Hamburg. Wo steht was? Wer macht was? Wir haben bei Sternekoch Heinz Wehmann im Landhaus Scherrer nachgeschaut, wie es bei einem Profi läuft.
Kreativität, beste Produkte, professionelles Können, Motivation, Kommunikation, Vertrauen unter den Kollegen und perfekte Organisation: Das sind die Zutaten für eine reibungslos arbeitende Restaurantküche. Aber wie funktioniert es, dass Kalbfleisch als wunderbar zartes und knuspriges Wiener Schnitzel auf den Teller und zum Gast kommt? Dass die Soße zur Vierländer Ente die richtige Konsistenz hat, Möhren und Brokkoli nicht verkocht, immer genügend Zwiebeln und Kartoffeln vorbereitet sind? Das Landhaus Scherrer hat das Abendblatt in seine Küche schauen lassen.
Garant für Beständigkeit an der Elbchaussee ist Heinz Wehmann, seit 1981 Küchenchef und Geschäftsführer sowie Mitinhaber des Betriebes. „Kochen ist Handwerk, und wir hängen unseren Qualitätsanspruch jeden Tag wieder hoch“, sagt der 61-Jährige.
18 Kräfte sind in der Küche tätig. Küchenchef (Chef de Cuisine) Wehmann hat zwei Stellvertreter (Sous Chefs) und drei Postenchefs (Chefs de Partie), die als Allrounder auch als Springer (Tournants) eingesetzt werden können. Fünf Jungköche (Commis de Cuisine) machen alles, was anfällt, auch Gemüse putzen, schneiden und schnell mal aufklaren. Hinzu kommen fünf Auszubildende, ein Spüler und eine Hilfskraft.
95 Prozent der Speisen werden selbst gemacht
Der Chef hat seine Küche in folgende Posten eingeteilt: Gardemanger (kalte Küche), Poissonnier (Fisch), Saucier (Soßen) und Pâtisserie, wo im Keller zwei Konditoren Kuchen und Kekse, Macarons und Brioche backen, Eis und Pralinen herstellen sowie Torten zaubern. Rund 95 Prozent der Speisen und Gerichte im Scherrer werden selbst gemacht.
Was fehlt, ist der Posten vom Entremetier (Koch für die Zubereitung von Beilagen). „Jeder Posten kümmert sich selbst um die Beilagen“, sagt Wehmann. „So wird selbstständiges Arbeiten gefördert und das komplette Handwerk eines Kochs abgefordert.“ Der Ton des Chefs in der Küche ist übrigens freundlich und bestimmt. Von Kommandos wie auf einem Kasernenhof keine Spur. „Ohne mein Team hätte ich keinen Erfolg“, sagt Wehmann. Es sei wie so oft im Sport, da zähle ja auch die Mannschaft.
Schichtbeginn für die erste Crew ist um zwölf, Ende um 21.30 Uhr. Die zweite Crew arbeitet von 15 bis 24 Uhr. Gegen 15.30 Uhr gibt es Personalessen – jeden Tag frisch gekocht. Als Kernzeit für alle gilt 16 bis 18.30 Uhr, da wird viel für den Abend vorbereitet: Gemüse putzen, Zwiebeln schneiden, Dressings anrühren, Fisch filetieren, Fleisch portionsweise parieren. Auf blauen Schneidebrettern wird Fisch verarbeitet, auf roten Fleisch, auf grünen Salat und Gemüse.
45 Holzkochlöffel und 120 Schaumlöffel
Die Hauptküche, das „Herz, das jeden Tag pulsiert“, ist elf mal sieben Meter groß. Auf sechs fest eingebauten und bis zu 30 mobilen Induktionsfeldern wird gekocht, gebraten, gedünstet. Dafür stehen Bratpfannen in verschiedenen Größen und Materialien, Edelstahl-Sauteusen in verschiedenen Größen und sehr große Edelstahltöpfe zur Verfügung. Hinzu kommen 45 Holzkochlöffel und 120 Schaumlöffel oder Kellen.
Außerdem gibt es eine Kippbratpfanne mit 60 Litern Fassungsvermögen, einen 80-Liter-Bottich für Fonds und Eintöpfe, Schränke und Schubladen zum Kühlen oder Warmhalten von Tellern und Zutaten, eine Grillplatte, einen mobilen Elektrogrill, drei professionelle Waffeleisen, mehrere Mikrowellen, Backöfen, Konvektomaten (Heißluftöfen), Salamander (Ofen mit starker Oberhitze, leitet sich ab von griechisch „salambe“ für Feuerstelle), Waagen und Steckdosen für Mixer und Pürierstäbe.
Mit der Bestellung kommt Schwung in die Küche
In der Nebenküche mit angrenzenden Kühlräumen werden auf einem großen Edelstahltisch Vorspeisen und Amuse-Gueule (Gruß aus der Küche) angerichtet. Dafür wird der Tisch mit einer großen weißen Decke belegt. Das ist ästhetisch und schont das Geschirr.
Die Küche hat drei lange Tresen, sogenannte Pässe: Am Fenster wird gekocht, in der Mitte angerichtet und abgeholt, und rechts findet kalte Küche statt.
Und dann kommt die Maschinerie in Schwung: Ein Gast möchte ein Wiener Schnitzel mit Bratkartoffeln und Gurkensalat. Eine Kellnerin bringt den Bon in die Küche, Wehmann annonciert die Bestellung über Mikrofon, und ein Sous Chef nimmt sie an.
Er holt ein Kalbsschnitzel aus der Kühlschublade, klopft das Fleisch flach, wälzt es für die Panade in Mehl, Ei und Semmelbröseln, gibt einen Klacks Butterschmalz aus einem Behälter an seinem Platz in die Pfanne, brät und würzt das Fleisch. Immer wieder wird die Pfanne geschwenkt, das Schnitzel bewegt, damit es zart bleibt und knusprig wird.
Jeder Fettspritzer wird sofort weggewischt
Bei Hochbetrieb am Abend werden viele Gerichte gleichzeitig zubereitet: zum Beispiel Suppe oder Salat als Vorspeise, ein Filetsteak zum Hauptgang, verführerische Desserts. „Jeder bleibt ruhig und ist konzentriert bei der Sache“, so Wehmann.
Jeder Fettspritzer wird sofort mit einem Tuch weggewischt, der Arbeitsplatz penibel sauber gehalten. Kochlöffel und Pfannenheber werden in einen kleinen, mit Wasser gefüllten Edelstahlbehälter (Bain-Marie) gestellt, damit nichts kleben oder matschen kann.
Eine Jungköchin bereitet derweil an ihrem Platz die Bratkartoffeln zu, die Zutaten sind schon vorgeschnitten. Eine zweite Jungköchin hobelt am dritten Pass Salatgurke für den Salat, mischt die grünen Scheiben mit dem vorbereiteten Dressing, gibt Kräuter dazu.
Und unter den Augen von Küchenchef Wehmann wird auf dem mittleren Pass angerichtet, denn die Speisen kommen zum Teller. Zuerst das Schnitzel auf einem Küchentuch entfetten, dann aufs Porzellan, anschließend die Bratkartoffeln dazu und diese mit Schnittlauch bestreuen. Der Gurkensalat ruht schon in einem Schälchen. Die Servicekraft steht bereit, wischt kleine Spritzer vom Teller und bringt die Speise zum Gast.