Sylt. Jürgen Gosch, Gründer des Sylter Fisch-Imperiums, sprach mit Abendblatt-Chef Lars Haider über Karriere und überraschende Pläne.

Er ist vor vielen Jahrzehnten als Maurer nach Sylt, „auf diese Promi-Insel“, gekommen, und dort einer der bekanntesten Gastronomen Deutschlands geworden. Jürgen Gosch hat aus einer Bretterbude ein Fisch-Imperium gemacht, ist reich geworden und doch er selbst geblieben, auch jetzt, mit 80.

Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider traf Jürgen Gosch in der nördlichsten Fischbude Deutschlands, in List, wo sich das Geburtstagskind gerade selbst ein neues, edles Restaurant geschenkt hat. Ein Gespräch über Arbeitstage bis tief in die Nacht, über Fernweh und die Gier eines Unternehmers.

Das sagt Erfolgsgastronom Jürgen Gosch über…

… sein neues Restaurant „Jünne“:

„Man gönnt sich ja sonst nichts. Ich bin in diesem Jahr 80 geworden und habe immer von einem ganz besonderen, einem edleren Restaurant geträumt. Das habe ich hiermit geschafft. Der eine kauft sich mit 80 einen Ferrari, ich habe einen schönen Laden gebaut. Zum Glück kann ich mir das finanziell erlauben und musste deswegen nicht zur Bank laufen. Wir haben hier in List ja unten diese Hafenatmosphäre, das ist seit vielen Jahrzehnten mehr so ein Rummelplatz mit Ecken und Buden. Das mögen viele und kommen deshalb immer wieder. Aber andere haben auch zu mir gesagt: Jünne, wir würden gern zu dir kommen, können aber nicht reservieren, und haben nirgendwo die Chance, mal in Ruhe etwas zu essen. Letzteres gilt vor allem für meine vielen prominenten Gäste, die ständig fotografiert werden, wenn sie unten in der Fischbude etwas essen wollen. Für die, die mal in Ruhe Gosch erleben, die vielleicht auch mal ein Event machen oder eine Hochzeit feiern wollen, habe ich dieses Restaurant gebaut. Ob ich damit Geld verdienen werde, weiß ich nicht. Aber ich habe Freude daran, das ist das wichtigste. Ich finde, es ist richtig schick geworden.“

… seinen 80. Geburtstag:

„Ich habe meinen 80. Geburtstag mit neun Leuten gefeiert, mehr ging ja leider nicht. Und entweder feiere ich richtig, oder eben im kleinsten Kreis.“

… die Anfänge seiner einzigartigen Karriere:

„Ich bin ein Tönninger Junge, und als es um die Frage ging, was ich nach der Schule machen sollte, sagte meine Mutter: Du lernst Maurer. Mein Opa hat ein Baugeschäft, das ich irgendwann übernehmen sollte. Also habe ich Maurer gelernt, und eines Tages hat mich mein Opa nach Sylt geschickt, weil da Murks gebaut worden war. Ich sollte mal nach dem Rechten gucken, und ich weiß noch, wie ich zu meinem Opa damals sagte: Was soll ich auf der Prominenteninsel? Ich bin trotzdem nach Sylt gefahren, wo ich mir nach Feierabend meine Krabben zum Selbstpulen bei den Fischern am Hafen geholt habe. Dort hörte ich, wie Touristen die Fischer fragten, ob sie auch Aale hätten, und die Fischer sagten: „Nö, wir haben nur Krabben.“ Das hat mich auf die Idee gebracht, selbst Aale zu verkaufen. Ich habe mir einen Korb für 16 D-Mark angeschafft, meine erste Investition als Unternehmer, die ich schon nach dem ersten Tag wieder raushatte. Also war ich von Anfang an schuldenfrei… Irgendwann habe ich meinem Opa gesagt, dass ich kein Maurer, sondern ein Handelsmann bin. Er hat mich aus dem Unternehmen gelassen, und ich habe eine kleine Bude in List gekauft, in der ich Aale, Salate und Räucherfisch verkaufen durfte. Nach und nach habe ich dann angebaut, mal mit Genehmigung, mal ohne, wie das eben so ist. Das war eine schöne Zeit, da zählte noch ein Handschlag, und dass man seine Arbeit ordentlich machte.“

… den Gosch-Umsatz auf Sylt:

„Wir machen mit den elf Läden auf Sylt etwa so viel Umsatz wie mit den Geschäften auf dem Festland, obwohl das doppelt so viele sind.“

… die Corona-Zeit:

„Man muss dem Staat jetzt auch mal Danke sagen. Man schimpft ja gern auf den Staat, ich fand auch immer, dass wir zu viel Steuern zahlen müssen. Aber jetzt weiß ich auch, warum. Der Staat hat uns allen über diese schwere Zeit geholfen und viele Firmen gerettet, nur keiner spricht das aus. Ich habe mein Geld zwar noch nicht bekommen, aber man hat es mir zugesichert. Grundsätzlich gilt, dass man als Kaufmann mit allem rechnen muss, und wenn man das nicht tut, wenn man keine Rücklagen bildet, ist man kein richtiger Kaufmann. Ich selbst habe mir nie existenzielle Sorgen gemacht oder wirtschaftliche Panik bekommen, weil ich nur investiere, wenn ich das Geld dafür verdient habe.“

… Mitarbeiter:

„Ich lege sehr viel Wert darauf, dass meine Mitarbeiter ordentliche Wohnungen haben. Wir stecken die nicht mit zwei, drei Leuten in ein Zimmer rein, das wäre furchtbar. Ich suche und baue Wohnungen für meine Mitarbeiter, damit die sich wohl fühlen. Anders kann man auf Sylt auch kein Personal bekommen.“

