Düsseldorf. Bilfinger-Chef Thomas Schulz zeigt sich in Düsseldorf in Sorge um die deutsche Wirtschaft. Ein Unglück in den USA belastet Bilfinger.

Der Chef des Industrie-Dienstleisters Bilfinger, Thomas Schulz, zeigt sich besorgt um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft und den Wohlstand im Land. „Die Zeichen stehen auf Sturm für die deutsche Industrie und für die deutsche Wirtschaft“, sagt Schulz vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) in Düsseldorf. Mit mehr als 30.000 Beschäftigten ist das Mannheimer Traditionsunternehmen Bilfinger in unterschiedlichen Schlüsselbranchen aktiv, insbesondere bei Geschäften rund um Energie, Öl und Gas, Chemie oder Pharma sowie Lebensmittel. Rund 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat Bilfinger in Deutschland, ein Viertel davon in NRW – mit Standorten in Ruhrgebietsstädten wie Essen, Herne und Oberhausen.

Thomas Schulz, der seit Frühjahr 2022 den Bilfinger-Konzern führt, hat lange Zeit als Manager in Skandinavien gearbeitet und zuletzt neun Jahre in Dänemark gelebt. „Ich habe ein Land verlassen, wo Probleme gelöst wurden“, sagt er. Zurückgekehrt sei er in ein Land, in dem es weit verbreitet sei, um ein Problem „herumzufliegen“. Oft denke er: „Da bleibt einem wirklich die Spucke weg.“ Dass viel geredet, aber wenig gehandelt werde, lähme die heimische Industrie. Es gebe zwar „Wirtschaftsgipfel“, die der Bilfinger-Chef als „Strohfeuer-Meetings“ bezeichnet, doch es fehle eine Dynamik, die das Land voranbringe.

Erfahrungen aus Skandinavien prägen Blick auf Deutschland

Schulz ist ein gebürtiger Saarländer, der Bergbau studiert hat. Sein beruflicher Werdegang ist indes von Stationen im Ausland geprägt. Fast zehn Jahre lang hat Schulz als Chef beim dänischen Konzern FLSchmidth in Kopenhagen gearbeitet. Unter der Führung des heutigen Bilfinger-Chefs haben die Dänen auch die Bergbausparte von Thyssenkrupp übernommen. Zu den wichtigen Märkten für Bilfinger gehören neben Europa vor allem Nordamerika und der Mittlere Osten.

Bilfinger-Chef Thomas Schulz: „Ich kann jedem nur empfehlen: Wenn Sie noch nicht in Saudi-Arabien waren, fahren Sie mal hin und schauen Sie, was in diesem Land passiert.“
Bilfinger-Chef Thomas Schulz: „Ich kann jedem nur empfehlen: Wenn Sie noch nicht in Saudi-Arabien waren, fahren Sie mal hin und schauen Sie, was in diesem Land passiert.“ © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Wir stehen in einem Wettbewerb der Länder“, konstatiert Schulz. In relevanten internationalen Rankings sei Deutschland „in den letzten Jahren, insbesondere in den letzten zwei Jahren nach unten durchgereicht worden“, bemerkt der Manager. Deutschlands Energiepreis-Niveau hinterlasse Spuren, auch eine überbordende Bürokratie wirke sich negativ aus. Die Bundesrepublik drohe bei anstehenden Investitionsentscheidungen leer auszugehen. In der Industrie gehe es oft um Anlagen, die 20 oder 30 Jahre laufen sollen. Bei einer Ansiedlung außerhalb von Deutschland habe dies langfristige Folgen. „Was entschieden ist, ist weg“, mahnt Schulz. „Dann kommt das nicht wieder.“ Eine De-Industrialisierung vollziehe sich „nicht mit einem großen Wumms“, sondern schleichend.

