Mülheim. Kurse für Robotik sind bei der Junior-Uni Ruhr überbucht. Ihr fehlt Geld, um das Angebot auszubauen. Auch Unternehmen zurückhaltend.
Pepper kann so ziemlich alles – außer fühlen. Auch das Treppensteigen bereitet dem Roboter Probleme. In der Junior-Uni Ruhr in Mülheim ist der kleine Kerl trotzdem der Star. Auf der Warteliste für den Robotik-Kurs mit Lego stehen aktuell 95 Kinder. Der Bildungseinrichtung fehlt schlichtweg das Geld, um die hohe Nachfrage zu bedienen.
„Es ist absurd: Unser Erfolg potenziert die Kosten“, sagt Dagmar Mühlenfeld. Die frühere Mülheimer Oberbürgermeisterin hat die Junior-Uni Ruhr (Juni) vor fünf Jahren gegründet. Ehrenamtlich. Seither haben sich die Anmeldungen zu den Kursen für Vier- bis 17-Jährige so rasant nach oben entwickelt, dass immer mehr Kinder und Jugendliche abgewiesen werden müssen. Nicht nur Roboter Pepper zieht. Auch den Lehrgang „Spannende Experimente mit dem Element Wasser“ könnte Geschäftsführerin Anke Hötzel bis zu zehn Mal besetzen. „Die Dozenten können aber nicht mehr Termine anbieten“, erklärt sie. Und für eine Vergrößerung des Teams fehle das Geld.
Vier Junior-Unis in NRW bitten Land um Unterstützung
Mit ihrem Erfolg stößt die Juni also finanziell an ihre Grenzen. „Grundsätzlich gibt es für Junior-Universitäten keine öffentliche Förderung.Allein Essen wird von der städtischen Wirtschaftsförderung unterstützt“,nennt Dagmar Mühlenfeld den Grund. „Wir finanzieren uns über Fördermittel, Zuwendungen von Stiftungen, Unternehmen und Privatpersonen. Wir haben aber keine verlässliche Einnahmequelle“, ergänzt Anke Hötzel.
Dabei gibt es in NRW gerade einmal vier Junior-Unis – in Wuppertal, Mülheim, Essen und Mönchengladbach. Sie haben sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen und im vergangenen Jahr gemeinsam einen Förderantrag bei der Landesregierung gestellt. Er wurde zunächst für das Haushaltsjahr 2024 abgelehnt. „Eine staatliche Unterstützung in Höhe von jährlich 200.000 Euro für jede der vier Junior-Unis in NRW fände ich sehr gut“, wagt sich die SPD-Politikerin Mühlenfeld vor und nennt eine soziale Begründung. „Wir setzen bewusst auf geringe Gebühren in Höhe von drei bis 30 Euro für einen Kurs über 20 Stunden, um auch wirklich für alle Kinder egal aus welchen Stadtteilen zugänglich zu sein. Wir nehmen auch Bildungsgutscheine entgegen“, sagt sie. Mit den Einnahmen aus Gebühren könne die Juni aber gerade einmal Betriebsmittel wie Kleber, Stifte und anderes Material bezahlen.
Mühlenfeld geht es aber auch ganz grundsätzlich um die Anerkennung außerschulischer Bildungsangebote. „Nach viel Aufmunterung und ideeller Unterstützung wäre es nach fünf Jahren schön, wenn der Mehrwert der Junior-Uni Ruhrauch durch die finanzielle Anerkennung zur Geltung käme“, fordert sie offen.
Unternehmer Schauenburg: Früh Talente wecken und erkennen
Eine Reihe von Unternehmern unterstützt die Juni. Der frühere RWE-Manager Arndt Neuhaus etwa leitet den Förderverein, Schatzmeister ist Sparkassen-Chef Martin Weck. Zu den aktiven Förderern gehört auch der Mülheimer Unternehmer Florian Schauenburg. „Mich begeistert Robotik total. Die Kurse sind ein gutes Mittel, um den Fachkräftemangel in technischen Bereichen zu bekämpfen. Der Weg ist lang, aber richtig“, sagt er. Kinder würden viel zu spät an die Berufswahl herangeführt. „Dabei ist es wichtig, möglichst früh Talente zu wecken und zu erkennen. Das Schulsystem schafft das nicht mehr. Deshalb sind Junior-Unis wichtig“, meint der Chef der Schauenburg Group, die als Beteiligungsgesellschaft Technologieunternehmen fördert.
Schauenburg beobachtet aber auch eine Zurückhaltung in der Gesellschaft. „Es kann nicht schaden, wenn die Junior-Unis mehr Aufmerksamkeit von Städten erhielten. Das würde auch die Wirtschaft anspornen, Finanzmittel bereitzustellen“, sagt der Unternehmer, der sich auch mehr Engagement aus der Wirtschaft wünscht. „Die ESG-Kritierien, also Umwelt-, Sozial- und Unternehmenskriterien sind aktuell ein Riesenthema. Sie sind ein echter Trigger für die Wirtschaft. Auch wenn sich die Mittel für Junior-Unis erst in etwa zehn Jahren und danach auswirken werden“, versucht Schauenburg, die Unternehmerschaft zu einer größeren Spendenbereitschaft anzuspornen. „Die finanzielle Lage wirkt wie ein existenzielles Damoklesschwert für die Junior-Uni. Da wir permanent Gelder einwerben müssen, kommt die Debatte um Inhalte viel zu kurz.“
Mülheimer Schulen wollen Angebote der Junior-Uni nutzen
Schauenburg ist davon überzeugt, dass die Kurse Kindern Appetit auf Fähigkeiten in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik machen könne, die in den Unternehmen händeringend gesucht werden. „MINT-Fächer stoßen immer noch vor allem bei Mädchen auf Vorbehalte. Mit unseren Angeboten wie Stick-Computer oder Robotik für Mädchen können wir das ändern“, sagt Mühlenfeld, die vor ihrer Zeit als Oberbürgermeisterin ein Gymnasium in Mülheim geleitet hatte.
„Es ist der Wunsch vieler Mülheimer Schulen zu kooperieren und unsere technische Ausstattung zu nutzen. Sie ist zum Teil besser als die in den Schulen selbst“, beobachtet die Juni-Gründern. Es gehe aber auch um künstlerische Angebote, will Grundschulen zum Teil keine Kunstlehrer mehr hätten. Dazu braucht die Junior-Uni Ruhr aber Geld. Mühlenfeld: „Mit einer besseren Finanzierung könnten wir die Kursanzahl weiter erhöhen und auch das Vormittagsangebot ausbauen.“
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