Essen. Gegen Cyberangriffe gebe es keine absolute Sicherheit, sagt Escrypt-Mitgründer Thomas Wollinger im Podcast. Man könne aber Blockaden aufbauen.

„Deutschland ist schlecht auf Cyberangriffe vorbereitet“ – der Weckruf der Chefin des Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik, Claudia Plattner, hat über die Ostertage für Unruhe gesorgt. Thomas Wollinger hat sich als Wissenschaftler und Unternehmer in Bochum intensiv mit den Tricks der weltweit tätigen Hacker auseinandergesetzt. „Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz“, warnt der Experte im WAZ-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ vor überzogenen Erwartungen.

Zugleich weckt er aber auch Hoffnung: „Das einzige, was wir machen können, ist die Barrieren so hoch zu bauen, dass es für den Hacker wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.“ Denn wie jede normale Firma habe auch ein Hacker ein Geschäftsmodell. „Wir müssen dafür sorgen, dass dieses Geschäftsmodell nicht aufgeht, dann ist schon viel erreicht“, sagt Wollinger. Das funktioniere am besten mit einer guten Kombination aus Hard- und Software, die eine gute Abwehr für Firmennetzwerke, aber auch für Autos bilden können, die durch ihre immer dichtere Bordelektronik auch immer angreifbarer werden.

Marktlücke: Escrypt schützt Autos vor Hackerangriffen

Wie das geht, hat Wollinger von der Pike auf gelernt. Nach dem Studium in den USA und in Bochum promovierte der gebürtige Unterfranke 2004 am Lehrstuhl für eingebettete Sicherheit der Ruhr-Universität mit Auszeichnung und machte sich gleich selbstständig. Als Mitgründer des Start-ups Escrypt zählt der Wissenschaftler zu den Pionieren, die Lösungen entwickeln, um auch Autos vor dem Angriff von Hackern zu schützen.

„Anfang der 2000er Jahre konnte noch niemand das Wort Security überhaupt buchstabieren“, blickt Wollinger mit einem Augenzwinkern auf die Anfänge zurück. Unter Sicherheit habe die Automobilindustrie damals verstanden, dass die Bremsen und das Lenkrad funktionieren. Dass auch die wachsende Zahl der elektronischen Bauteile und Prozessoren vor Angriffen von außen geschützt werden müssen, habe damals kaum jemand auf dem Schirm gehabt.

Eben bis auf die drei Gründer des Bochumer Start-ups Escrypt. „Wir haben Automobilhersteller und Zulieferer beraten, wie Konzepte im Bereich IT-Sicherheit im Auto umzusetzen sind“, erzählt Wollinger. Bis die Kunden „so um das Jahr 2010“ erkannt hätten, dass sie Software und andere Produkte brauchen, die sie zum Schutz in ihre Autos bauen können. „Dafür muss man aber 50 bis 100 Ingenieure einstellen, die erst einmal zwei oder drei Jahre programmieren, bis das erste Produkt in einem Wagen eingebaut werden können. Das ist einfach sehr teuer“, sagt der Mitgründer.

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Um die nötigen Millionen einzusammeln, hat sich Escrypt gegen Wagniskapitalgeber entschieden und schließlich das Einstiegsangebot des Weltkonzerns Bosch angenommen, der das junge Bochumer Unternehmen 2014 ganz übernahm und seither auf Expansionskurs schickt. Auf dem ehemaligen Opel-Gelände will die Firma in den nächsten Wochen eine nagelneue Zentrale beziehen, die Platz für bis zu 2000 Entwicklerinnen und Entwickler bietet.

Thomas Wollinger hat sich inzwischen aus der Führung von Escrypt zurückgezogen und „meine persönliche Traumstelle“ angetreten: Der 52-Jährige ist seit dem 1. April Geschäftsführer der Bochumer Wirtschaftsentwicklung, für die er zuvor bereits ein Jahr lang als Innovationsmanager gearbeitet hatte. „Ich hatte den Traum in meinem Kopf, meine Traumstelle würde mir Geld bezahlen am Ende des Monats, aber ich könnte vielen Firmen helfen“, so Wollinger.

Bochum ist ein Hotspot für Cybersicherheit

Als Chef-Wirtschaftsförderer ist das jetzt sein Job, dessen Beschreibung gar nicht so weit weg ist von seiner Zeit als Bekämpfer von Hackern, die es auf Autos abgesehen haben. Denn Bochum gilt inzwischen nicht nur wegen Escrypt als einer der größten Hotspots für Cybersicherheit der Welt. Nach Kohle, Stahl, Autos von Opel und Handys von Nokia habe man in Bochum nun „die Vision, aus Wissen Wirtschaft aufzubauen“, meint Wollinger. Und das gelinge in zunehmendem Maße. Rund um das Thema IT-Sicherheit gebe es in Bochum 1000 Studierende und eine „starke Forschung“ aus knapp 40 Professoren und 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Hinzu kommen große Software-Unternehmen wie GData, Escrypt, VW Infotainment, Vmray und andere.

Wollinger ist davon überzeugt, dass Start-ups von dem großen Netzwerk im Ruhrgebiet profitieren können, das weiß er aus seiner Zeit bei Escrypt. „Klar haben wir auch ein paar graue Haare bekommen im Laufe der Zeit“, erzählt er. „Aber wir haben uns auch einige graue Haare erspart, weil wir gute Nachbarn hatten, die eben auch IT-Sicherheit können“, sagt der neue Wirtschaftsförderer. Diese Erfahrungen will er nun an potenzielle Gründer weitergeben. „Man muss immer wieder schauen: Was möchte der Markt. Man muss einfach dran bleiben.“

>>> 10.000 Arbeitsplätze auf dem Opel-Gelände
Peter Wollinger hat bei der Bochumer Wirtschaftsförderung die Nachfolge von Ralf Meyer angetreten, der sich jetzt um die Modernisierung des Vonovia Ruhrstadions kümmen wird und die Vollendung von Mark 51/7. Auf dem ehemaligen Opel-Werksgelände sind nach Wollingers Angaben 99 Prozent der Fläche vergeben. 28 Unternehmen und fünf Forschungseinrichtungen mit rund 10.000 Arbeitsplätzen haben sich dort bereits angesiedelt.

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