Essen. Gegen das Votum der Landesregierung erhielt Lottoland die Zulassung für Deutschland. Das sind die Vorwürfe und darum bangen Vereine um ihr Geld.

Auf den deutschen Glücksspielmarkt drängt ein neuer Anbieter. Nachdem die Lottoland Deutschland GmbH im März eine Lizenz erhalten hat, will das Unternehmen ab dem kommenden Jahr auch staatliche Lotterien wie 6 aus 49 vermitteln. Anbieter wie Westlotto, aber auch die NRW-Landesregierung und der Landessportbund als Nutznießer von Ausschüttungen üben scharfe Kritik an der Zulassung von Lottoland.

Das Spiel mit dem Glück ist in Deutschland eigentlich klar geregelt. Das bisherige Monopol der staatlichen Lotterien wie Westlotto in Nordrhein-Westfalen wurde im Jahr 2021 aufgeweicht. Der seinerzeit novellierte Staatsvertrag sieht vor, dass bisher illegale Glücksspiele im Internet wie Poker und Automatenspiele unter Auflagen zugelassen werden können. Schwerwiegendste Bedingung ist der Schutz vor Spielsucht.

Lottoland-Gruppe wurde 2013 in Gibraltar gegründet

Die Lottoland-Gruppe, 2013 in Gibraltar gegründet, hat bereits 2017 Anträge gestellt, in Deutschland sogenannte Zweitlotterien anbieten zu können. Dabei wetten Spieler auf den Ausgang unterschiedlicher nationaler und internationaler Lotterien. Die Bundesländer hätten die Anträge aber „ignoriert“, teilt Lottoland auf Anfrage mit.

Um dennoch auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen, gründete man offenbar unabhängig von der Lottoland-Gruppe in Malta die Lottoland Deutschland GmbH. Sie will als „Vermittler staatlicher Lotterien“ tätig werden, wie Geschäftsführer Magnus von Zitzewitz im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt. Das heißt: Über die Online-Plattform von Lottoland sollen Verbraucher 6 aus 49, Spiel 77 oder Glücksspirale spielen können. „Vermittler erhalten von den Lottogesellschaften je nach Bundesland eine Vergütung in Höhe von sechs bis sieben Prozent, wie die Lotto-Annahmestellen“, so von Zitzewitz. So weit ist es aber noch nicht. Der Geschäftsführer muss erst einmal mit den 16 Landeslottogesellschaften über technische Schnittstellen reden.

Glücksspielbehörde der Länder gibt Lottoland Lizenz

Den Deal möglich gemacht hat die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) in Halle. In dessen Aufsichtsgremium, dem Verwaltungsrat, sitzen Vertreter aller 16 Bundesländer. Im März hatte die GGL eine entsprechende Erlaubnis für Lottoland erteilt. Dabei scheint sich die Behörde selbst nicht so ganz wohl gefühlt haben. Man habe überprüft, ob „die Lottoland Deutschland GmbH mit der Lottoland-Holdings Ltd, welche mittels verschiedener Unternehmen auf den Seiten lottohelden.de und lottoland.com illegales Glücksspiel anbietet, rechtlich verbunden ist und hierdurch sich die Unzuverlässigkeit der Lottoland-Gruppe zurechnen lassen muss“.

Magnus von Zitzewitz ist Geschäftsführer von Lottland Deutschland. Zuvor gehörte er zu den Mitgründern von Lotto 24 und war unter anderem für die Mediengruppe ProSiebenSat1 tätig.
Magnus von Zitzewitz ist Geschäftsführer von Lottland Deutschland. Zuvor gehörte er zu den Mitgründern von Lotto 24 und war unter anderem für die Mediengruppe ProSiebenSat1 tätig. © Lottoland | Lottoland

Dafür habe man „keine gerichtsfesten Nachweise“ gefunden, sagt GGL-Sprecherin Franciska Quaiser unserer Redaktion und fügt hinzu: „Natürlich ist der GGL die Sensibilität dieser Entscheidung, insbesondere vor dem Hintergrund des gleichen Namensbestandteils „Lottoland“, bewusst.“ Die Behörde werde „fortwährend im Rahmen der Aufsicht eine etwaige Verbundenheit“ prüfen.

Wie die GGL die versprochene Kontrolle auszuüben gedenkt, will das NRW-Innenministerium nun von der Einrichtung in Halle an der Saale genauer wissen. Dazu habe Staatssekretärin Daniela Lesmeister eine Anfrage gestellt, teilte das Ministerium auf Anfrage unserer Redaktion mit. Die ehemalige Duisburger Rechtsdezernentin sitzt im Verwaltungsrat der Glücksspielbehörde und hat dort nach Informationen aus Länderkreisen als einziges Mitglied gegen die Lizenzerteilung für Lottoland gestimmt. Das NRW-Innenministerium hat dem Vernehmen nach Zweifel an der Eigenständigkeit der Lottoland Deutschland GmbH.

