Hamburg. Chefkoch Felix Dietz und Crew haben im Rive ihre Linie gefunden: Eine aromenstarke, sinnliche, primär seafoodbasierte Frischeküche.
Das Rive am Hafen, eines der am schönsten gelegenen Restaurants Hamburgs mit großartiger Terrasse und unschlagbarem Elbblick, hat wechselvolle Zeiten durchlaufen: Bei der Eröffnung 1992 war es mega-trendy, die Hautevolee gab sich hier die Klinke in die Hand.
Später kam es dann ein wenig in die Jahre, staubte allmählich ein und zehrte gemeinsam mit dem reiferen Restpublikum vom Ruhm vergangener Zeiten. 2017 übernahmen dann Yvonne und Alexander Tschebull, bekannt durch ihr gleichnamiges Etablissement im Levantehaus, das dümpelnde Flaggschiff, renovierten es behutsam unter vollständiger Wahrung des gewachsenen Retro-Charmes und führten es wieder souverän in die Erfolgsspur.
Restaurant Rive - Gerichte von beglückender Perfektion
Etwas hat es gedauert, in den ersten drei Jahren nach der Übernahme waren wir ein paarmal da und fanden es gut, wenngleich nicht weltbewegend – waren ja auch teilweise bewegte Zeiten. Aber bei unserem letzten Besuch an einem grauen Oktobernachmittag durften wir durchweg Gerichte von beglückender Perfektion genießen.
Der junge Chefkoch Felix Dietz und seine Crew haben ihre Linie gefunden: Eine aromenstarke, sinnliche, primär seafoodbasierte Frischeküche, die starke Akzente setzt, mutig und innovativ Gewürze und Aromen kombiniert und dabei durchweg stilsicher agiert.
Schon das Carpaccio von der Roten Garnele (25,80 Euro) begeistert: Die subtile Safranvinaigrette harmoniert super mit dem kräftigen, konzentrierten Krustentieraioli, Fenchel bringt die Frische. Die Grundqualität der Garnele ist, wie bei allen hier verwendeten Edelprodukten, über jeden Zweifel erhaben.
Freude bereitet zudem das feine Krustentier-Ceviche (19,80 Euro): ein Stelldichein von einfühlsam roh mariniertem Taschenkrebs, Gambas und Krabben, respektvoll untermalt von Chili, zum Glück nicht zu viel, sondern sehr subtil eingesetzter Kokosmilch (das geht sonst häufig in die Binsen), gut dosiertem Koriander und Cashewnüssen.
Ein unerwartetes Highlight mit kompletter geschmacklicher Eigenständigkeit war dann der souverän komponierte rohe Thunfisch im Barigoulsud mit Artischockentapenade, Kapuzinerkresse und grünem Apfel (19 Euro): Allein dieser Gang lohnt den Gang an den Hafen und möge der Karte noch lange erhalten bleiben.
Die Preise im Rive sind gehobene Mittelklasse
Als wir unsere nette Kellnerin – Teil des sehr aufmerksamen Service-Teams, in dem mit sichtlicher Schaffensfreude auch noch einige Altgediente ihr Werk verrichten – befragten, was sie denn so empfehlen würde kam mit leuchtenden Augen und wie aus der Pistole geschossen zur Antwort: „Die Salzwasser-Gambas!“ (26 Euro).
Hätten wir allein wohl nie bestellt, waren aber ein Volltreffer: Die ziemlich amtliche Portion erstklassiger Gambas kam gebraten in einer würzig-intensiven, mediterranen Kräuterbutter, dazu ein gerüttelt Maß mega-aromatischer kleiner im Ofen einreduzierter Sherrytomaten und geröstetes Focaccia. Einfach klasse.
Die Preise im Rive sind gehobene Mittelklasse, aber für das Gebotene durchaus angemessen. Und: Dank Amuse-Gueule, Brot, leckerem Dip und ordentlicher Portionen kommt man hier zu zweit mit vier der eingangs erwähnten Vorspeisen und Zwischengerichte (jeweils 19 bis 26 Euro), so man nicht vorher einen 38-Tonner eigenhändig entladen hat, ganz gut über die Runden.
Und wenn dann noch so ein perfekt bereitetes, gut zu teilendes Dessert des Weges kommt wie das frische Kokoseis mit warmer Toffeesoße, Topfen-Kardamomcreme und Beeren (12 Euro), ist alles fein. Wer auf die Tonne hauen will kann das hier aber auch: Die Meeresfrüchte-Etagère de luxe „Jewels of the Sea“ wartet für zwei Esser mit Maine-Hummer, Austern Sylter Royal, Königskrabbenbeinen, Miesmuscheln, Calamaretti, Krustentiercocktail und zweierlei Saucen auf und kostet stolze 155 Euro.
Auf die Tonne hauen geht im Rive auch - es gibt Hummer und Kaviar
Vorab vielleicht noch das 100-Gramm-Döschen Prunier Caviar mit Blinis, Crème fraîche und Schalotten (180 Euro) gefällig? Nö, muss nicht sein, bei den abwechslungsreichen Vor-, Haupt- und Zwischengerichten kommt das kreative Können der Köche viel besser zur Geltung.
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Die kleine, aber ordentlich zusammengestellte Weinkarte bietet einige gute Erzeuger auf: So gibt’s den ehrlichen 2020er „Just Riesling“ von Gut Herrmannsberg an der Nahe für 30,50 Euro, Kult-Winzer Clemens Buschs subtil gereifter 2016er Riesling Nonnengarten schlägt mit 42,50 Euro zu Buche, und einen spannenden Gemischten Satz von Hajszan Neumann aus Wien erhält man schon für 33 Euro. Champagnerfreunde werden glücklich mit der hochklassigen Hausempfehlung Billecart-Salmon brut (Glas 14,50 Euro, Fl. 87 Euro). Wer sich fürs etwa gleiche Geld Veuve Clicquot oder Moët & Chandon zu Gemüte führt, ist selber schuld.