Herne. „Theo gegen den Rest der Welt“ war eine Blaupause für Ruhrpott-Komödien – und auch der musikalische Durchbruch für Marius Müller-Westernhagen.
Wenn das Ruhrgebiet seine Heldengestalten sucht, pickt es mit traumwandlerischer Sicherheit jene heraus, die nicht in der Region geboren sind. Grönemeyer? Göttingen! Schimanski? Berlin! Tegtmeier? Ehrenbreitstein, da mag man ergoogeln, wo das liegt. Macht nix, das Revier hat immer schon alle integriert. Selbst der perfekte Underdog und Antiheld aus dem Revier wurde, na ja, knapp daneben geboren.
„Theo gegen den Rest der Welt“ bescherte ausgerechnet einem Düsseldorfer seinen größten schauspielerischen Erfolg und lange Zeit einen Status als Kultfigur, obwohl der spillerige Titelheld ja aus Herne stammt. Tatsächlich war die rotzfreche Mischung aus Action-Komödie und Roadmovie mit rund drei Millionen Besuchern der erfolgreichste deutsche Kinofilm des Jahres 1980/81 und einer der seltenen Fälle gegenseitiger Doppelbefruchtung:
„Theo“ fördert Marius Müller-Westernhagens Musikkarriere
Ohne Marius Müller-Westernhagen als Tagedieb Theo wäre der Film niemals so erfolgreich geworden, andererseits beflügelte der Erfolg von Theo die bis dahin rechtschaffen dahindümpelnde Karriere des Musikers Westernhagen, der erst im Laufe der 1980er-Jahre unaufhaltsam erfolgreicher wurde und in den 90ern Alben in Millionenhöhe verkaufte, dazu Konzerte vor 100.000 Zuschauern gab – was nicht zuletzt mit der anfänglichen Vermischung der Figuren Theo und Marius zusammenhing, denn ohne Theo wäre der „Pfefferminz-Prinz“ ziemlich ungehört verhallt.
Auch der Erfolg von Theo ist nicht vom Himmel gefallen, er begann ein paar Jährchen früher. Als 1977 der Regisseur Peter F. Bringmann und Drehbuchautor Matthias Seelig den ebenfalls recht erfolgreichen Fernsehfilm „Aufforderung zum Tanz“ drehten, waren die beiden Hauptfiguren schon vertreten:
Theo, der sich mit Pferdewetten, Kartenzockerei und krummen Dingern über Wasser hält, während sein italienischstämmiger Kumpel Enno (Guido Gagliardi) im Stahlwerk malochen geht. Beide teilen den Traum von einer Spedition – und bis sie den Lkw kaufen können, fehlen immer nur ein paar tausend Mark, die Theo mit hübscher Zuverlässigkeit („Sekt oder Selters“, „Letztes Rennen, da muss man noch mal pflastern“) wieder verliert, beim Hinterzimmer-Poker oder auf der Trabrennbahn Recklinghausen. Trotzdem bekommen beide am Ende den Lkw.
Genau mit diesem Volvo-Truck mit Fuchsschwanz setzt 1980 die fürs Kino gedreht Fortsetzung „Theo gegen den Rest der Welt“ ein. Theo wird an der Autobahn-Raststätte Stuckenbusch während einer Pinkelpause der geliebte Volvo gestohlen. Obwohl er hurtig über die Leitplanke springt, todesmutig die eng befahrenen Streifen überquert, kann er nur zusehen, wie das Fahrzeug entfleucht – woraufhin er die Schweizerin Ines (Claudia Demarmels) zur Verfolgungsjagd überredet („Jetzt bleibt uns nichts anderes mehr übrig, als Gas zu geben, bis der Motor kotzt“), zu der auch Enno stößt.
Zu den hübschen Absurditäten zählt, dass „Theo“ eine Ruhrgebietskomödie ist, die nur handgestoppte 15 Minuten lang im Revier verweilt und dann zum Roadmovie durch Belgien, Frankreich, die Schweiz und Italien wird. Das spielt aber keine Rolle, weil das Verhältnis zwischen Draufgänger Theo und dem bodenständigen Enno so gut funktioniert, dass man die Typen keiner anderen Region zuordnen mag.
„Theo gegen den Rest der Welt“: ein Ruhrgebiet, das es nicht mehr gibt
Mit „Theo“ (und noch stärker in der „Aufforderung zum Tanz“) wirft man einen Blick auf ein Ruhrgebiet und Europa, das es nicht mehr gibt: Viele der Industrieanlagen sind verschrottet oder zum Denkmal geworden. Grenzkontrollen? Passé. Der Grauschleier ist weggewaschen. Manches vom Humor ist gut gealtert, manch anderes könnte man heute nicht mehr so erzählen: Theo, der in einem Lütticher Rotlichtlokal von den Damen mit Namen begrüßt wird, weibliche Figuren mit dem einzigen Zweck, sich oben ohne zu zeigen, das Anschnorren eines kleinen Mädchens um zwei Mark – und die Rummelplatzschläger-Attitüde des Helden.
Erfrischend aber zu sehen, dass Ruhrpottkomödien wie „Bang Boom Bang“ hier gern zitieren. Denn dass Theo einen Finger einbüßt oder „was am Laufen“ hat, kommt einem doch bekannt vor.
Als beide Filme erschienen, verschmolz Westernhagen das freche Theo-Image mit seiner Musik – was man auch daran erkennen kann, dass das bereits 1978 veröffentlichte „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ zunächst nur bescheidenen Erfolg hatte, mit dem Erscheinen von „Theo“ zwei Jahre später aber Auftrieb erhielt – und langsam zur Party-Mitgrölhymne wurde. Ein paar Jahre blieb Westernhagen dabei, bevor aus dem pöbelnden Lederjacken-T-Shirt-Marius („Dicke“) der gefühlvolle Sänger („Freiheit“) wurde, den man bald als „Armani“-Rocker bezeichnete,bis er sich auf dem Höhepunkt des Erfolgs mit ausverkauften Stadion-Touren zeitweilig zurückzog…
Hinter den Musik-Erfolgen verblasste Theo im Laufe Zeit – auch weil die filmische Reise hier zu Ende war. Dabei deutet der offene Schluss der Story (Theo, Enno und Claudia fahren per Boot Richtung Marseille, um den Lkw zu finden) holzhammer-deutlich auf eine Fortsetzung. Die wurde aber nie gedreht. Und so bleibt uns von Theo nur ein vermeintlich tiefsinniges Zitat: „Das Schönste am Leben ist, dass es immer weitergeht.“
Weitere Texte aus dem Ressort Wochenende finden Sie hier:
- Psychologie: Warum sich Mädchen komplett überfordert fühlen
- Migration: Wie ein pensionierter Polizist im Problemviertel aufräumt
- Essener Roma-Familie über Klischee: „Wir sind keine Bettler“
- Familie: Hilfe, mein Kind beißt, schlägt, tritt andere!
- Generation Pause: „Man genießt, nicht den Druck zu haben“