Essen. Ruhrgebiet will nicht länger als „Metropole Ruhr“ für sich werben. Die Wahl der neuen Marke überrascht. Wen die Plakate ansprechen sollen.
Seit sieben Jahren nennt sich das Ruhrgebiet beharrlich „Metropole Ruhr“. Nun soll der Ballungsraum zwischen Hamm und Wesel mit seinen 5,2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern erneut marketingtechnisch umgetauft werden: Geht es nach dem Regionalverband Ruhr und seiner neuen Standort-Kampagne, heißt das Ruhrgebiet nun wieder Ruhrgebiet - mit dem Untertitel „grüne Industrieregion“. Die neuen Plakate und Videos in den sozialen Netzwerken sollen vor allem eines bewirken: junge Fachkräfte ins Ruhrgebiet locken.
Als Garrelt Duin im Frühjahr sein neues Amt als Regionaldirektor antrat, machte er keinen Hehl daraus, dass ihm der Begriff Metropole Ruhr nicht behagte. „Metropole Ruhr ist ein künstlicher Begriff. Kein Mensch aus dem Ruhrgebiet sagt, er komme aus der Metropole Ruhr“, sagt der ehemalige NRW-Wirtschaftsminister im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich habe den Begriff Metropole Ruhr immer als eine Art Entschuldigung wahrgenommen, weil man Scheu hatte, den Begriff Ruhrgebiet in den Mund zu nehmen“, meint der RVR-Chef. „Das Gegenteil ist aber der Fall: Das Ruhrgebiet hat überhaupt keinen Grund sich zu schämen.“
Der Zufall wollte es, dass in diesem Jahr ohnehin die Ausschreibung für eine neue Standort-Kampagne anstand. Aus den zahlreichen Konzepten, die Agenturen beim Regionalverband Ruhr einreichten, wählte die Jury den Entwurf von Scholz & Friends aus. „Einvernehmlich“, so Duin, habe man sich auf deren Slogan-Idee „Ruhrgebiet – die grüne Industrieregion“ geeinigt. Und um mehr Gefühl in die Kampagne zu bringen, bedienen sich die Medienprofis sogar bei Herbert Grönemeyer.
„Hier bleibt alles anders“ lehnt sich an den Titel „Bleibt alles anders“ des aus Bochum stammenden Rockmusikers an. Das Einverständnis habe man sich bei Grönemeyer eingeholt, heißt es beim RVR. Der Star hatte zuletzt Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) untersagt, seinen Song „Zeit, dass sich was dreht“ zu summen. Zuvor hatte bereits die CDU Ärger mit Grönemeyer, die einen seiner Songs in einem Video verwendete.
Die „Metropole Ruhr“ hat also nach sieben Jahren ausgedient. Sukzessive soll der Schriftzug auch von den braunen Autobahn-Schildern verschwinden. Am Donnerstag Nachmittag wurde an der Zentrale des Wohnungsunternehmens Vivawest im Gelsenkirchener Nordstern-Park feierlich das erste Plakat mit der neuen Botschaft enthüllt. Der Verzicht auf den Begriff bedeute nicht, dass sich das Ruhrgebiet von dem Anspruch verabschiede, eine Metropole zu sein, unterstreicht Duin auf Nachfrage. „Das will die Marketing-Kampagne überhaupt nicht in Abrede stellen. Wir bleiben auch Revier und im Ausland The Ruhrgebiet.“
Viel wichtiger ist dem RVR-Direktor die ökonomische und ökologische Botschaft, die hinter dem neuen Leitspruch steht. „Wir wollen wirklich grünste Industrieregion Europas werden. Insofern ist es kein Etikettenschwindel, wenn wir uns schon jetzt als grüne Industrieregion bezeichnen“, meint Duin. „Wie oft hören wir den Spruch von Auswärtigen ,Boah, ist das grün hier‘“. Die neue Kampagne solle zudem unterstreichen, dass das Ruhrgebiet Industrieregion bleiben wollen, auch wenn es gemessen an der industriellen Wertschöpfung in NRW hinter Süd- und Ostwestfalen zurückgefallen sei.
Das Bekenntnis zur grünen Industrieregion komme zur rechten Zeit. „Ja, der Hochlauf der Wasserstoff-Wirtschaft ist aktuell gefährdet. Das macht uns Sorgen. Wir sind aber zur Transformation fest entschlossen“, meint Duin. Beim Ausbau der Kreislauf- und Umweltwirtschaft und der Erneuerbaren Energien mache das Ruhrgebiet gute Fortschritte. Diese Botschaft wolle man in den Sozialen Netzwerken herüberbringen, aber auch auf Citylight-Postern in Großstädten wie Frankfurt am Main, Stuttgart, München und Berlin.
Mit jungen Menschen auf den Plakaten und coolen Sprüchen wie „Malochen? Hier bleibt alles anders“ will sich der RVR aber auch einem ganz anderen Thema widmen: „Größtes Ziel unserer neuen Kampagne ist es, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Wir wollen junge Leute mit einem Augenzwinkern anlocken und für das Ruhrgebiet begeistern“, sagt sein Direktor. Currywurst und Schrebergarten seien immer noch Phänomene, die Auswärtige zu allererst mit dem Revier in Verbindung brächten. „Beides gehört zur Identität des Ruhrgebiets“, so Duin. Currywurst und Schrebergarten würden nun aber neu interpretiert.
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