Duisburg. Haniel will nicht trotz, sondern mit Nachhaltigkeit Geld verdienen. Innovationschef Berger sieht in der Transformation Chancen für Start-ups.
Für das Duisburger Beteiligungsunternehmen Haniel (Media Markt/Saturn, CWS, Bauwatch, Bekaert Deslee, Emma, Takkt) lotet der frühere Thyssenkrupp-Manager Axel Berger Innovationen und nachhaltige Trends aus. Im Interview erklärt er, warum darin eine große Chance für Start-ups liegt. Berger mahnt Unternehmen und Verbraucher aber auch dazu, rasch mehr für den Klimaschutz tun als bisher. Sonst drohe noch mehr Regulierung als das Heizungsgesetz.
Herr Berger, Haniel hat einmal selbst Steinkohlebergwerke betrieben und mit Öl gehandelt. Jetzt will Haniel nur noch in nachhaltige Unternehmen investieren. Wie passt das zusammen?
Axel Berger: Haniel ist 267 Jahre alt geworden, weil sich das Unternehmen immer wieder neu erfunden und stets auch für zukünftige Generationen gewirtschaftet hat. Diese Tradition setzen wir fort: Wir wollen enkelfähig sein. Das bedeutet in der heutigen Zeit, mit und durch Nachhaltigkeit Geld zu verdienen. Wir wollen Wertschöpfung im Einklang von Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung betreiben.
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Was bedeutet „enkelfähig“ für Sie persönlich?
Berger: Enkelfähig ist eine Haltung, die jeder einnehmen kann. Für mich bedeutet es, das eigene Tun so auszurichten, dass es nicht zu Lasten der nächsten Generationen geht. Als Investment-Unternehmen haben wir zwei Hebel. Wir können Firmen kaufen und sie nachhaltiger machen. Oder wir kaufen nachhaltige Firmen und helfen Ihnen zu wachsen.
Die aktuelle Debatte um das Heizungsgesetz oder die Umstellung auf Elektromotoren zeigt aber, dass Nachhaltigkeit nicht nur auf Verständnis in der Öffentlichkeit stößt.
Berger: Die Menschen suchen nach Lösungen, die möglichst einfach und kostengünstig sind. Das ist zunächst verständlich. Hier können Unternehmen einen großen Beitrag leisten, indem sie echte Probleme von Kunden und Konsumenten lösen – mit guten Produkten und Angeboten, die eben auch nachhaltig sind. Aber wir müssen auch ehrlich sein und einsehen: Wir haben unsere Klimaziele bislang schlichtweg nicht erreicht. Deshalb müssen wir rasch unser eigenes Verhalten ändern, um die Umwelt und das Klima zu schützen, denn sonst wird das die Regulierung für uns tun. Dafür braucht es aber auch eine Debatte, die auf Daten und Fakten basiert und weniger auf Emotionen, damit wir das beste Ergebnis für die Wirtschaft, die Umwelt und die Menschen erzielen können.
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Es geht aber auch um die Finanzierbarkeit.
Berger: Ja, wir müssen uns darauf einstellen, dass E-Autos, Wärmepumpen und unverpackte Lebensmittel zunächst einmal teurer sind. Verbraucher sind aber oft nicht in der Lage oder auch nicht willens, die höheren Preise zu bezahlen. Deshalb bedeutet der Weg zu mehr Nachhaltigkeit auch oft sozialen Ausgleich. Die wichtigste Botschaft ist aber, dass wir lernen Nachhaltigkeit als Chance zu verstehen. Als Chance sehen wir neue Märkte, neue Produkte und langfristige Profitabilität, denn dadurch können und werden nachhaltige Lösungen schneller skalierbar, damit kostengünstiger und auch finanzierbar.“
Fällt es Ihnen persönlich leicht, stets nachhaltig zu leben?
Berger: Nein, tut es nicht. Meine Schwachstelle sind Reisen. Meine Familie und ich wollen unseren Horizont erweitern, andere Kulturen und Orte kennenlernen. Doch dazu müssen wir gegebenenfalls auch fliegen, und das ist aktuell natürlich überhaupt nicht klimafreundlich. Verzicht fällt uns aber genauso schwer wie jedermann. Deshalb versuchen wir bewusst damit umzugehen und suchen nach Kompromissen, fliegen weniger, nicht mehr so weit und kompensieren alle unsere Flüge.
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Bedeutet die Suche nach nachhaltigen Lösungen eine Chance für junge Menschen, die Ihre Selbstständigkeit planen?
Berger: Unternehmen, die sich der Transformation nicht stellen, werden einen Nachteil haben. Meiner Erfahrung nach haben viele Start-ups das bereits verstanden und denken das Thema Nachhaltigkeit bei der Aufstellung ihres Businessplans von vornherein mit. Zum Beispiel werden die Energiepreise tendenziell weiter steigen, weshalb Unternehmen ihre Ressourcen effizienter einsetzen müssen. Das ist eine große Chance für Start-ups, die das von Anfang berücksichtigen oder sogar ein neues Geschäftsmodell darauf aufbauen.
Woran denken Sie konkret?
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Berger: Viele Probleme unserer Zeit können wir nur mit neuen Technologien lösen. Damit kann man dann auch Geld verdienen. Es entstehen ganz neue Märkte für Start-ups wie der Handel mit CO2-Zertifikaten, die CO2-Abscheidung oder Software, die den CO2-Fußabdruck bemisst. Es entsteht auch die Nachfrage für neue Produkte, die klimafreundlicher sind, gerade bei Unternehmen, die sich eigene Ziele gesetzt haben. Die Industrie ist bei diesen Themen aber immer noch ein bisschen blind. Der Druck wird aber steigen – durch die wachsende Regulierung, aber auch durch Konsumenten und Unternehmen, die nachhaltige Produkte kaufen wollen.
>>> Axel Berger beim Ruhrsummit
Nach Stationen bei Saint-Gobain und Thyssenkrupp Materials Services heuerte Axel Berger im Jahr 2020 beim Duisburger Familienunternehmen Haniel an. Dort verantwortet er die Zukunftsthemen Nachhaltigkeit und Innovationen.
Beim Gründerkongress Ruhrsummit am 13. Juni in der Bochumer Jahrhunderthalle wird Berger um 13.45 Uhr zum Thema „Enkelfähig – Unternehmertum im 21. Jahrhundert“ sprechen. https://ruhrsummit.de/