Vera Altrock und Geneviève Wood haben Frauen getroffen, die sich mit Handarbeiten eine ganz neue Existenz gestrickt haben.

Der Schritt in die Selbstständigkeit liegt heute für viele Menschen näher als früher. Weil der feste Arbeitsplatz weg ist, weil eine Geschäftsidee eine Perspektive weist. Heiner Schote von der Handelskammer Hamburg über den steigenden Trend zur eigenen Firma: "Im Vergleich zu 2009 hatten wir 2010 einen Zuwachs von 7,4 Prozent bei den Unternehmensgründungen." Wie viele Frauen mit ihrer Handarbeit Geld verdienen, ist statistisch nicht erfasst. Doch Handgefertigtes liegt im Trend. Schote weiß: "Viele Selbstständige suchen sich eine Nische. Durch den Handel auf Online-Marktplätzen wie Dawanda oder Etsy erreichen sie einen Markt über die eigene Region hinaus."

Die Näherin

Manchmal kann es goldrichtig sein, sich auf seine frühen Talente zu besinnen. Daniela Dunker zum Beispiel nähte als Teenagerin in Lübeck leidenschaftlich gerne. "Als ich dann in der Unternehmensberatung arbeitete, konnte ich meine Kreativität und die Freiheit, mit eigenen Ideen zu gestalten, nicht genügend ausleben", sagt Daniela Dunker. So kam es, dass sich die 38-Jährige aus Rosengarten (Kreis Harburg) zunächst an ihren Feierabenden wieder an die Nähmaschine setzte und kleine Kulturtaschen herstellte. "2009 hatte ich auf einmal die fixe Idee, allen Freunden zu Weihnachten etwas Selbstgemachtes zu schenken." Sie fing an, Schnitte nach ihren Vorstellungen zu verändern. Die große Begeisterung für ihre Produkte und eine Freundin, die ihr von der Internetseite Dawanda erzählte, bestärkten sie, unter dieser Dachmarke einen eigenen Web-Shop zu eröffnen. Mittlerweile hat sie unter dem Label "himmelsgleich" über 300 unterschiedliche Produkte im Angebot, von Kulturtaschen (ab 25 Euro) über stoffbezogene Fotoalben (ab 20 Euro) und Gürtel (ab 18 Euro) bis zu Lampenschirmen (ab 20 Euro). Ganz neu sind Designerstoffe, die sie direkt aus den USA bestellt. "Es ist ein tolles Gefühl, dass aus der Leidenschaft für schöne Stoffe mehr als ein Hobby geworden ist", sagt Daniela Dunker, "dass plötzlich Menschen meine Produkte haben wollen." Durch die große Nachfrage wurde auch der Wunsch größer, sich zunächst im Nebengewerbe selbstständig zu machen. Sogar hauptberuflich als Designerin zu arbeiten kann sie sich für ihre Zukunft vorstellen. "Im Moment bin ich auf der Suche nach neuen Vertriebswegen. Demnächst werde ich einige meiner Produkte bei Mütter & Consorten in Osdorf ausstellen. Und wer weiß: Vielleicht eröffne ich irgendwann auch meinen eigenen Laden?" Ihr größter Wunsch ist es, dass die Kunden selbst an der Gestaltung des Produkts mitwirken. Deshalb bietet Daniela Dunker auch so viele individuelle Varianten an, ob Farbe, Stoff, Muster, persönliche Schriftzüge oder Applikationen - und Daniela Dunker berät gerne. - Infos: http://de.dawanda. com/shop/himmelsgleich

Die Taschen-Designerin

Solange sie denken kann, näht und strickt Yvonne Rogosch. Schon als Kind werkelte sie an der alten Nähmaschine ihrer Urgroßmutter ("am liebsten kleine Beutel"). Nicht selten findet sich heute die eigene Maschine im Reisegepäck. Und eine Rotphase im Auto an der Ampel nutzt die 40-Jährige schon mal, um ein paar Reihen zu stricken. Im Hauptberuf ist Yvonne Rogosch Rechtsanwältin, das Handwerkliche ist für die 40-Jährige ein Hobby mit Nebeneinkünften. Auf der Suche nach der perfekten Strandtasche entstand 1996 das erste Modell aus Frotteehandtüchern mit dem inzwischen signifikanten Stern - "easy zu tragen und schön anzufassen". Zu Beginn beschenkte sie Freunde damit, heute ist der Beach Bag ihr Bestseller in verschiedenen Pastelltönen. Geschätzte 100 Exemplare hat sie bereits hergestellt, mehrere Stunden braucht Yvonne Rogosch für eine Tasche mit Namen wie "Malibu Flower" oder "55" (in Anspielung an den legendären Strandklub im südfranzösischen St. Tropez). Nicht zufällig werden ihre Taschen unter dem Label BYRH bei My Perfect Sunday in Eppendorf und im "Hamburger Kinderzimmer" in Othmarschen verkauft - dort, wo man sich gern mal für den bevorstehenden Sommerurlaub eine Stofftasche für rund 130 Euro leistet. Um den Bekanntenkreis weiterhin mit ihren neuesten Kreationen zu beglücken, veranstaltet Yvonne Rogosch zusammen mit fünf Freundinnen den "French Market": Unter einem wechselnden Motto laden die Damen bei Cremant und französischen Snacks zu privaten Shopping-Abenden ein. Zur Vorbereitung trifft sich das Netzwerk regelmäßig zum kreativen Austausch. "Erst wird gegessen und geredet, anschließend werden die Nähmaschinen ausgepackt - und dann herrscht konzentrierte Ruhe", sagt Yvonne Rogosch. Ihr Antrieb: "Dinge herstellen, die es noch nicht gibt." So waren die Renner zum Thema "Beach" Hüllen für aufblasbare Kopfkissen, leicht trocknende Strandtücher, Wet-Stuff-Beutel (für den Transport nasser Badesachen) und natürlich die Strandtaschen mit abtrennbarer kleiner Handtasche für den Ausflug an die Strandbar. Vom 23. bis zum 26. Juni ist Yvonne Rogosch mit ihren Produkten auf der Ausstellung "Home & Garden" in Klein Flottbek am Stand des "Hamburger Kinderzimmers" vertreten. Kontakt: br@borisrogosch.de

