Hamburg. Stefan Schrader kaufte Unmengen der klassischen Glühbirne auf – jetzt verdirbt ihm Billigware aus Osteuropa das Geschäft.
Auf zum Geschäftsbesuch bei einem der führenden Paradiesvögel unserer Stadt. Willkommen bei Lichtservice Schrader in Lurup. Raritäten befinden sich im „Museum“ links vom Ladeneingang. „Bitte nicht berühren“, steht auf Papierschildern. Besonders kostspielige Einzelstücke werden im Keller verwahrt. Es grenzt an ein Wunder, dass Stefan Schrader im Gewusel der Regale und Kartons Durchblick bewahrt.
Rund 12.500 unterschiedliche Leuchtmittel hat der Kaufmann im Angebot – auf insgesamt 167 Quadratmetern oben und unten. Genau gezählt hat das letztlich keiner, doch dürfte es ein deutscher Rekord sein. Mindestens. Rechnet man die auf Paletten meterhoch gestapelte Ware seiner drei Lager im benachbarten Bahrenfeld hinzu, hortet Herr Schrader mehr als eine Million Glühbirnen, Neonröhren und Halogenlampen aller möglichen Stärken und Hersteller.
Investitionen in klassische Glühbirnen
Das bringt Spaß und Strahlkraft ins Geschäftsleben, rechnet sich unter dem Strich jedoch weniger als erhofft. Denn eigentlich wollte der geschäftstüchtige Einzelhändler mittlerweile schwerreich sein. Als die EU im September vor zehn Jahren das Verbot der guten, alten Glühbirne offiziell beschloss und damit eine fast 130 Jahre währende Tradition auslöschte, hatte Schrader vom Grundsatz her den richtigen Riecher.
„Die Glühbirne ist nicht totzukriegen“, ahnte er – und schritt zur Tat: Der gelernte Elektriker mit eigenem Laden an der Luruper Hauptstraße 125 kaufte auf, was aufzukaufen war. Die sechsstellige Versicherungssumme nach einem Großbrand 2008 in seinem Betrieb investierte er in gigantische Lagerbestände. Von einem speziellen Glühbirnentyp erstand er alleine 24.700 Stück. Im Prinzip war es nur noch eine Frage der Zeit bis zum Geldsegen. Dachte „Dagobert“ Schrader.
Die Geschäfte laufen grundsätzlich gut, gibt er zu, weil viele Kunden in der klassischen Glühlampe nach wie vor die Erleuchtung sehen. Etwa die Hälfte seines Umsatzes erzielt er mit einem Internetshop. Die ganz fette Rendite indes blieb bisher aus. Weil der hiesige Markt mit Plagiaten dermaßen überschwemmt wird, dass die Preise unter denen von vor einem Jahrzehnt liegen.
"Glühbirnen-Mafia" verkauft auf Wochenmärkten
Die Ursache ist aus Schraders Sicht sonnenklar: Schwarzware aus Osteuropa, besonders aus Weißrussland und der Ukraine, gelangen – auf welchen Wegen auch immer – nach Deutschland. Nicht nur, weil das Wort so schön zum diffusen Thema passt: Es hat sich ein Schattenmarkt etabliert. Der Profi aus Lurup mit Wohnsitz Schenefeld nimmt den Begriff nicht in den Mund, dennoch ist klar, was er meint: Eine „Glühbirnen-Mafia“ hat das Regiment übernommen.
Auf Wochenmärkten in ganz Hamburg werden Handlanger beobachtet, die Ware zu Dumpingpreisen offerieren. Nicht nur die ARD-Wirtschaftssendung „Plusminus“ berichtete umfassend. Die durchgängige Frage in allen Sendungen: Erfüllt die Wende weg von der klassischen Glühbirne hin zu Energiesparlampen oder LED-Leuchten tatsächlich den Zweck? Wird die Umwelt wirklich geschont?
