Stockholm. Aira will Wärmepumpen zum Durchbruch in Deutschland verhelfen. Wie das funktionieren soll und welche Preise mögliche Kunden erwarten.
Martin Lewerths Mission lässt sich in knappe Worte fassen: „Der Feind – der Heizkessel“ steht auf einer der Präsentationsfolien, die der Unternehmer mitgebracht hat, um zu erklären, wo er hinwill. Die Gas- und Ölbrenner, die derzeit noch in vielen europäischen Häusern für Wärme sorgen, sie sollen weg, wenn es nach ihm geht. Und ersetzt werden sollen sie durch Wärmepumpen, die Lewerths Unternehmen verkauft.
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Lewerth ist Chef von Aira, einem schwedischen Wärmepumpen-Start-up, das sich vorgenommen hat, den europäischen Heizungsmarkt umzukrempeln.
„Wenn es in Schweden funktioniert, funktioniert es auch in Deutschland“
Zu tun gibt es in Deutschland, Großbritannien und Italien, wo Aira im vergangenen Jahr an den Start gegangen ist, genug. Drei Viertel der bestehenden Wohngebäude in der Bundesrepublik werden mit Gas oder Öl beheizt, in Italien und Großbritannien sieht es nicht besser aus. Ganz anders dagegen in Schweden: In Lewerths Heimat gab die Ölkrise in den 1970ern den Anstoß, sich von fossilen Heizungen zu verabschieden – neben Fernwärme sind Wärmepumpen inzwischen die wichtigste Heizungstechnologie in dem skandinavischen Land.
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„Wenn es in Schweden funktioniert, funktioniert es auch in Deutschland, Italien und Großbritannien“, sagt Lewerth. Er sieht den Zeitpunkt für einen Durchbruch der Technologie im Rest Europas gekommen. „Wir müssen nichts neu erfinden, um den Gebäudebereich zu dekarbonisieren“, sagt Lewerth. Es gehe nur um die Anwendung dessen, was da ist. „Es ist ein bisschen wie mit Netflix oder Spotify und dem Streaming vor 15 Jahren: Alle Elemente für etwas Neues waren da, sie mussten nur zusammengesetzt werden.“
Als „Spotify der Wärmepumpe“ versteht Aira sich auch wegen des Geschäftsmodells. Der Ansatz, mit dem das Unternehmen auf dem Wärmemarkt durchdringen will, ist eine Art Rundum-sorglos-Paket: Von einer ersten Beratung über den Einbau der Wärmepumpe, die Beantragung staatlicher Förderung bis hin zu Wartung und Garantie übernimmt Aira nach eigenen Angaben alles. Und wirbt dabei auch um Hausbesitzer, die vor dem Kauf einer Wärmepumpe bisher wegen hoher Kosten zurückgeschreckt sind: Per Ratenkauf ohne Vorauszahlung soll der Umstieg auch ohne den Einsatz von Erspartem möglich sein.
„Unser Ehrgeiz ist es, dass es sich sogar für Leute, die gestern einen neuen Gaskessel installiert haben, lohnt, den heute durch eine Wärmepumpe zu ersetzen, weil sie jeden Monat Geld sparen würden“, sagt Leonhard von Harrach, Deutschland-Chef von Aira. Unter der Annahme, dass der Großteil der Menschen in Deutschland Anspruch auf 50 bis 55 Prozent Heizungsförderung hat, und bei einer Laufzeit von 15 Jahren geht er davon aus, dass die meisten Kunden monatlich zwischen 100 und 150 Euro zahlen werden.
Modelle, wie sie Aira für die Wärmepumpe vorantreiben will, existieren bereits in anderen Bereichen, etwa bei Solaranlagen, wo Enpal ein vergleichbares Angebot macht.
Verbraucherschützer rät zum Vergleich der Gesamtkosten
Der Ansatz könnte auch hier funktionieren, sagt Hans Weinreuter, Energieexperte von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. „Das Potenzial für Wärmepumpen im Bestand ist groß“, sagt er. Ob es auch ausgeschöpft werden kann, hänge vor allem von zwei großen Fragen ab. „Wie transparent ist das Finanzierungsmodell? Und wie gut ist die Qualität der Abwicklung?“
Angebote wie das von Aira seien interessant vor allem für Leute, „die überhaupt keine Lust haben, sich mit dem Kauf und dem Einbau einer Wärmepumpe auseinanderzusetzen“, sagt er. Aber für Verbraucherinnen und Verbraucher sei es häufig schwierig zu beurteilen, in welchem Verhältnis diese Modelle finanziell zu den Alternativen stehen. Denn Kredite, um eine Wärmepumpe zu finanzieren, gibt es auch bei privaten Banken oder der KfW. „Die Gefahr besteht, dass man mit einem Allround-Paket mehr zahlt als nötig“, erklärt Weinbauer. Ob das bei den Schweden der Fall sei, lasse sich aber nicht beurteilen, ohne ein konkretes Angebot einzuholen.
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In Deutschland ist Aira derzeit in Berlin und Brandenburg aktiv, seit dem Zukauf der Firma Garant Wärmesysteme im sächsischen Glauchau nun auch in Sachsen, Thüringen und Bayern. In vielen Gebieten bekommen Interessenten deshalb auf der Website derzeit noch die bedauernde Mitteilung, das Unternehmen sei leider noch nicht in ihrer Region vertreten.
2025 will Aira in Deutschland deutlich wachsen
Im nächsten Jahr wolle man aber stark wachsen, sagt Deutschland-Chef von Harrach, und bald im Ruhrgebiet, rund um Frankfurt, in Norddeutschland und Baden-Württemberg vertreten sein. 200 Mitarbeiter hat Aira aktuell in Deutschland, bis zum Ende des nächsten Jahres sollen es 1000 sein.
Hinter den Expansionsplänen steht viel Geld: Aira ist Teil des Unternehmensgeflechts der schwedischen Investmentfirma Vargas, die in Branchen mit besonders hohem Treibhausgasausstoß konzentriert den Wandel zur Klimaneutralität vorantreiben will. Zu Airas Schwesterfirmen gehören unter anderem der Batteriehersteller Northvolt und das Stahlunternehmen H2 Green Steel.
Im polnischen Wrocław hat Aira in einer von Volvo übernommenen Fabrik begonnen, selbst Wärmepumpen zu produzieren, bis zu 500.000 Geräte im Jahr sollen dort künftig entstehen. 2030, sagt CEO Lewerth, würden Wärmepumpen seiner Einschätzung nach in Europa einen 150-Millarden-Euro-Markt darstellen – „groß, aber komplett unterversorgt“. Aira will davon einen großen Teil abhaben: „Wenn wir fünf bis zehn Prozent Marktanteil bekommen, sind wir glücklich.“