwort: „Ich habe so viel schon gemacht, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass ich viele Leben schon gelebt habe.“ Angefangen habe er mit dem Turnen, Gymnastik und Trampolin. Mit 15 Jahren kam das Windsurfen dazu, berichtet er. Und das nicht nur einfach so. Auriol nahm an Wettbewerben teil. 2004 gewann der junge Mann die European Youth Championship in der Olympic-Board-Klasse.
Doch Auriol entdeckte eine Disziplin, die noch besser zu ihm passte: das Kiten. „Kiten hat für mich beide vorherigen Sportarten verbunden. Die Verbindung von Wind und Welle wie beim Windsurfen – und die Akrobatik aus meiner Gymnastikzeit und dem Trampolin.“ Es sei der perfekte Mix gewesen. Zwischen 2000 und 2010 habe er nur als professioneller Kiter sein Leben bestritten, so Auriol. Seit 2006 gehörte er zu den drei besten Kitern weltweit. Und wurde 2010 sogar Weltmeister. Mit dem Gewinn des Titels habe er aber mit dem professionellen Sport aufgehört.
Nach dem Ende der sportlichen Karriere reiste er als Reporter um die Welt
Seitdem sei er um die Welt gereist und habe als Reporter Dokumentarfilme gedreht. In den Jahren hat Auriol sich in Frankreich einen Namen gemacht. Seine Filme laufen im französischen Fernsehen. Die Themen von Auriol: Die Winde. „Und zuletzt auch zunehmend alles zur Nachhaltigkeit.“ Mehr als 30 Dokumentarfilme hat er bereits gedreht und produziert. Jeder 52 Minuten lang – und jeder handelt von einem anderen Land.
Er liebe diese Aufgabe, berichtet Auriol. Und wolle diese Reportagen auch nach dem Ende des Ocean Race weiter produzieren. „Es ist so inspirierend, Menschen zu erleben, die in Harmonie mit der Natur leben.“ Von Menschen zu lernen, die dadurch ein besseres Leben leben würden. „Ich empfinde es als großes Privileg, diese positiven Menschen zu treffen.“
Zum Team Malizia kam Antoine Auriol über gemeinsame Bekannte
Zum Team Malizia kam er über Bekannte. Auriol hatte bereits vorher für einen anderen französischen Skipper als Onboard-Reporter gearbeitet. Eines Tages sprach ein Crewmitglied ihn an: „Boris Herrmann sucht einen Reporter für das Ocean Race. Kannst du dir nicht vorstellen, das zu machen?“ Auriol: „Diese Aufgabe war etwas vollkommen anderes als alles, was ich bisher gemacht habe. Andererseits war ich mit meinen Voraussetzungen auch komplett anders als die anderen Onboard-Reporter.“
Das Abenteuer habe ihn sofort gereizt. Vor rund eineinhalb Jahren habe er dann in Frankreich zum ersten Mal Herrmann getroffen. „Es hat sofort gepasst“, sagt Auriol heute. „Und nun bin ich hier und mache das Ocean Race mit dem Team Malizia.“
Übers Ocean Race dreht Onboard-Reporter einen Dokumentarfilm
Und Auriol wäre nicht Auriol, wenn er nicht auch einen Film oder gleich eine ganze Serie aus seiner Teilnahme am Ocean Race machen würde. Eine neue TV-Doku sei entstanden berichtet der Franzose. Mit dem Namen Blue. „Hier geht es um das Ocean Race und wie wir um die Welt reisen.“ Auf den verrückten IMOCA-Yachten, wie Auriol sagt. Mit der tollen Crew.
Allerdings habe er auch Beiträge in Südafrika und Brasilien gedreht. Ein weiterer ist in Italien geplant. „Wir wollen zeigen, wie Menschen ihr Leben verbessern können, ohne die Natur weiter zu verletzen.“ Wie man mit dem eigenen Leben der Natur helfen kann, sich zu erholen. „Ich habe in diesem Jahr so viele tolle Männer und Frauen getroffen.“
Boris Herrmann – Antoine Auriol sorgt für gute Stimmung an Bord
Der Onboard-Reporter ist selbst einer der Menschen, die man gerne trifft. Er ist neben Co-Skipperin Rosalin Kuiper für die gute Stimmung an Bord zuständig. Auriol hat für jeden ein freundliches Wort – ob auf See oder an Land.
