Hamburg. Stefan Schrader versorgt ganz Deutschland mit alten Glühbirnen. Aber nach einem Behördenbrief ist unklar, wie lange noch.
In der Theorie ist es ganz einfach: Die Glühbirne hat ausgebrannt. Seit 2009 ist sie per EU-Verordnungen stufenweise immer weiter aus den Verkaufsregalen und den deutschen Haushalten verschwunden: Erst wurde nur die Produktion der 100-Watt-Birnen und aller matten Leuchtmitteln verboten, später folgten die Halogenleuchten mit 230 Volt und alle anderen.
Ersetzt wurden sie bekanntermaßen durch LED-Leuchten. In der Praxis ist es im Grunde auch ganz einfach: Im Schatten der LED-Leuchten läuft das Geschäft mit der guten, alten Glühbirne weiter. Zumindest in Hamburg. Genauer gesagt in Lurup – und zwar in Stefan Schraders „Lichtservice Schrader“, auch als Hamburgs Lampenkönig bekannt. Als 2009 bekannt wurde, dass die Glühbirne nach und nach ausrangiert werden würde, kaufte er große Mengen auf. Denn das Verbot bezog sich zunächst nur auf die Produktion, nicht auf den Abverkauf.
Alte Glühbirnen: Händler aus Lurup hortet 30.000 Leuchtmittel
Genau das war Schraders Nische. Bis jetzt. Denn vor ein paar Wochen erreichte ihn ein Schreiben der Behörde, das ihn nun wütend macht. Darin heißt es: „Ab dem 1. März 2023 sind das Ausstellen, das Anbieten sowie der Verkauf von Lichtquellen an private, gewerbliche und Endverbraucher nur noch auf Basis des aktuellen EU-Energielabels zulässig.“
Schrader schüttelt den Kopf. Denn seine Informationen sind andere. Er sagt: „Aus den EU-Verordnungen geht hervor, dass sich das Verkaufsverbot nur auf Artikel bezieht, die nach 2017 gekauft wurden. Das trifft auf meine Bestände nicht zu.“ Das Problem aus seiner Sicht: „Die Verordnungen seien zum Teil sehr komplex. Ich habe den Eindruck, dass sie jeder auslegt, wie er möchte.“
Nur Leuchtmittel mit QR-Code sind laut EU-Verordnung erlaubt
Klar ist: Von den rund 30.000 Leuchtmitteln, die er in seinem Geschäft lagert, dürfte er gemäß dem Schreiben der Behörde noch genau zwei behalten und verkaufen. Die zwei einzigen Leuchtmittel, die er besitzt – solche mit einem QR-Code, die in der europäischen EPREL-Datenbank registriert sind und die den neuesten Energiestandards entsprechen. Die anderen Artikel müsste Schrader nun wegschmeißen.
Man könnte sagen, dass das nicht ganz überraschend kommt. Schrader aber will nicht klein beigeben. Für ihn ist es einfach „Irrsinn“. „Ich schmeiße nicht Tausende von Artikeln in den Müll, die einwandfrei funktionieren und die die Leute immer noch haben wollen, nur weil es jetzt mal wieder irgendeine EU-Norm gibt“, sagt er.
