Essen. In NRW sind erneut Plätze in Pflegeheimen und bei ambulanten Diensten weggefallen. Doch der Trend lässt aufatmen.
Aktuelle Zahlen des Landesgesundheitsamts lassen hoffen: Die Pleitewelle in der Pflege ebbt derzeit ab. Wie aus einer Antwort des NRW-Gesundheitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der SPD hervorgeht, haben 20 Pflegeheime und ambulante Dienste im ersten Halbjahr 2024 eine Insolvenz angemeldet - zwölf im ersten Quartal und acht im zweiten. Im ersten Halbjahr des Vorjahres gab es mit 73 Insolvenzmeldungen noch fast viermal so viele Pleiten in der stark unter Druck stehenden Branche.
Durch die Pleiten sind in diesem Jahr bislang 138 Pflegeplätze in Heimen und Tagespflegen weggebrochen - bei landesweit rund 200.000 Plätzen in etwa 3100 voll- und teilstationären Einrichtungen. Die größten Verluste fallen in die ersten drei Monate des Jahres.
Zahlen zu ambulanten Diensten nennt das Ministerium nicht. Es betont aber, dass in der ganz überwiegenden Zahl der Insolvenzmeldungen Angebote nicht geschlossen worden seien. Einrichtungen seien vielmehr von anderen Betreibern übernommen und so weitergeführt worden.
Ein Grund für die aktuelle Erholung ist nach Darstellung der Arbeitgeber, dass die Pflegekassen ihre Aktenberge offenbar abarbeiten. „Es wurden endlich neue Vergütungsvereinbarungen mit den Pflegekassen geschlossen“, sagt Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege. „Das hat die Situation vieler Betriebe nach Monaten der wirtschaftlichen Nöte vorerst beruhigt.“
Weniger Insolvenzen in der Pflege: Versicherungen haben Verhandlungen beschleunigt
Jedes Jahr verhandeln die Einrichtungen mit den Kassen darüber, wie viel Geld sie für die Pflege erhalten. Das geriet ins Stocken, auch weil den Kassen Personal fehlte - ausgerechnet in einer Zeit, in der Kosten durch höhere Tariflöhne sowie Preise für Energie und Dienstleistungen gestiegen sind. Auch Zahlungen der Sozialämter ließen nach Darstellung vieler Betriebe länger auf sich warten. In der Folge mussten Firmen Mehrkosten monatelang aus eigener Tasche überbrücken. „Gerade kleine und mittelständische Unternehmen können das nicht lange tun und sind so schnell in Schieflage gekommen“, so Halletz.
Pflegekassen hätten das Verfahren beschleunigt, indem sie pauschal höhere Sätze angeboten hatten - das hätten viele angenommen.
Personalmangel zwingt Heime zum Bettenabbau
Gebannt sei die wirtschaftliche Not deshalb aber noch lange nicht. Halletz betont, dass Unternehmen in Schieflage lange versuchten, allein aus der Misere zu kommen. „Der Insolvenzantrag ist der letzte Schritt.“ Nur weil die Meldungen in NRW derzeit rückläufig seien, heiße das nicht, dass es den Betrieben rosig gehe. Noch immer fehle das Personal in den Pflegekassen, noch immer gebe es Fälle, in denen Einrichtungen 18 Monate auf den Abschluss der Pflegesatzverhandlungen warteten, so Halletz.
Ebenso wenig gelöst seien die Arbeitskräftesorgen in der Pflege. Weil Personal fehlt, bleiben Heimbetten vielfach weiterhin unbelegt - damit fehlen den Heimen Einnahmen, während Betriebskosten weiter gezahlt werden müssen. Nötig seien flexiblere Lösungen, etwa Vorhaltepauschalen für leerstehende Betten, so Halletz.
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