Hamburg. Der Extremsegler zieht eine Zwischenbilanz zum Ocean Race. Und erklärt, wann man ihn und sein Schiff vor Kiel sehen kann.

Die härtesten und längsten Etappen des Ocean Race haben die fünf teilnehmenden Yachten nun hinter sich. Gerade liegen zumindest einige von ihnen in Newport und werden technisch überholt. Am 21. Mai startet dann die nächste Etappe von der Ostküste der USA nach Aarhus in Dänemark.

Boris Herrmann ist am Sonntagnachmittag zurück zu seiner „Malizia – Seaexplorer“ geflogen. Er hatte während der Etappe von Itajai in Brasilien nach Newport pausiert, ein wenig Zeit mit seiner Familie verbracht und Termine wahrgenommen. Das Abendblatt sprach mit ihm, während er auf dem Hamburger Flughafen darauf wartete, dass sein Flieger in Richtung USA abhebt.

Ocean Race: Boris Herrmann fliegt zurück zu seiner Yacht nach Newport

Nun geht es wieder los. Sie werden für die kommenden Wochen und Monate nicht in Hamburg sein. War der Abschied schwer?

Boris Herrmann: Ich muss ehrlich gestehen, dass es einem bei schönstem Wetter nicht so leichtfällt, Hamburg, die Familie und die Freunde wieder für lange Zeit zu verlassen. Heute Morgen hatten wir noch ein Brunch mit Partnern, Unterstützern und Freunden. Das war schön, hat es mir aber nicht unbedingt leichter gemacht. Allerdings werden meine Frau und meine Tochter von nun an zu jedem Zwischenstopp kommen, nach Aarhus, Den Haag und Genua. Das hat den Abschied ein wenig erleichtert.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Zwischenergebnis nach vier Etappen von insgesamt sieben? Ihr Team liegt mit dem Team 11th Hour Racing gemeinsam auf dem zweiten Platz.

Wir sind absolut zufrieden. Das ist ein wunderbares Ergebnis. Und noch ist alles drin. Denn gewissermaßen wird das Rennen jetzt noch einmal neu gestartet, weil die drei führenden Teams so dicht beieinanderliegen. Das heißt aber für uns auch, dass wir gerade auf die kommende fünfte Etappe volle Konzentration legen müssen. Und auf dem Atlantik, über den es ab dem kommenden Wochenende dann geht, ist für uns alles drin. Wir haben den absoluten Anspruch vorn mitzufahren. Sowohl bei dieser Etappe als auch ich der Gesamtwertung.

Mit wem werden Sie am 21. Mai an den Start zur fünften Etappe gehen?

Unser Navigator Nico Lunven wird die kommenden zwei Etappen pausieren. Das ist natürlich schade, aber absolut verständlich. Zum einen hat auch er eine Familie mit drei Kindern und will und muss sich einmal um seine Familie kümmern. Zum anderen hat er andere seglerische Verpflichtungen, denen er nachkommen muss. Er wird durch Yann Eliès ersetzt, der mich bereits in Etappe zwei vertreten hatte. Rosie, Will und unser Onboard-Reporter Antoine sind außerdem dabei – wie bei allen anderen Etappen bisher.

Die „Malizia – Seaexplorer“ unter vollen Segeln. In der vierten Etappe von Brasilien nach Newport in den USA segelte das Team unter Skipper Will Harris auf den zweiten Platz.
Die „Malizia – Seaexplorer“ unter vollen Segeln. In der vierten Etappe von Brasilien nach Newport in den USA segelte das Team unter Skipper Will Harris auf den zweiten Platz. © dpa | Antoine Auriol

Zwei Teams kämpfen derzeit noch mit den Folgen ihrer Mastbrüche. Wie sehen Sie die Chancen, dass Holcim PRB und Guyot environnement – Team Europe wieder in das Rennen einsteigen können?

Ich denke Holcim PRB schafft es, das Schiff zum Start der fünften Etappe am 21. Mai segelfertig zu bekommen. Ich hoffe es sehr. Deshalb werden wir Kevin Escoffier auch unser technisches Team zur Verfügung stellen, so schnell wir das selbst verantworten können. Es ist in unser aller Interesse, dass möglichst viele Yachten an den Start gehen – und dabei werden wir helfen, wo wir nur können. Bei Guyot sieht es leider nicht so gut aus, und das macht mich sehr traurig. Zumal man gerade so wenig tun kann, um das Team zu unterstützen. Die Yacht ist jetzt in Halifax angekommen. Meine große Hoffnung ist, dass sie mithilfe eines Ersatzmastes spätestens ab Aarhus wieder in das Rennen einsteigen können oder zumindest zur letzten Etappe. Das würde das Rennen ungemein bereichern, wenn es mit allen fünf Schiffen zu Ende geht. Die letzte Etappe ist außerdem die, die Guyot beim Ocean Race Europe grandios gewonnen hat. Wir alle wollen, dass möglichst alle Schiffe an allen Etappen teilnehmen. Wir wollen uns auf dem Wasser messen und nicht aufgrund technischer Defekte die Konkurrenz überholen.

Das Ocean Race kommt im Juni auch nach Deutschland. Wie müssen wir uns das sogenannte Fly-By vor Kiel vorstellen?

