Berlin. „Candela“ ist der Tesla fürs Wasser: Ein Vorbote der E-Wende auf See. Ist der Einstieg eines klassischen Bootsbauers der Gamechanger?
Beim Auto setzt sich der Elektroantrieb durch, bei Schiffen eher nicht. Ein Deal könnte zum Gamechanger werden. Einer der weltweit größten Bootsbauer – die Groupe Beneteau – steigt beim Pionier für elektrische Tragflügelschiffe ein: Candela aus Schweden.
Industriepolitisch ist es quasi ein Déjà-vu-Erlebnis. Plötzlich kommt die Erinnerung daran hoch, wie Daimler-Benz 2008 Tesla gerettet hat. Die Mercedes-Manager investierten 50 Millionen Dollar in Tesla, damals: Wagniskapital, und gaben beim E-Autobauer Antriebsstränge für die Marke Smart in Auftrag. 2014 stieg man für 780 Millionen Dollar aus, was ein guter Deal war – oder auch nicht.
Schiffsverkehr sorgt für drei Prozent der Treibhausgasemissionen
Bei Candela setzen sie auf elektrische Tragflächenboote. Wo die Schweden auftauchen, sind sie wie auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas der Blickfang, heimsen für ihr Konzept Preise ein oder stellen Weltrekorde auf. Titel ersetzen freilich kein Geld. Das brauchen sie, um mit ihrer Fähre „P-12 Shuttle“ in Serienproduktion zu gehen.
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Gerade haben sie 24,5 Millionen Euro eingesammelt, bei Risikokapitalgesellschaften, aber auch bei „Ocean Zero“, das aus Prinzip in Unternehmen investiert, die den Schadstoffausstoß beim Schiffsbau reduzieren. Aber es ist vor allem der Einstieg der Franzosen, der die Fantasie beflügelt.
An Bord ist mit Beneteau eine Firma mit einem Umsatz von 1,46 Milliarden Euro, 15 Fabriken, neun Marken, mehr als 8.000 jährlich gebauten Yachten. Die traditionsreiche Firma hat die Marktmacht, um die E-Wende auf See durchzusetzen. Ihr Einstieg ist mehr als eine Geldspritze. Der Gründer und CEO von Candela, Gustav Hasselskog, spricht von einem „Gütesiegel für unsere Technologie“.
Weniger Wasserwiderstand, weniger Verbrauch
P-12 ist eine Minifähre für bis zu 30 Personen. Bei genügend Schub der zwei Elektromotoren heben sich die beiden Katamaran-Rümpfe aus dem Wasser, das 8,5 Tonnen schwere Boot schwebt über der Oberfläche. Weil sich der Wasserwiderstand verringert, benötigt die Fähre nach Angaben des Herstellers 80 Prozent weniger Energie als konventionelle Boote. Bei einem Tempo von 27 Knoten reichen die Akkus für bis zu 60 Seemeilen. Bis zu 30 Knoten sind möglich.
In den Stockholmer Schären soll die Fähre die Fahrzeit zwischen der Innenstadt und dem Vorort Ekerö von 55 auf 25 Minuten reduzieren; sie wäre kürzer als mit dem Auto oder der U-Bahn. Angeblich gibt es weltweit 180 Interessenten. Sie warten ab, ob sich das Candela-Boot daheim als Wassertaxi-oder Bus durchsetzt; schon in diesem Sommer soll der Betrieb aufgenommen werden.
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Laut Fortune Business Insights winkt ein Markt für Elektroschiffe in einer Größenordnung von 14,2 Milliarden Dollar. Schon 2023 nahm die Europäische Union den Seeverkehr in ihr Emissionshandelssystem (ETS) auf. Weltweit verursacht der Schiffsverkehr drei Prozent der Treibhausgasemissionen.
Die Schweden haben Jahre damit verbracht, die technologische Reife zu entwickeln – jetzt drängen sie auf die Märkte, auch in Deutschland. Längst haben sie ihre futuristischen Boote in Berlin vorgestellt. Wie in jeder neuen Branche wird das Unternehmen, das am schnellsten wächst, den Markt beherrschen; auch das eine Parallele zu Tesla.
Auch Porsche entdeckt den E-Boot-Markt
Interessant sind für Fährreedereien die niedrigen Betriebskosten. Potenzial hat der Antrieb auch bei Sportbooten und kleineren Schiffen. Jedenfalls, wenn die Schweden halten, was sie versprechen. Angeblich lässt sich das System mit bis zu 200 kW aufladen, was bei optimalen Bedingungen die Stromspeicher in rund einer Stunde füllen würde. Zum Vergleich: Der Porsche Taycan bringt es auf 270 kW.
Der Sportwagenhersteller sieht auch eine Zukunft für elektrische Sportboote. Porsche präsentierte zuletzt mit der Werft Frauscher ein Elektroboot. Mit ihrer Tragflächen-Technologie gehen die Schweden allerdings einen Sonderweg: Ihr Sportboot Candela C-8 ist nicht nur sauber und abgasfrei, sondern auch pfeilschnell, fast lautlos und vermittelt als Wellenflieger selbst Leuten, die leicht seekrank werden, ein ganz ruhiges Fahrgefühl: Schipperst Du noch oder fliegst Du schon?
Eine Hürde war bisher vermutlich der hohe Preis, rund 360.000 Euro. Von dem kommt man nur bei höhere Produktionszahlen runter. Und den Absatzmarkt öffnet sich vielleicht mit dem Einstieg von Beneteau. Candela-Firmengründer Gustav Hasselskog ist „gespannt auf die Möglichkeiten“.