Hamburg. Genussexperte Gerd Rindchen speist diesmal in Eimbüttel. Er entdeckt die Gastro-Perle in der Lokalitätenvielfalt des Stadtteils.

Das Heimatjuwel ist eine Perle in der gastronomischen Vielfalt Eimsbüttels. Schon seit der Eröffnung vor fünfeinhalb Jahren verfolgte Chefkoch und Inhaber Marcel Görke die Philosophie, regionale Produkte ins Scheinwerferlicht zu rücken, um sie mit großem Können, Kreativität und Raffinesse zuzubereiten.

Den zweiten Lockdown hat Herr Görke nun genutzt, um das Konzept noch weiter zu verfeinern. Das Ergebnis: Standen auch vorher schon vor allem hochwertige Gemüse- und Obstsorten im Mittelpunkt, ist die jetzige Karte wahlweise zu 90 Prozent, manchmal auch komplett vegetarisch und nachhaltig ausgerichtet.

Strikt saisonales Menü im Heimatjuwel

Ganz konsequent wird nur noch ein strikt saisonal ausgerichtetes Menü vorwiegend aus Bio-Zutaten offeriert, das mit fünf Gängen 75 und mit sechs Gängen 85 Euro kostet. Das ist für das Gebotene ausgesprochen preiswert, denn zum einen ranken sich um die einzelnen Gänge zu Beginn und zum Ausklang noch zahlreiche kleine Köstlichkeiten, zum anderen können die Köche durch die Fokussierung auf nur noch ein Menü die einzelnen Gerichte in einer solchen Brillanz und Perfektion auf die Teller zaubern, dass die Küche nach meinem Dafürhalten nun absolut Sterne-Niveau erreicht hat.

Beim aktuellen Menü werden zum Auftakt knuspriges Laugenbrot und ein eleganter Kürbishummus gereicht. Sodann folgen drei animierende Snacks aus dem Gemüsegarten: Da kann ein Tartelette mit feurigem Jalapenaschaum dabei sein, ein luftiger Tapiokacracker mit Paprika-Ingwer-Crème, ein herzhaftes Eclair mit Mohn oder eine Petersilienpraline mit Sauerkraut und Laugenbrot -alles kleine Kunstwerke, die perfekt auf den Abend einstimmen.

Feine Harmonie aus Räucheraromen und dezenter Süße

Nach einem wärmenden kleinen Cappuccino von Berglinsen startet das eigentliche Menü mit leicht angeräucherter Schwarzwurzel, Birnenkompott und Haselnussbrot mit Haselnussstaub. Die Räucheraromen, die dezente Süße und das Nussige vermählen sich hier zu feiner Harmonie. Wer die von der freundlichen Sommelière Sandra Ureidat kundig zusammengestellte Weinbegleitung gewählt hat (für fünf Gänge 45, für sechs Gänge 54 Euro), erfreut sich dazu an einem eleganten Weißburgunder von Korell an der Nahe. Die Weinbegleitung lohnt hier übrigens sehr, weil man so mit einigen raren, ungewöhnlichen Tropfen in Berührung kommt, die man sonst wohl nie kennenlernen würde.

Auch der nächste Gang überzeugt: Eine kleine Süßkartoffelterrine mit einem konzentrierten Chutney aus grünen Tomaten und hauseingelegten Essigkirschen – das verlangt nach einem kraftvollen Gegenpart, der dann auch in Gestalt eines Grauburgunders von Demeter-Winzer Stefan Bietighöfer aus der Südpfalz naht.

Als kleinen Zwischenruf aus der Küche gibt’s sodann eine animierende kleine, feine Zusammenstellung aus Kartoffelschaum, Spinatcrème und Eigelb. Ungemein spannend ist der nun folgende Gang: Bei den Gelben Bete „Gulasch Art“ mit Schwarzkohl ruhen die Bete in einem aromensatten veganen Gulaschsud. Salzzitronen, Röstzwiebeln, Majoran und ein Majoran-Kümmel-Öl unterstreichen das ausnehmend kräftig-würzige Geschmacksbild.

Dazu harmoniert vorzüglich ein Gewächs, welches das Faible der Somme­lière für Naturweine unterstreicht: der vor Leben und Spannung förmlich vi­brierende Chardonnay „Puro“ der blutjungen Pfälzer Shootingstars Philipp, Jonas und Lukas Seckinger. Wer von den vegetarischen Künsten des Küchenteams so beseelt ist, dass er für den gesamten Abend auf Fleisch verzichten möchte, kann nun zum vegetarischen Hauptgang greifen: ein mit leicht nussigem Grünkern gefüllter Kohlwickel im Rotkohlsud mit Kartoffeln.

Habe ich aber ehrlicherweise nicht gemacht, zu verlockend schielte die fleischliche Alternative von der Karte: Hirsch als à point gebratene Keule und als kräuterwürzig geschmortes Keulenfleisch im knusprigen Brickteig, dazu die ungemein aromentintensiven schwarzen Herbsttrompeten (eine Pilzart) und Steckrüben. Dazu passt der elegante Pinot Noir von Andreas Durst aus der Pfalz.

Fünf-Gänge-Esser müssen nun zwischen Dessert und Käse wählen: Süßschnäbel bekommen zum Apfelkuchen des Hauses, so sie die Weinbegleitung gewählt haben, einen hausgemachten Eierlikör serviert, der Käsefreund wird zu Camembert, Zwetschge und Pastinakenmüsli mit einen gereiften Graham’s Port verwöhnt.

Zum Ausklang kommt noch „Naschkram“ in Form eines Kürbiskern-Karamellpralinés, der hauseigenen (köstlichen) Interpretation eines Müsliriegels und als putziger Mini-Berliner des Weges. Und so sitzt man dann glücklich im kleinen Gastraum an einem der schlichten, aber geschmackvollen Holztische und freut sich an einer der spannendsten Küchen der Stadt.

Stellinger Weg 47, Tel. 42106989, Di–Do 18–23, Fr/Sa 17.30–23 Uhr, www.heimatjuwel.de