Es gibt widersprüchliche Meinungen. Schraders Auffassung ist klar: Hinter den Kulissen ziehen Großkonzerne die Strippen. Es ist ein Milliardengeschäft. Dass er seine Leuchtmittel legal verkaufen darf, hat einen simplen Hintergrund: Es ist verboten, neue Produkte herzustellen und europaweit in den Verkehr zu bringen. Ware aus Lagerbeständen feilzubieten ist erlaubt. Export nach Übersee ebenfalls. Im Zweifel ist die Beweislage problematisch. Die Schwarzware aus dem Osten ist nach Schraders Sicht „billigst hergestellter Schrott mit kurzer Lebensdauer“ und Sicherheitsrisiko.
Doch bevor sich der Kaufmann aus dem Westen der Hansestadt in Rage redet und angebliche Technokraten der EU-Verwaltung einer irrlichternden Politik bezichtigt, machen wir einen Rundgang durch die Geschäftsräume, das Lager dahinter sowie den Keller. Schrader, das wird auf den ersten Blick klar, ist ein Energiebündel auf zwei Beinen. Ein bequemer, handzahmer Mensch ist er keinesfalls, ein unbeirrter Kämpfer für seine Positionen unbedingt.
Er ist Elektriker in vierter Generation
Er bezieht frank und frei Stellung, schaltet provokante Anzeigen, nimmt kein Blatt vor den Mund. Der 51-Jährige fühlt sich frei, forsch und frech zu sein. Er ahnt, dass er anstrengend sein kann. In der vergangenen Woche reiste er zur EU nach Brüssel. Der Mann ist in vierter Generation Elektriker und weiß aus Erfahrung, was Sache ist. In seinem vor 20 Jahren in einer ehemaligen Konditorei gegründeten Laden beschäftigt er vier feste Mitarbeiter. Einer von ihnen kommt ins Haus – ganz klassisch. Er verkauft, repariert, installiert und handelt. Das Abendblatt bezeichnete den couragierten Einzelkämpfer einst als „Robin Hood der Glühbirne“.
Beim Rundgang hat sich Schraders Rage in Begeisterung für die Welt der Lampen verwandelt. Wir gehen vorbei an Kabelbergen, Steckern, Spezialwerkzeug, kleinen oder großen Kartons mit allen erdenklichen Lampen und Röhren.
Bei Begrifflichkeiten wird er pingelig. „Birnen wachsen an Bäumen“, sagt er mit dezent vorwurfsvollem Blick. Aber natürlich weiß er, dass der Volksmund zu Leuchtmitteln und Lampen pauschal „Birnen“ sagt.
Manche seiner Glühbirnen sind unverkäuflich
Er zieht besonders rare Exemplare aus der Pappverpackung. Man muss intensiv suchen und weit fahren, um so etwas irgendwo zu kaufen. Wenn man es überhaupt noch bekommt. Manche Rarität hat er dermaßen ins Liebhaber-Herz geschlossen, dass sie unverkäuflich ist. „Ich kann mich nicht davon trennen“, bekennt er – und muss selbst schmunzeln. Stefan Schrader philosophiert über Energiesparlampen mit schlecht oder gar nicht funktionierendem Dimmer. Er wettert über „Berge Elektroschrott“, weil Designerlampen mit den neuen Produkten zu nichts mehr taugen.
In der Miniküche, gerade mal vier Quadratmeter groß, gibt’s Kaffee. An der Wand hängt ein Foto von Schraders chinesischer Lebensgefährtin. Sie ist amtierende Weltmeisterin im Senioren-Badminton. Damit sind wir bei seiner zweiten und dritten Leidenschaft angelangt. Denn der Elektriker aus Lurup nahm schon mehrfach an Europa- und Weltmeisterschaften in dieser Sportart teil. Und als er dabei vor vier Jahren Xin traf, ging ihm ein Licht auf. Ganz anders als bisher.