Nachfrage nach alten Glühbirnen bei Luruper Händler ist groß
Das Geschäft an der Luruper Hauptstraße hat er 1990 von seinem Vater übernommen, der genau wie sein Opa und sein Urgroßvater Elektromeister oder Elektrotechniker war. An seinem Prinzip – Glühbirne statt LED – hat er seit der Übernahme nie etwas geändert. „Warum auch?“, fragt er. Der Bedarf sei schließlich weiterhin da: „Es gibt viele Menschen, die teure und zum Teil alte Designerlampen haben, die einfach nicht mit LED funktionieren.“
Gleiches gelte für dimmbare Lampen, die zum großen Teil nicht kompatibel für LED-Leuchten seien. Schrader fallen weitere Beispiele ein: „Denken Sie an Lavalampen, die ja Wärme brauchen, um das Wachs zu verflüssigen. Die könnten im Grunde alle in die Tonne, weil die Leuchtmittel für sie nicht mehr verkauft werden sollen. Dasselbe gilt für Backofenlampen. Die gehen auch nicht mit LED.“
Glühbirnen – Ware stapelt sich im Luruper Laden bis unter die Decke
Die 165 Quadratmeter große Verkaufsfläche ist von oben bis unten vollgestellt mit Glüh- und Halogenleuchten aller Stärken und aller Hersteller. Auch im Keller stapelt sich die Ware bis unter die Decke. Die Verpackungen sehen zum Teil aus wie damals bei den Großeltern im Hauswirtschaftsraum. Geschwungene Schrift auf vergilbten Papier. Aber: Sie funktionieren noch. Und die Leute wollen sie haben.
An guten Tagen – insbesondere im Winter, wenn die Nachfrage besonders hoch ist – verlassen bis zu 120 Warensendungen am Tag den kleinen Laden in Lurup. Die meisten Birnen verkauft Schrader inzwischen über den Online-Marktplatz Ebay, wo er rund 2000 Artikel gelistet hat.
Doch auch hier wird der Markt zunehmend schwer: „In Osteuropa und Asien werden nach wie vor Glühbirnen produziert und nach Europa gebracht. Hier werden sie dann zu Dumpingpreisen im Internet verhökert. Leuchtmittel, die ich für 30 oder 40 Euro verkaufe, kosten da zum Teil unter 10 Euro“, so Schrader.
Dumpingpreise im Internet machen das Geschäft schwer
„Wie soll das gehen?“, fragt er. Und wieso die illegalen Geschäfte niemand unterbinde? „Die Großen können machen, was sie wollen, und so ein kleines Traditionsunternehmen wie ich soll dichtmachen?“ Schrader – das ist ein Ein-Mann-Kampf gegen die EU. Gegen Normen und Vorschriften. Er sagt, er wolle keine Gesetze brechen. Aber er möchte darüber sprechen, ob sie richtig sind.
„LED-Lampen werden als viel energieeffizienter beschrieben, als sie es in Wirklichkeit sind“, sagt er. „Niemand schaut, dass die Halbwertszeit kürzer ist als bei Glühlampen. Niemand interessiert sich dafür, wie viel Energie man aufwenden muss, um sie herzustellen.“ Er wird wütend, wenn er darüber spricht. Und dann fragt er: „Was ist denn daran effizient, wenn Millionen von Menschen ihre Öfen und Lampen wegschmeißen müssen, weil sie die Leuchtmittel nicht mehr bekommen?“
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Händler aus Lurup beliefert Kunden in ganz Deutschland
Klar ist: Seinen Kunden ist es offenbar egal, was die Verordnungen sagen. Sie wollen die Glüh- und Halogenleuchten nach wie vor. Ob Schrader viel Laufkundschaft habe? Schrader schmunzelt. „Ich habe viele Stammkunden. Aber die kommen längst nicht nur aus der näheren Umgebung oder aus Hamburg, sondern auch aus dem Rest des Landes.“
Allein heute gehen mehrere Päckchen nach Süddeutschland raus: eine Halogenlampe, die in einigen Designerleuchten und in Backöfen verwendet wird, eine weitere Halogen- und zehn Treppenleuchten.
Glühbirnen aus Lurup – auch Nachbarschaft zählt zu den Kunden
Aber auch aus der Nachbarschaft sind heute Kunden da. Zum Beispiel eine Dame mittleren Alters, die ein paar neue Halogenleuchten für den Flur braucht. Sie sagt: „Mich beneiden alle meine Freunde, dass ich nur ein paar Meter rüberlaufen muss zum Schrader.“
Wie Schrader mit dem Schreiben der Behörde nun umgeht? Erst mal kommt es wohl in den dicken Leitzordner zu den anderen Schreiben, zu den anderen Verordnungen. Manch eine davon habe sich über die Jahre auch von selbst erledigt.