Die Häklerin

Mit der Geburt ihrer Tochter Carlotta 2007 fing Ilka Fischer mit dem Häkeln an. "Zum Lesen war ich abends zu müde, also habe ich die Handarbeit reaktiviert", sagt die 39-Jährige. Ein bis zwei Stunden am Tag verbringt sie damit, Kindermützen, Babyschuhe, Rasseln und gehäkelten Schmuck anzufertigen, manchmal auch gemeinsam mit ihren Freundinnen Natascha Mahn und Ute Hornauf. Natascha und Ute hat die gelernte Hotelfachfrau auf dem Isemarkt kennengelernt. "Ich hatte meine Karre da lang geschoben und war am Überlegen, wie ich meine Kindermützen am besten vertreibe. Mit Natascha und Ute konnte ich mich endlich austauschen." Die beiden Freundinnen hatten versucht, ihre Produkte auf dem Isemarkt zu verkaufen - Natascha ihren gestrickten Schmuck, Ute Hornauf ihre Wohnaccessoires, doch Aufwand und Lohn standen in keinem Verhältnis. Die drei taten sich zusammen und organisierten private Adventsausstellungen. Mittlerweile hat Ilka Fischer nicht nur eine zweite Tochter, Luisa wurde 2009 geboren, sie hat auch ein Kleingewerbe angemeldet und verdient Geld mit ihren Mützen. Das Stück kostet um die 20 Euro. Zwei Stunden braucht Ilka Fischer, um eine Mütze zu häkeln. "Oft erlebe ich ein 'Oh, das ist aber teuer', wenn ich diesen Preis verlange. Das Häkeln dauert zwei Stunden, ob in Asien oder Hamburg. Ich bin immer wieder erstaunt, dass dann Leute in einschlägigen Kinderboutiquen gerne 60 Euro für Mützen renommierter Marken ausgeben, die in Asien produziert werden. Mittlerweile kann man mehr Produkte made in Hamburg kaufen, als man denkt. Man muss nur die Augen aufhalten, im Internet oder bei Messen wie ,Besondersschön' stöbern. Im Moment versucht Ilka Fischer, ihre Produkte in Kinderläden zu platzieren. Derzeit werden ihre Mützen und Schühchen bei Knirps & Company an der Barmbeker Straße verkauft. Bis der Vertrieb richtig angelaufen ist, arbeitet sie an zwei Tagen der Woche für ein paar Stunden im Büro. Ihre Internetseite www.lovislovisa.de wird gerade aktualisiert, Infos über Lovislovisa bei www.facebook.com

Die Hand-Arbeiterinnen

Dass sie einmal mit Stoff-Eulen Geld verdienen würde, hätte Ute Hornauf zu Zeiten ihres Grafikstudiums wohl auch nicht gedacht. Mittlerweile hat die 45-Jährige sogar ein kleines Ladengeschäft an der Bernstorffstraße: Polybox. Dort gibt es nicht nur ihre Stoff-Eulen, Waschlappen aus alten Handtüchern und selbst genähte Kissenhüllen, sondern auch Häkelmützen, Portemonnaies, Schmuck aus Wolle und Filzpantoffeln - die Vielfalt ist groß. Das Konzept des Ladens ist einfach. Ute Hornauf und Ulla Wallenfels vermieten 20 Boxen in einem Regal an Kunsthandwerker, die dort ihre Produkte zum Kauf anbieten können, einen Monat lang kostet die Miete pro Fach 20 Euro. "Mir ging es um die Vielfalt. Diese vielen verschiedenen Produkte könnte ich nicht alle selbst herstellen", sagt Ute Hornauf. Die Grafikerin hat, wie sie sagt, "eine Million Jobs" ausprobiert, bis sie "Polybox" gründete. Sie arbeitete in der Altenpflege, im Callcenter. Im Moment lebt sie zu ihrem Leidwesen von Hartz IV. Doch sie kann mit dem Verkauf ihrer Handarbeiten etwas dazuverdienen. "Ich habe natürlich die Hoffnung und das Ziel, davon auch leben zu können", sagt Ute Hornauf. Seitdem sie 18 Jahre alt ist, zeichnet sie gern, macht Siebdruckarbeiten. Außerdem stickt und näht sie leidenschaftlich gern. Das liegt ihr. "Diese Handarbeit erfüllt mich. Mein Leben fühlt sich super an." Ihre Eulen kosten um die 29 Euro, einer ihrer originellen Waschlappen ist für 21,50 Euro zu haben. Ihre Kollegin Ulla Wallenfels verdient ihr Geld zum Leben als Schlussredakteurin beim "Spiegel" in Teilzeit. Das Häkeln von Mützen, Aufnähern und Topflappen, ist Hobby und Zweitberuf. Die Idee dazu kam ihr während der regelmäßigen fünf Stunden langen Zugfahrten nach Hause in die Nähe von Frankfurt. "Um die Zeit zu vertreiben, fing ich mit dem Häkeln an." Zwar denken die beiden über einen Vertrieb übers Internet nach. "Aber ich finde, man muss die Sachen auch immer anfassen können", sagt Ulla Wallenfels. Infos unter www.einhornauf.de