Westlotto: „Wehren uns gegen Fälschungen und Nachahmungen“

Weniger überraschend fällt die massive Kritik der staatlichen Westlotto GmbH aus. „Wir wehren uns gegen Fälschungen und Nachahmungen beim Glücksspiel, wie sie die Lottoland-Gruppe auch in Deutschland illegal anbietet. Solange Lottoland Deutschland und Lottoland-Gruppe unter einem Namen auftreten, können die Verbraucher beide Unternehmen nur schwer unterscheiden“, sagt Westlotto-Sprecher Axel Weber.

Trotz aller Kritik und Sorgen aus NRW ist der deutsche Ableger der Lottoland-Gruppe nun aber in die sogenannte Whitelist aller in Deutschland zugelassenen Glücksspiel-Anbieter aufgenommen. Auf 29 Seiten sind hier in einer Vielzahl von Tabellen unzählige Namen und Adressen aufgelistet. Wer Lottoland sucht, muss bis zur Seite zwölf scrollen.

Lottoland klagt gegen das deutsche Lotto-Monopol

Lottoland ist erst einmal zufrieden mit der Zulassung der Deutschland GmbH. Die international tätige Holding in Malta will aber mehr. „Die Lottoland-Gruppe hat lediglich eine Option, die Lottoland Deutschland GmbH zu übernehmen. Ich gehe davon aus, dass diese Option in einigen Jahren ausgeübt wird“, sagt Deutschlandchef von Zitzewitz. Bis dahin plant das Unternehmen nichts weniger, als das Monopol staatlicher Lotterien in Deutschland zu kippen. „Diese Regulierung ist offensichtlich europa- und verfassungsrechtswidrig“, erklärt Sprecherin Laura Pearson und beruft sich auf eine umfangreiche rechtswissenschaftliche Untersuchung  der Juristin Lisa Deckers, die sie im Rahmen ihrer Dissertation an der Ruhr-Universität Bochum im vergangenen Jahr veröffentlichte.

Die Lottoland-Gruppe hatte nach eigenen Angaben bereits im Jahr 2022 in allen Bundesländern Anträge auf die Erteilung von Zweit- und Primärlotterieerlaubnissen gestellt. Diese seien aber von den Landesregierungen „ignoriert“ worden. Daraufhin habe man 2023 in allen Bundesländern Klage eingereicht. Doch nicht nur das. Auf Betreiben Maltas befasse sich inzwischen auch der Europäische Gerichtshof mit dem Zweitlotterie-Verbots und dem Lotterie-Monopol in Deutschland.

40 Prozent der Westlotto-Einnahmen gehen an Vereine und Wohlfahrt

Von der Vormachtstellung der staatlichen Lotterie-Anbieter profitieren in der Tat vor allem die Bundesländer, aber auch Vereine, Verbände und soziale Einrichtungen. Laut Staatsvertrag fließen in NRW 40 Prozent des Jahresumsatzes von Westlotto über das Land in Wohlfahrt, Sport, Kunst, Kultur, Umwelt- und Denkmalschutz. Das waren im vergangenen Jahr rund 700 Millionen Euro. „Seit der Gründung von Westlotto im Jahr 1950 haben wir inzwischen die Zahl von 30 Milliarden Euro überschritten“, sagte Westlotto-Chef Andreas Kötter im vergangenen Jahr im Gespräch mit unserer Redaktion.

Andreas Kötter ist Geschäftsführer des staatlichen Lotterieanbieters Westlotto.
Andreas Kötter ist Geschäftsführer des staatlichen Lotterieanbieters Westlotto. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Angesichts des Vormarsches von Lottoland sieht der Landessportbund NRW mit seinen 5,3 Millionen Mitgliedern diese hohen Ausschüttungen in Gefahr. „Wir sind größter Destinär des Wettpools und unabdingbar auf diese Mittel angewiesen“, schreibt Sportbundchef Christoph Niessen in einem Brandbrief an NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Deshalb nehme der „größte gemeinwohlorientierte Akteur“ in NRW „mit Unverständnis“ zur Kenntnis, dass Lottoland eine Lizenz erhalten habe. Sie treibe „die Verbraucher über Lottoland Deutschland zu illegalen Angeboten“. Niessen: „Die Verbraucher werden in die Irre geführt.“ Nun könne Lottoland „legal Werbung für illegale Angebote“ machen. Der Chef des NRW-Sportbundes: „Das alles geht zu Lasten der legalen Anbieter, damit auch der staatlichen Lotteriegesellschaften wie Westlotto und damit letztlich auch zu Lasten der gemeinwohlorientierten Destinäre.“

NRW-Innenministerium: Aus für Lottomonopol hätte unabsehbare Konsequenzen

Die Gefahren sieht auch die Landesregierung. Eine Beendigung des staatlichen Lottomonopols hätte nach Einschätzung des NRW-Innenministeriums „vielfältige Konsequenzen in verschiedenen Bereichen, die sich zum Teil noch gar nicht abschätzen lassen“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. „So besteht beispielsweise für die staatlichen Lottogesellschaften eine Verpflichtung, Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen und Institutionen zu leisten. Eine Verpflichtung für private Anbieter gibt es momentan nicht.“

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