Nur zu Beginn des Ocean Race hatte der junge Mann gegen die Seekrankheit zu kämpfen, musste sich an das Leben an Bord gewöhnen. „Die härteste Zeit während des ganzen Ocean Race waren für mich die ersten zwei Tage, in denen ich extrem seekrank war“, sagt er. „Ich habe mich immer wieder gefragt, warum ich mich auf dieses Rennen eingelassen habe.“
Die ersten Tage im Südpolarmeer waren für Auriol extrem hart
Auch die ersten Tage während der dritten Etappe im Südpolarmeer seien extrem hart gewesen. „Es war grau, es war feucht und kalt. Und wir hatten mit vielen Problemen zu kämpfen.“ Da sei es schwer für ihn gewesen zu ertragen, dass das erst die erste Woche gewesen sei. „Und vier bis fünf weitere Wochen folgen sollen.“ Zum Glück habe er dann Stück für Stück seinen Rhythmus gefunden. „Und ich habe sogar jeden Tag wirklich genießen können.“
Dazu kam, dass er als Reporter nicht in das Wachsystem eingebunden war und sich selbst beschäftigen musste. „Das war nicht immer leicht“, sagt er. Zumal ihm sogar laut Reglement verboten ist, die Segler bei ihrer Arbeit zu unterstützen. An Bord habe die Herausforderung darin bestanden, seinen eigenen Rhythmus zu finden und jeden Tag das Beste aus dem Tag zu machen.
Ocean Race war für Auriol der härteste Job seines Lebens
Auriol bekennt, dass die fünf Monate im Ocean Race „der härteste Job“ seines Lebens gewesen seien. Das habe für ihn als Nicht-Segler auch mit den ungewohnten Bedingungen zusammengehangen. „Die Bewegungen des Bootes sind wirklich unkomfortabel.“ Dazu gebe es überhaupt keine Intimität, keine Toilette, keine Dusche. „Das ist ein wirklich hartes Leben.“
Gleichzeitig habe er die Zeit als Training empfunden, seine Persönlichkeit weiterzuentwickeln. „Und das Leben an Land noch mehr zu genießen.“
Nach dem Ocean Race wird Auriol erst mal Urlaub machen
Nun freue er sich aber auch auf seine freien Tage nach dem Ocean Race. „Ich bin extrem müde und erschöpft.“ Sein Körper sei regelrecht kraftlos. „Ich habe einige Muskeln eingebüßt“, sagt Auriol. Er fühle sich schwächer als sonst. „Aber ich weiß, wenn ich ein wenig Ruhe hatte, werde ich meinen Körper auch regenerieren können.“ Wobei er mit Sicherheit einige Monate brauche, um wieder der alte Antoine zu sein.
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Doch erst einmal wolle er die letzten Tage genießen. Er sei auch nach so vielen Wochen auf See noch immer glücklich auf dem Schiff. „Wir sind zu einem tollen Team zusammengewachsen. Wir haben eine so enge Verbindung.“ Es sei gar nicht leicht zu beschreiben, aber es sei teilweise so intensiv und wild an Bord gewesen. „Ich werde diese Zeit nie in meinem Leben vergessen.“
Ocean Race: Team Malizia ist für Auriol zu einer Familie geworden
Auch mit der Land-Crew sei er mittlerweile eng verbunden. „Wir sind wie eine Familie.“ Selbst mit der Konkurrenz fühle er sich sehr eng verbunden. „Es ist so intensiv – das ist unbeschreiblich.“
Und Auriol hat schon jetzt entschieden: „Ich würde es immer wieder wagen, dieses Abenteuer Ocean Race.“ Und wer weiß, vielleicht ist er ja auch in vier Jahren wieder dabei, wenn das Team Malizia um die Welt segelt.