Wuppertal. Mit seinem Kochgerät und den Kobold-Staubsaugern trotzt die Vorwerk-Gruppe der Konsumflaute. Warum die Kultprodukte nicht im Media Markt stehen.
Der Thermomix-Hersteller Vorwerk hat im vergangenen Jahr trotz schwacher Konjunktur und hoher Rekordinflation neue Bestmarken erzielt. Die größten Umsatz-Sprünge machte Vorwerk aber nicht in Deutschland, sondern mit den Kobold-Staubsaugern in Italien und mit dem Thermomix in Polen. Dort stiegen die jeweiligen Umsätze um fast zehn Prozent.
Vorwerk nahm 2023 rund 3,2 Milliarden Euro ein, davon 2,56 Milliarden im Kerngeschäft mit seinen Kult-Haushaltsgeräten Thermomix und Kobold. Den Rest steuerte die hauseigene akf-Bank bei. Seit 2019, also durch die Corona-, Welthandels- und Konjunkturkrisen hindurch, ist der Umsatz im Kerngeschäft damit um fast ein Drittel gestiegen. Der operative Gewinn stieg 2023 um 50 Prozent auf 292 Millionen Euro, netto blieben 133 Millionen Euro übrig, was fast eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr bedeutete.
Vorwerk-Chef: Investieren massiv in Produkte und neue Märkte
Vorwerk-Chef Thomas Stoffmehl ließ im Gespräch mit unserer Redaktion durchblicken, dass der operative Gewinn 2024 planmäßig deutlich sinken werde. Allerdings aus einem guten Grund, wie Stoffmehl findet: „Wir werden in diesem Jahr massiv in Produktinnovationen, in neue Märkte und unsere Vertriebsstruktur – also in unsere Zukunft investieren.“
Das Erfolgsrezept sieht Stoffmehl weiter im Direktvertrieb seiner Topseller. „Wenn wir unseren Thermomix im Media Markt ins Regal stellen, würde er wahrscheinlich stehen bleiben“, sagte er, „unsere innovativen Produkte können wir nur im Direktvertrieb erfolgreich verkaufen, weil die Leute sehen müssen, was der Thermomix und der Kobold können.“ Deshalb werde Vorwerk auch weiterhin konsequent auf den Direktvertrieb setzen. Bei der Bilanzpräsentation betonte Stoffmehl, Vorwerk habe als einziger der Top-5-Direktvertriebler 2023 zulegen können.
Dass inzwischen etwa jeder vierte Thermomix online bestellt werde, stehe dazu in keinem Widerspruch. Denn viele Kundinnen und Kunden, die online kaufen, ließen sich anschließend trotzdem zu Hause beraten. „Das ist für uns auch aus unternehmerischer Sicht sehr wichtig. Denn wenn die Leute das ganze Potenzial etwa des Thermomix kennen, werden sie seinen Preis verstehen und ihn eher weiterempfehlen. Im Übrigen gibt es bei uns kein Geschäft am Berater vorbei.“ Aktuell arbeiten für Vorwerk 103.000 selbstständige Beraterinnen und Berater. Provisionen fließen auch für online gekaufte Geräte, für die sie anschließend eine Beratung anbieten.
Stärkste Thermomix-Zuwächse in Polen
Vorwerk ist nicht nur in Deutschland stark, sondern vor allem auch in Italien und Polen. In Italien verkauft das Wuppertaler Unternehmen die meisten seiner Kobold-Staubsauger, ist dort Marktführer in diesem Segment. Der Umsatz stieg 2023 kräftig auf 428 Millionen Euro. Damit wurde fast jeder zweite von Vorwerk verkaufte Kobold in Italien abgesetzt. Mit einem Plus von sieben Prozent auf 860 Millionen Euro machte dieser älteste Geschäftszweig von Vorwerk im vergangenen Jahr den größten Sprung und Boden gegenüber dem enteilten Topseller Thermomix wett.
Das ist auch deshalb interessant, weil die ebenfalls hochpreisigen Staubsauger im Wettbewerb deutlich mehr Konkurrenz haben als der Thermomix. Mit dem Comeback im 140. Jahr der Unternehmensgeschichte ist auch vor dem Hintergrund der Konjunkturflaute und zuletzt durch die hohe Inflation gesunkener Reallöhne nicht unbedingt zu rechnen gewesen.
In Portugal ist der Thermomix noch weiter verbreitet als in Deutschland
Der Umsatz mit dem Thermomix verbesserte sich leicht auf rund 1,74 Milliarden Euro - erneut ein Rekord. Deutschland bleibt der wichtigste Absatzmarkt für den digitalen Kochtopf, der auch rühren, mixen, wiegen und Rezepte herunterladen kann. Den größten Sprung machte das Kultgerät aber in Polen mit einem Umsatzplus von 9,4 Prozent auf 287 Millionen Euro. Das Land mit der größten Marktdurchdringung des Thermomix ist aber das vergleichsweise kleine Portugal: Hier steht in 15 Prozent der Haushalte ein Thermomix, in Lissabon sogar in jedem vierten Haushalt.
Für das Umsatzplus sorgten auch die steigenden Abo-Zahlen für die Koch-App Cookidoo, die Rezepte auf den Thermomix lädt. Stand April 2024 hat Vorwerk mehr als 5,1 Millionen Cookidoo-Abonnenten. Ohne die digitalen Rezepte wäre in den vergangenen Jahren „der Erfolg des Thermomix so nicht möglich gewesen“, sagte Stoffmehl bei der Bilanzvorlage.
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Angesichts der in Portugal vergleichsweise geringen Haushaltseinkommen ebenfalls nicht unbedingt zu erwarten. Denn der Thermomix ist in seinem Segment nicht nur der Marktführer, sondern auch das teuerste Gerät - aktuell kostet er 1499 Euro. Der größte Herausforderer ist der Cookit von Bosch für derzeit 1399 Euro, hinzu kommen einige Küchenmaschinen, die teils deutlich unter 1000 Euro liegen, in Tests aber nicht an den Thermomix und den Cookit herankommen.
Anders als Vorwerk büßte Bosch mit seinen Haus- und Küchengeräten 2023 Umsatz ein. Inzwischen ist der Konkurrent mit seiner hochpreisigen Kochmaschine ebenfalls in den Direktvertrieb eingestiegen. Vorwerk will mit seinem Thermomix, der sich bisher fast ausschließlich in Westeuropa verkauft, auch in China und den USA Fuß fassen. In beiden Märkten tut sich das Unternehmen aber schwer, nach einem guten Start in China ist der Direktvertrieb über Kochstudios in der Pandemie wegen der sehr restriktiven Corona-Politik Pekings völlig eingebrochen und erholt sich nur langsam.