Essen. Glasfaser-Verband Breko überrascht mit der Feststellung, dass zu viele Steuermittel in den Netzausbau fließen. Warum er die Telekom kritisiert.
Das Ruhrgebiet ist aktuell zugepflastert mit Plakaten, die für Glasfaseranschlüsse werben. In den Briefkästen liegen Werbeflyer, und so mancher Vertreter schellt gleich bei den Hauseigentümern. Trotz hoher Baukosten und Zinsen schreitet der Glasfaser-Ausbau voran - in anderen Bundesländern schneller als in Nordrhein-Westfalen. Kritik gibt es vor allem an der Geschäftspolitik der Deutschen Telekom.
Geht es nach der Bundesregierung, soll es in einem Stadtteil oder größeren Wohngebiet nur ein Glasfasernetz neben, dass mehrere Breitband- und Festnetztelefonanbieter nutzen. Doch die Realität ist eine ganz andere. Stephan Albers, Chef des Breitband-Verbands Breko, übt vor allem Kritik an der Deutschen Telekom, die mit ihrer „Überbau“-Strategie bundesweit hundertfach gegen das vom Bund gewünschte Open-Access-Prinzip verstoße. Es sieht vor, dass sich mehrere Anbieter ein Netz teilen. Breko vertritt mehr als 250 der rund 290 Netzbetreiber in Deutschland.
Über 50 Mal Glasfaser-Doppelausbau in NRW
„Sehr kritisch bewerten wir den strategischen Doppelausbau der Deutschen Telekom. Mehr als 300 Fälle sind der Bundesnetzagentur bekannt, über 50 davon in NRW. In Folge des Doppelausbaus beziehungsweise dessen Ankündigung unterbleibt der gewünschte flächendeckende Ausbau häufig oder verzögert sich um viele Jahre“, sagt Albers im Gespräch mit unserer Redaktion.
Doch nicht nur das: Anwohnerinnen und Anwohner müssen damit leben, dass ihre Straße zwei und manchmal auch drei Mal aufgerissen wird, um Glasfaserkabel zu verlegen. Zwei oder drei Netze seien überdies oft auch unwirtschaftlich, meint Jan Simons, Leiter Landes- und Kommunalpolitik beim Verband Breko. „In den meisten Regionen lohnt sich nur ein Glasfasernetz. Die Telekom streut mit ihrem Doppelausbau bewusst Sand ins Getriebe.“
Deutsche Telekom wehrt sich gegen Kritik
Das sieht der gescholtene Bonner Konzernriese freilich ganz anders. „Der sogenannte „Überbau“ ist nichts anderes als Infrastrukturwettbewerb und entspricht dem deutschen und europäischen Rechtsrahmen. Daher ist die Forderung, hier einen ,Riegel vorzuschieben‘ völlig irritierend“, erklärt Telekom-Sprecherin Nicole Schmidt auf Anfrage unserer Redaktion. Die über 300 „Überbau“-Fälle, die aktuell bei der Bundesnetzagentur gemeldet sind, entsprächen gerade einmal 2,7 Prozent der Gemeinden in Deutschland. Und: „Die Telekom hat knapp 200 Fälle gezählt, in denen sie von Wettbewerbern überbaut wird“, spielt Schmidt den Ball an die Konkurrenz zurück und verweist auf andere europäische Länder, wo doppelte Netze „gang und gäbe“ seien. „Sie sorgen für Wettbewerb und garantieren Kundinnen und Kunden niedrigere Preise und bessere Qualität“, so die Telekom-Sprecherin.
Trotz des Streits um Doppelstrukturen kommt der Ausbau des Glasfasernetzes voran. Nach Angaben der Landesregierung hat sich die Glasfaserquote in NRW innerhalb von zwei Jahren von 17,4 auf 35,2 Prozent verdoppelt. Das heißt: Gut ein Drittel der Haushalte hat die Möglichkeit, sich an das schnelle Internet anschließen zu lassen. Damit belegt Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Thüringen und Rheinland-Pfalz nur Platz 8. Spitzenreiter Schleswig-Holstein kommt auf eine Glasfaserquote von 82 Prozent, gefolgt von Hamburg mit 72 Prozent. Bundesweite Schlusslichter sind Baden-Württemberg (23) und Berlin (19).
Breko kritisiert trotz des Etappenerfolgs das Ausbautempo in Nordrhein-Westfalen: „In NRW fehlt der politische Gestaltungswille. Entscheidungen werden nicht schnell genug getroffen. Es scheint so, als habe man sich mit dem Mittelfeld abgefunden“, erklärt Jan Simons. Der Verband kritisiert aber auch die Bundesregierung. „Es klingt absurd, aber im Prinzip gibt es zu viel staatliche Fördermittel für den Ausbau. Seit 2016 haben Bund, Länder und Kommunen insgesamt mehr als 35 Milliarden Euro an staatlichen Fördermitteln in den Markt gepumpt, von denen bisher aber erst 20 Prozent abgerufen und verbaut wurden“, sagt Verbandsgeschäftsführer Stephan Albers.
Verband Breko: „Es fließt zu viel Steuergeld in den Markt“
Die Branche selbst habe dem Bund vorgeschlagen, die Förderung von drei Milliarden auf eine Milliarde zu drosseln, um den Fokus auf den eigenwirtschaftlichen Ausbau zu lenken. Albers: „Leider ist die Bundesregierung dem nicht gefolgt, so dass auch in diesem Jahr wieder zu viel Steuergeld in den Markt fließen wird.“
Gestiegene Zinsen, Fachkräftemangel und Kaufzurückhaltung erschwerten zwar den Ausbau des deutschen Glasfasernetzes. Gleichwohl sieht der Breko-Chef den Ausbau „auf Kurs“. Die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben, bis 2025 die Hälfte aller deutschen Haushalte mit Glasfaser zu versorgen. Bis 2030 sollen es 100 Prozent sein. „Früher haben die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gefragt, wann die Unternehmen endlich anfangen zu bauen“, sagt Albers. „Inzwischen stehen dort drei oder vier Anbieter auf der Matte, die bauen wollen. Es gibt einen Wettbewerb um die Standorte.“
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