Mülheim. Aldi Süd baut sein Bio-Sortiment und setzt erstmals auch auf den höheren Naturland-Standard. Einkaufschef Erik Döbele zu Preisen und Plänen.
Aldi gilt ohnehin als der größte Biohändler in Deutschland. Nun kündigt der Mülheimer Discounter Aldi Süd an, sein Angebot mit ökologisch erzeugten Produkten mit der Eigenmarke „Nur Nur Natur“ noch weiter auszubauen und erstmals auch Artikel mit dem höheren Naturland-Zertifikat zu verkaufen. Im Interview spricht Einkaufschef Erik Döbele über Preise und erklärt, warum Aldi Süd nun auch auf naturbelassene Milch mit hohem Fettgehalt setzt.
Aldi bezeichnet sich selbst als den größten Bio-Händler in Deutschland. Wie viele Produkte umfasst das Sortiment aktuell?
Erik Döbele: Nachdem wir vor 18 Jahren das erste Bio-Produkt in die Regale gestellt haben, gibt es mittlerweile über das Jahr verteilt mehr als 550 Bio-Produkte bei uns. Und wir freuen uns, dass die Nachfrage unserer Kundinnen und Kunden so groß ist, dass Aldi Süd in seinem Vertriebsgebiet tatsächlich Bio-Händler Nummer eins ist.
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Wie stellt Aldi Süd angesichts dieser Größenordnung sicher, dass ausreichend Artikel produziert werden? Es heißt ja immer, die hohe Nachfrage sei schwer zu bedienen.
Döbele: Wir haben sehr enge, gute und langfristige Beziehungen mit unseren Lieferantinnen und Lieferanten. Das bedeutet konkret: Zusammenarbeit auf Augenhöhe, vertrauensvolle Beziehungen und Planungssicherheit. So sichern wir die Grundversorgung der Menschen – und das schon seit über 110 Jahren. Gleichzeitig schneiden wir nach einer branchenweiten Erhebung des Bundeskartellamts auch bei der Fairness gegenüber unseren Lieferantinnen und Lieferanten am besten ab.
Angesichts der hohen Inflation sind die Kunden besonders preissensitiv. Deshalb hat Aldi auch im vergangenen Jahr eine Eigenmarken-Kampagne aufgesetzt. Wie passt dazu die neue Bio-Eigenmarke? Denn Bio-Produkte sind vermutlich teurer.
Döbele: Unsere Kundinnen und Kunden, die ja ein repräsentativer Querschnitt durch unsere Gesellschaft sind, können sich bei uns immer darauf verlassen, dass sie gute Qualität zum besten Preis finden.
Unsere neue Bio-Eigenmarke „Nur Nur Natur” passt genau in dieses Gefüge, denn „Nur Nur Natur” ist Bio, das weiter geht und das finden sie nirgendwo zu diesem Preis. Aufgrund der Menge sowie unserer effizienten und schlanken Prozesse und Strukturen bekommen wir günstigere Einkaufspreise und diese geben wir an unsere Kundinnen und Kunden weiter.
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Wozu braucht es überhaupt eine neue Bio-Eigenmarke?
Döbele: Die Nachfrage nach sehr guten und leistbaren Bio-Produkten ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Wir sehen das als ein gutes Zeichen, denn wenn wir die Landwirtschaft in Deutschland langfristig transformieren und erhalten wollen und damit den Herausforderungen unserer Zeit begegnen, sind hohe Bio-Standards dafür ein wichtiger Meilenstein.
Bedeutet die neue Bio-Eigenmarke gleichzeitig eine Ausweitung des Sortiments?
Döbele: Grundsätzlich wollen wir unser Bio-Sortiment weiter ausbauen. Damit unterstützen wir auch das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 in Deutschland 30 Prozent Bio-Landwirtschaft zu haben. Es geht dabei aber weniger um eine Vergrößerung des Sortiments als um eine Ausweitung des Bio-Anteils im Sortiment – immer vor dem Hintergrund des Discount-Prinzips.
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Sie nehmen Naturland-zertifizierte Produkte ins Programm. Warum und welche?