… das Pier 67:

„Die Idee für dieses neue Restaurant war, dass es dort nur Fleisch und Burger gibt, weil viele Gäste mir gesagt haben, dass sie Fisch nicht so gern mögen. Deshalb dachte ich, dass man denen ein eigenes Angebot machen sollte. Aber es geht nicht, am Ende kannst du am Hafen kein Restaurant eröffnen, in dem auf der Speisekarte überhaupt kein Fisch steht. Also gibt es im Pier 67 jetzt auch Fisch.“

… die vielen Touristen in den Sommermonaten:

„Ich finde nicht, dass die Insel voller war als sonst. Es sind viele Stammgäste im Sommer weggeblieben, und ich hoffe, dass die im Herbst nach Sylt kommen. Wir hatten in diesem Sommer viele Neulinge hier, die wegen Corona nicht auf ihre bisherigen Lieblingsinsel, zum Beispiel nach Kreta oder Mallorca, fliegen wollten. Und mein Gefühl war, dass es vielen Stammgästen, vor allem jenen, die hier Eigentum haben, etwas zu rumpelig war. Ich glaube, die kommen im Herbst wieder.“

… Urlaub auf Sylt:

„Die Diskussion über den Tourismus auf Sylt gibt es seit hundert Jahren. Wenn die Touristen da sind, wird gemeckert, dass es zu viele sind, wenn sie ausbleiben, wird gestöhnt, dass wir sie doch brauchen. Die Insel hat nur eine Einnahmequelle, und das ist der Tourismus. Wir leben doch alle gut von den Gästen, und wenn es mal sechs Wochen zu voll ist, dann soll man den Mund halten und alles mitnehmen. Schließlich haben wir auch relativ schwache Monate. Wer die Insel in Ruhe genießen will, kommt einfach von Oktober bis März. Und: Bei gutem Wetter ist die Insel auch im Sommer nie zu voll, weil dann alle Gäste am Strand sind, und sich dort problemlos verteilen. Nur bei Regenwetter wird es voll, weil sich alle auf der Friedrichstraße treffen und es auf den Straßen nach Westerland eng wird.“

… Urlaub von Sylt:

„Ich mache gern Urlaub, schließlich kann ich nicht die ganze Zeit nur auf diesem Sandknust sein. Ich habe Fernweh, ich war am Süd- und am Nordpol, und mit meinem Sohn Björn, der Meeresbiologe ist und in Australien lebt, habe ich Messungen auf Grönland gemacht.“

… die Gosch-Filialen in Westerland:

„Die betreibt meine Tochter, und deshalb mische ich mich da nicht mehr ein, bin auch nicht mehr dort. Man muss seine Kinder laufen und machen lassen, anders hat man bei einer Übergabe keine Chance. Das habe ich gelernt, auch gefühlsmäßig. Außerdem sehe ich die Umsätze, die in Westerland gemacht werden, und da bin ich ganz zufrieden.“

… seinen Arbeitstag:

„Bei mir beginnt der Tag gegen 7.30 Uhr. Zwischen 9.30 und zehn Uhr telefoniere ich mit meiner Produktionsstätte, wir kaufen zusammen den Fisch ein, da lasse ich keinen anderen ran. Ich gehe davon aus, dass ich davon nach 56 Jahren ein wenig Ahnung habe. Ab 10.30 Uhr bin ich dann in meinem Betrieb in List und bleibe so elf bis zwölf Stunden, je nach Laune. Ich spüre und sehe die Arbeit nicht, für mich ist das eine Aufgabe, ich gucke auch nicht auf die Uhr. Es ist doch großartig, wenn man arbeiten darf und nicht spürt, dass die Zeit läuft.“

… das neue List, in dem viel gebaut und investiert wird:

„Ich habe Respekt vor unserem Bürgermeister. Als ich hier angefangen habe, war List nichts, ein hässliches Dorf. Da musste etwas passieren. Und jetzt passiert was, worüber sich ja auch einige aufregen. Man sollte die großen Baustellen zu Ende bringen, und dann ist gut.“

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… die Gier eines Unternehmers:

„Keiner spricht das aus, aber ein richtiger Unternehmer muss gierig sein. Du musst Blut auf den Zähnen haben, du musst beißen können. Für mich ist jeder ein Konkurrent, ob ich ihn nun mag oder nicht mag, da muss man sich nichts vormachen. Wobei ich natürlich weiß, dass ich die Insel nicht für mich allein haben kann.“

… Geld:

„Wenn man erst einmal etwas Geld verdient hat, wird es als Motiv nicht mehr so wichtig. Was mir wichtig ist, ist das Image von Gosch, davon will ich nichts verlieren. Das wieder aufzubauen, wäre sehr schwer. Wir müssen immer aufpassen, wir müssen auch immer Puffer haben für den Fall, dass mal etwas Schlimmes passiert.“

… neue Pläne:

„Ich habe viele Ideen in meinem Kopf, die in den vergangenen Jahrzehnten zu kurz gekommen sind, weil ich unter Stress war, nur unter Stress. Das war nicht die Schuld von anderen, das war mein Problem, weil ich mich selbst unter Stress gesetzt habe. Inzwischen habe ich mich davon etwas gelöst, das hat vielleicht auch mit dem Alter zu tun. Jetzt habe ich den Kopf frei und möchte deshalb mit einem Koch neue Fischgerichte entwickeln, etwas, was keiner hat. Was es im Moment gibt, wird mir zu langweilig. Man kann viel machen, man muss das nur tun. Und abschmecken kann ich immer noch am besten in der Firma.“