Essen/Bonn. Gewinn und Umsatz sind bei DHL 2023 eingebrochen. Konzernchef Meyer sagt, warum er nicht für die „hübsche Braut“ Schenker bieten will.

Die Konjunkturflaute in Deutschland, Europa und weiten Teilen der Welt hat auch den Logistikriesen DHL erreicht: Der Gewinn des Bonner Konzerns brach im vergangenen Jahr heftig und stärker als erwartet ein - um ein knappes Drittel auf 3,68 Milliarden Euro. Dennoch ist die Kasse der DHL-Gruppe, zu der auch die Deutsche Post gehört, nach wie vor prall gefüllt. Die seit Januar im Raum stehende Frage, ob sie sich am Bieterwettkampf um die zum Verkauf stehende Bahn-Logistiktochter Schenker beteiligt, verneinte DHL bei der Bilanzvorlage am Mittwoch allerdings.

„Wir haben uns entschieden, nicht am Schenker-Verkaufsprozess zu partizipieren“, sagte Finanzchefin Melanie Kreis. Man sehe „bessere Möglichkeiten“ für ein Wachstum durch Zukäufe. DHL wolle „mit Ruhe in die Zukunft investieren“. Konzernchef Tobias Meyer sagte auf Nachfrage, er sehe mit Schenker nicht das „Wertgenerierungspotenzial“, das DHL für Zukäufe haben will. Dennoch sei Schenker „eine hübsche Braut, die sicher jemanden finden“ werde.

Schenker-Verkauf: DHL-Verzicht stärkt Favoritenrolle von Maersk

Die Deutsche Bahn hatte ihre in Essen beheimatete Logistiktochter Schenker im Januar zum Verkauf gestellt. Der Prozess befindet sich dem Vernehmen nach bereits auf der Zielgeraden, eine Vorentscheidung wird bereits zur nächsten Sitzung des Bahn-Aufsichtsrats am 20. März erwartet.

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Während der deutsche Weltkonzern auf ein Gebot für Schenker verzichtet, hat der dänische Reederei-Riese Maersk großes Interesse an einer Übernahme des Essener Unternehmens mit seinen weltweit 75.000 Beschäftigten signalisiert. Er wäre ein „perfektes Match“ für Maersk, erfuhr unsere Redaktion aus dem Umfeld des skandinavischen Unternehmens. Der Konzern aus Kopenhagen will unabhängiger vom reinen Seefrachtgeschäft werden.

Dem Vernehmen nach sollen rund 20 Interessenten eine Übernahme geprüft haben oder noch prüfen. Da die Bundesregierung die Tochter seines Staatskonzerns offenkundig nicht an Investoren aus Fernost, insbesondere aus China verkaufen will, zeichnet sich eine Elefantenhochzeit ab. Denn neben Maersk wird auch anderen Branchenriesen Interesse an Schenker nachgesagt. Allen voran die Schweizer Reederei MSC, die Maersk im vergangenen Jahr beim Frachtvolumen als weltgrößte Reederei abgelöst hat. Ebenso dem dänischen Logistikkonzern DSV und dem Schweizer Konkurrenten Kühne & Nagel. Die Regierung hofft auf einen Verkaufserlös von rund 15 Milliarden Euro.

Zumindest in Berlin haben einige Politiker nach einer deutschen Lösung gerufen, hätten also gern DHL als Käufer gesehen. Allerdings hätte das mutmaßlich viele Arbeitsplätze gekostet, weil DHL und Schenker in ihren Geschäften sowohl in Deutschland als auch weltweit große Überschneidungen haben. Maersk dagegen ist in Kern- und Südeuropa noch schwach unterwegs, wo Schenker besonders stark ist.

DHL: Umsätze und Gewinne sind 2023 eingebrochen

DHL verlor 2023 in allen wichtigen Kennziffern: Der Umsatz sank um 13,4 Prozent auf weltweit 81,8 Milliarden Euro, der operative Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 24,8 Prozent auf 6,34 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr rechnet der Konzern zunächst nicht mit einer nennenswerten Besserung, ab dem Sommer könne es aber wieder bergauf gehen. Die Prognose für das Ebit 2024 lautet 6,0 bis 6,6 Milliarden Euro.

Das einzige, was nicht sinken soll, ist die Dividende: DHL will seinen Aktionären erneut 1,85 Euro je Anteilsschein für 2023 zahlen und reizt damit seine Dividendenspanne von 40 bis 60 Prozent des Gewinns komplett aus. Die gute Laune der Aktionärinnen und Aktionären ist den Bonnern offenkundig besonders wichtig, denn sie verlängern auch ihr Aktienrückkaufprogramm bis 2025 und wollen bis zu vier Milliarden Euro dafür ausgeben, eine Milliarde mehr als bisher geplant. Damit soll der Aktienkurs gestärkt werden. Die Börse reagierte auf die unerwartet schwachen Zahlen am Mittwoch dennoch zunächst mit Abschlägen - die DHL-Aktie verlor am Morgen rund fünf Prozent an Wert.

DHL-Chef Meyer sieht „die Talsohle erreicht“

DHL-Chef Tobias Meyer sagte, die Talsohle sei in vielen Bereichen erreicht. Das Paketgeschäft in Deutschland wachse bereits wieder, betonte der frühere Spartenchef des im Heimatland im Fokus stehenden Geschäfts von Post & Paket Deutschland. Dass die Umsätze wachsen, liegt freilich auch an den im vergangenen Jahr erhöhten Preisen. In der Logistik setzt der Konzernchef auf eine höhere Rendite durch den verstärkten Einsatz von Lagerrobotern.

Finanzchefin Kreis sprach von einer „Punktlandung“, man habe die Ergebnisse so erwartet, auch wenn sie am unteren Rand der Prognose landeten. Der Konzern sei in allen Bereichen profitabler als vor der Corona-Pandemie. Nach den außergewöhnlich guten vergangenen Jahren, in denen stark gestiegene Preise für den weltweiten Warentransport den Logistikern dicke Gewinne bescherten, sieht Kreis in den Rückgängen 2023 „eine Normalisierung“.

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Deshalb betonte Konzernchef Meyer auch, DHL plane kein Personalabbau-Programm. Mehrere Konkurrenten, die ebenfalls im vergangenen Jahr deutlich an Umsatz verloren haben, tun genau das, so kündigten der Schweizer Wettbewerber Kühne & Nagel und der US-Konzern UPS jeweils einen kräftigen Stellenabbau an, UPS will bis zu 12.000 Arbeitsplätze abbauen.