Döbele: Die Zusammenarbeit mit Naturland ist der strategisch konsequente nächste Schritt für uns, denn eine Naturland-Zertifizierung geht in vielen Bereichen über den EU-Bio-Standard hinaus. Darum wollen wir bis Ende nächsten Jahres 25 Prozent unseres Bio-Sortiments auf Naturland-zertifizierte Produkte umstellen.
Worin unterscheiden sich die Qualitäten von Naturland und herkömmlichen Bio-Produkten von Aldi?
Döbele: Eines vorweg: Wenn Sie bei uns ein Bio-Produkt oder ein Naturland-Bio-Produkt kaufen, dann gilt uneingeschränkt, dass sie immer Qualität bekommen. Die Anforderungen von Naturland sind jedoch im Vergleich zum EU-Bio-Standard in Teilen noch umfassender. Darüber hinaus fördern wir mit Naturland auch die Artenvielfalt, denn jedes verkaufte Naturland-zertifizierte Bio-Produkt zahlt in einen Fördertopf ein. Und alle Naturland-Landwirtinnen und –Landwirte, die mehr für die Artenvielfalt tun, bekommen aus diesem Topf eine finanzielle Unterstützung.
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Wenn Aldi Naturland-Produkte verkauft, kann man das als Angriff auf Bio-Supermärkte werten, die angesichts der hohen Inflation gerade unter Druck stehen. Ist das Ihre Absicht?
Döbele: Nein. Wir entwickeln uns mit unseren Kundinnen und Kunden weiter und bleiben dabei immer unserem Discount-Prinzip treu. Unsere Mission ist es, dass eine gute Ernährung für alle leistbar ist. Naturland ist dabei ein unverzichtbarer Partner für uns.
Was ist das Besondere an nicht homogenisierter Milch, die Aldi Süd jetzt ins Kühlregal stellen will?
Döbele: Die Milch von „Nur Nur Natur“ ist so naturbelassen wie nur möglich und hat einen Fettgehalt von mindestens 3,8 Prozent. Wir setzen bewusst darauf, dass sie nicht mit Druck behandelt, also homogenisiert wird. Dafür ist sie traditionell pasteurisiert. Diese schonende Verarbeitung garantiert einen vollen und ursprünglichen Geschmack, den ich persönlich sehr mag. Man könnte auch sagen: Die Milch wird so verarbeitet, wie es Landwirtinnen und Landwirte zur Zeit unserer Großeltern schon getan haben. Damals wie heute muss man die „Nur Nur Natur Milch” deswegen gut schütteln, bevor man sie trinkt. Preislich liegt sie bei 1,49 Euro für einen Liter.
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Verbraucherschützer warfen zuletzt Ihrem Wettbewerber Lidl vor, dass sich das Bioland-Siegel kaum vom eigenen Bio-Label unterscheidet. Wie stellt Aldi Süd sicher, dass sich die Kunden ordentlich informieren können?
Döbele: Eine transparente Kommunikation ist für uns sehr wichtig. Man findet auf unseren Bio-Produkten das EU-Bio-Siegel und/oder das Naturland-Siegel. Alle Infos zu den Siegeln kann man auf unserer Webseite nachlesen.
Gelten die Ankündigungen nur für Aldi Süd, oder auch für Aldi Nord? Wenn nicht: Warum nicht?
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Döbele: „Nur Nur Natur” wird in allen rund 2000 Aldi Süd Filialen erhältlich sein..
>>> Auch Lidl und Penny setzen auf Bio
Auch der Discounter Penny will sein Sortiment mit Biolebensmitteln ausbauen. Die Tochter der Kölner Rewe-Gruppe kündigte im Februar an, neben der Eigenmarke Naturgut mit rund 300 Bio-Artikeln im Laufe des Jahres bis zu drei Dutzend Naturland-Artikel ins Programm zu nehmen.
Der Aldi-Rivale Lidl plant, dass bis zum Jahr 2025 Bio- und Bioland-Artikel zehn Prozent des Gesamtsortiments ausmachen. Aktuell seien in allen rund 3.200 Lidl-Filialen mehr als 100 Bioland-Produkte erhältlich.
Netto setzt auf die Eigenmarke Bio Bio und die „exklusive Biofachmarke“ Naturkind, die den höheren Bio-Zertifizierungen näher kommt. Bis zu 400 Artikel groß sei das Sortiment, heißt es bei Netto.