Ich glaube, dass das für alle Segler und Segelsportbegeisterten durchaus ein Happening wird. Die Wettfahrtleitung wird dafür sorgen, dass wir am 9. Juni nachmittags zwischen 15 und 17 Uhr in die Förde rein- und wieder rausfahren. Um das sicherzustellen, werden wir vor Kiel so lange um zwei Tonnen herumgeleitet, bis es von der Zeit her passt und wir in die Förde einfahren können. Allerdings alles im Rennmodus natürlich. Für die Zuschauer wird es dadurch aber eher noch spektakulärer.

Hamburger Extremsegler Boris Herrmann: „Uns freut das Interesse am Ocean Race sehr“

Nach vier Etappen ist Halbzeit beim Ocean Race. Wie fällt Ihre erste Zwischenbilanz zu dem Rennen um die Welt aus?

Wir hatten schon vorher gehofft, dass die Bedeutung des Ocean Race bei den Teilnehmern und bei den Zuschauern zunehmen wird. Dass es sich als wichtiges Rennen etabliert und nicht unbeachtet als Zwischenspiel zwischen den Vendée Globes bleibt. Diese Rechnung ist aufgegangen, zumindest bisher. Das Interesse ist groß, es nimmt stetig zu. So schickt das ZDF mittlerweile zu allen Zwischenstopps Kamerateams, einfach weil es die Menschen zu interessieren scheint. Das freut uns sehr, weil wir von diesem Rennen wirklich überzeugt sind.

Es heißt, dass das Interesse aus dem deutschsprachigen Raum besonders groß ist. Das hat mit Sicherheit auch etwas mit Ihrem Eintritt in das Rennen zu tun. Wie sehen Sie das?

Ja, die meisten Abrufe zum Ocean Race kommen aus dem deutschsprachigen Raum, das zeigen die Zahlen, die die Veranstalter veröffentlicht haben. Das freut uns sehr, ist aber unter anderem auch damit zu erklären, wie wahnsinnig groß dieser deutschsprachige Raum nun einmal ist. Dazu ist die Segelcommunity in Deutschland groß und interessiert. Das ist sie Frankreich natürlich auch, aber in Frankreich verteilt sich das Interesse auf viel mehr Segler als im deutschsprachigen Raum. Auch deshalb haben wir so viele Abrufe. Allerdings hatte unsere Yacht auch schon bei der Vendée Globe die meisten Klickzahlen. Man kann auf dem Race Tracker, auf dem man das Rennen verfolgen kann, die einzelnen Schiffe anklicken. Da wurde die „Malizia – Seaexplorer“ schon bei der Vendée am meisten geklickt – und jetzt wieder. Das freut uns natürlich sehr und ist für uns eine absolut positive Überraschung.

Wie erklären Sie sich das große Interesse an Ihrer Person und Ihrer Kampagne?

Ich glaube, dass es vor allem daran liegt, dass unsere Kampagne versucht, sich nicht nur mit dem Thema Segeln allein zu beschäftigen. Wir haben das Thema Klimaschutz bei uns integriert, was wir beispielsweise mit der Überführung von Greta nach New York gezeigt haben. Wir versuchen mit der Wissenschaft zusammenzuarbeiten. Und wir haben eine große Bildungskampagne. Mit all diesen Themen versuchen wir die Menschen abzuholen, die sich vielleicht nicht originär nur für das Hochseesegeln interessieren. Und diese Idee scheint nun Stück für Stück aufzugehen.

Hat diese positive Bilanz auch einen Einfluss darauf, ob Sie wieder am Ocean Race teilnehmen werden?

Absolut. Im Januar 2027 wird das nächste Ocean Race gestartet. Derzeit laufen bereits die Planungen für das Rennen. Und Hamburg oder Kiel sollen dann eine wichtige Rolle spielen. Vorstellbar wäre zum Beispiel eine finale große Etappe von New York nach Hamburg. Das wäre große Klasse für alle, für uns als Segler, aber natürlich auch für die Zuschauer und die Medien. Wir als Team würden dann auch gern wieder mit dabei sein. Bis dahin bedarf es aber noch vieler Planungen, zumal unsere Kampagne bisher nur bis 2026 finanziert ist. Also klar, wir wären dabei. Aber definitiv können wir jetzt noch nichts sagen.

Boris Herrmann will auch am nächsten Ocean Race teilnehmen

Schauen wir also erst einmal in die nähere Zukunft. Wie geht es nach dem Ocean Race weiter mit Boris Herrmann und dem Team Malizia?

Zuerst einmal brauchen wir alle ein wenig Urlaub. Dann werden wir an der Azimut Trophy teilnehmen, einer kurzen Wettfahrt vor Lorient. Dort treffen wir auch erst mal wieder auf all die anderen Hochseesegler. Es folgt Ende Oktober die Transat Jacques Vabre, die von Le Havre nach Martinique in der Karibik geht. Zurück werde ich Einhand nach Lorient segeln, ebenfalls im Rahmen einer Wettfahrt. Im Jahr 2024 plane ich an zwei Transatlantikrennen nach New York und zurück teilzunehmen. Und im Herbst 2024 folgt dann für mich die zweite Teilnahme an der Vendée Globe. 2025 würde ich mit dem Team dann gern beim Ocean Race Europe an den Start gehen. Es gibt also viel zu planen, zu organisieren und zu segeln in den kommenden Monaten.