Im Mittleren Osten und in den USA sehe er eine Entwicklung, die sich von der Situation in Deutschland stark unterscheide, erzählt der Bilfinger-Chef. „Ich kann jedem nur empfehlen: Wenn Sie noch nicht in Saudi-Arabien waren, fahren Sie mal hin und schauen Sie, was in diesem Land passiert“, sagt Schulz. „Fahren Sie auch mal nach Texas in den USA. An jeder Ecke wird gebaut. Da sind Kräne überall.“

Bilfinger-Chef: „Da wird’s mir angst und bange“

Hunderttausende Arbeitsplätze gebe es in der energieintensiven Industrie in Deutschland, betont Schulz. „Ich finde es schockierend, wenn Politiker einfach im Nebensatz sagen: Da wollen wir nicht drinbleiben.“ Es sei ein Fehler zu meinen: „Ich stelle eine Industrie komplett ab, weil ich in zehn, 15 Jahren etwas anderes habe. Das funktioniert nun mal nicht in der Wirtschaft.“ Wenn gesagt werde, die Energiepreise in Deutschland seien bereits „runtergegangen“, so Schulz, „dann graust es mir, wer da in Ministerien sitzt und kein wirtschaftliches Verständnis hat. Da wird’s mir angst und bange.“

Der Ausbau der erneuerbaren Energien sei das richtige Ziel, urteilt der Bilfinger-Chef. Aber es sei „der falsche Weg“, ohne eine „Jetzt-Lösung“, die wirtschaftlich und gesellschaftlich tragfähig sei, „den Leuten Angst zu machen“ mit der Botschaft: „Wir werden alle unter dem Klimawandel untergehen.“

„Wir müssen auch an der Außenwahrnehmung Deutschlands arbeiten“

Er nehme wahr, dass der Blick vom Ausland auf Deutschland mittlerweile vielfach negativ sei.  Entsprechende Äußerungen von Kunden höre er, berichtet Schulz. „Wir müssen also auch an der Außenwahrnehmung Deutschlands arbeiten.“ Schließlich sei dieser Faktor „extrem wichtig“ für internationale Investitionen. Er selbst spüre „eine Bevormundung“ in Deutschland – „in einer Art und Weise“, wie er sie bislang in keinem Land, in dem er gelebt habe, wahrgenommen habe.

Aus Sicht der Wirtschaft biete die aktuelle Lage in Deutschland durchaus Potenzial, sagt der Bilfinger-Chef. Es müsse darum gehen, Investoren anzulocken und ihnen Geschäftsperspektiven aufzuzeigen. „Hier haben wir ja Bedarf“, sagt der Bilfinger-Chef. Er wolle also kein „End-Szenario“ skizzieren, sondern hoffe auf einen Umschwung. „Wir haben alles in unserer Hand, um das Ruder wieder in eine andere Richtung zu bringen“, urteilt Schulz. Entscheidend sei dabei eine Politik, die es Unternehmen „leichter macht“ als bisher.

Bilfinger nach Unglück in den USA unter Druck

Angesichts einer Tragödie mit sieben Toten in den USA steht Bilfinger allerdings auch selbst unter Druck. Denn der deutsche Konzern war eigenen Angaben zufolge der Generalunternehmer beim Bau eines Fähranlegers auf der Insel Sapelo im Bundesstaat Georgia, der am 19. Oktober eingestürzt ist. „Der Schock sitzt natürlich sehr tief“, sagt Bilfinger-Chef Schulz vor der WPV in Düsseldorf. „Da kann man nicht zur Tagesordnung übergehen.“ Sogar US-Präsident Joe Biden äußerte sich zu dem Unglück und zeigte sich erschüttert.

Was zu dem Zusammenbruch des Fähranlegers geführt habe, sei noch unklar, sagt Bilfinger-Chef Schulz. Zugleich verspricht er ein transparentes Vorgehen seines Unternehmens. „Das wird komplett durchanalysiert mit allem Drum und Dran.“ Vermutlich angesichts von möglichen Schadenersatz-Forderungen stürzte die Bilfinger-Aktie nach Bekanntwerden der Generalunternehmer-Rolle des deutschen Konzerns ab. „Es muss erstmal analysiert werden: Was ist eigentlich passiert?“, sagt Schulz. Nur so lasse sich die Unsicherheit von Investoren beseitigen. „Wir sind da transparent, wie man nur sein kann.“

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