Essen. Metro bietet Gastronomen KI an, um ihr Restaurant wirtschaftlicher zu machen. Warum Giovanni Mugiello aus Essen Artischocken von der Karte nahm.
Lange Zeit hatte Giovanni Mungiello selbst gemachte Pasta mit Artischocken auf der Speisekarte. Eine Analyse mit Künstlicher Intelligenz des Großhändlers Metro ergab, dass das Traditionsgericht in dem italienischen Restaurant in Essen-Kettwig längst nicht so gut lief, wie der Patron dachte. Seither sind die Artischocken gestrichen und die Wirtschaftlichkeit seines Speiseangebots hat sich verbessert.
Das „Casa Lodato da Giovanni“, das Mungiello seit vier Jahren als Geschäftsführer und davor vier Jahre als Chefkoch mitten im malerischen Dorf von Kettwig betreibt, ist eines von 300.000 in 16 Ländern, das Lösungen der Metro-Tochterfirma Hospitality Digital nutzt. Unter der Marke Dish entwickeln die rund 400 IT-Spezialisten, von denen 160 am Stammsitz in Düsseldorf sitzen, Angebote für Gastronomen – von der Gestaltung der Website bis hin zur automatisierten Kasse.
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„Corona war ein Beschleuniger für die Digitalisierung der Gastronomie. Seither sind deutlich mehr Restaurants online sichtbar – vor allem über Netzwerke wie Instagram und Tiktok“, sagt Volker Gläser, Geschäftsführer von Hospitality Digital. Facebook spiele nicht mehr eine so große Rolle. „Ganz wichtig ist, dass die Restaurants von Google gefunden werden“, meint Gläser.
Metro: Mit Tischreservierungen hat es begonnen
Die Auffindbarkeit der Restaurants im Internet ist aber nur ein Baustein auf dem Weg zur Digitalisierung der Gastronomie. Im Jahr 2015 mit gerade einmal 20 Leuten gestartet, begann die Metro-Tochter mit einem Buchungssystem. „Die Nachfrage nach einer Plattform für Tischreservierungen war sehr groß. Zumal Wettbewerbsprodukte sehr teuer sind und die Gastronomen bis zu 1000 Euro pro Jahr oder mehr kosten können“, erinnert sich der Geschäftsführer. Hospitality bietet es für rund 420 Euro jährlich an.
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Inzwischen umfasst „Dish“ eine ganze Reihe von Software-Hilfsmitteln, die den Gastronomen das Leben erleichtern sollen. Dabei kommt vor allem Künstliche Intelligenz zum Einsatz. „Wir sammeln eine Menge Daten. Dazu gehören 500.000 Rezepte für Speisen und 800.000 Menükarten“, schildert Gläser. Mit dieser Informationsfülle im Hintergrund analysieren seine Spezialisten, ob die Speisekarten der Restaurants noch den Wünschen der Gäste entsprechen und wie der Wareneinsatz wirtschaftlicher geplant werden kann.
Pasta-Gerichte über 20 Euro laufen nicht
„Über den Abgleich mit den Rezepten wissen wir, welche Zutaten für welche Gerichte gebraucht werden. Auf diese Weise können wir zeigen, wie eine Speisekarte profitabel wird“, erklärt Gläser. Das Angebot hat auch Giovanni Mungiello genutzt. „Die Analyse meiner Speisekarte ergab, dass bei den Fleischgerichten mehr Gewinn zu erzielen ist und dass Kunden Pasta-Gerichte über 20 Euro nicht bestellen werden“, berichtet er.
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Der Chef des „Casa Lodato“ hat die Reihenfolge von Tageskarte, Vor-, Haupt- und Nachspeisen verändert und damit die Lesbarkeit verbessert, aber auch zum Teil Preise erhöht, weil sie angesichts stark gestiegener Lebensmittelpreise nicht mehr wirtschaftlich waren. „Es gibt Renner und Penner auf der Speisekarte. Deshalb haben wir Fregola mit Artischocken gestrichen. Spaghetti mit Gambas gehen dagegen immer“, sagt der passionierte Koch.
Weniger Lebensmittel wegwerfen
Dank des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz, die ununterbrochen dazu lernt, soll in der Gastronomie der Wareneinsatz genauer gesteuert werden, um weniger Lebensmittel wegwerfen zu müssen. Hospitality-Chef Gläser schwebt vor, dass die Vorhersage von Sonnenschein und warmem Wetter für das Wochenende nicht nur Einfluss auf die Personalplanung im Biergarten nimmt. Mittelfristig soll mit diesen Informationen auch der Wareneinkauf beeinflusst werden.
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Die betriebswirtschaftlichen Erfolge seien für die Gastronomen schon jetzt erzielbar. „Restaurants können 30.000 Euro oder sogar mehr pro Jahr sparen, wenn sie Gerichte streichen, die nicht so gut laufen, die Preise an die tatsächlichen Kosten anpassen und möglichst wenig wegwerfen müssen“, meint Gläser und erinnert an das einst eherne Prinzip des „Deckungsbeitrags“. Es besagt, dass aus jedem eingesetzten Euro vier Euro werden müssen, um ein Restaurant wirtschaftlich zu betreiben. „Jetzt können Gastronomen spezifischer kalkulieren“, sagt der IT-Experte. Das Tool der Metro-Tochter, das Speisekarten optimieren soll, nutzt aktuelle Marktdaten und gleicht sie mit den tatsächlichen Kosten ab, die Gastronomen haben.
Fachkräftemangel auch im Casa Lodato da Giovanni
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Giovanni Mungiello ist von den Möglichkeiten der neuen KI-Welt durchaus angetan. Wenn sie nur auch ein anderes, fundamentales Problem lösen könnte – den Arbeitskräftemangel. „Die Mentalität der jungen Leute hat sich verändert. Sie wollen nicht mehr so viel arbeiten – vor allem am Wochenende“, klagt der Italiener. „Sie sind oft auch nicht mehr bereit, abends eine Stunde länger zu bleiben. Das ist eine große Herausforderung für uns Gastronomen.“