Leverkusen. Bayer hat 2023 2,9 Milliarden Euro verloren. Monsanto bleibt schweres Erbe. So rechnet der neue Chef Anderson mit der Baumann-Ära ab.

  • Bayer hat 2023 fast drei Milliarden Euro netto verloren
  • Der neue Chef Anderson betont die Probleme, die er von Baumann übernommen hat
  • Sorgen bereiten weiter die Glyphosat-Klagen in den USA
  • Sparprogramm wird viele der 17.000 Führungskräfte den Job kosten

Der neue Bayer-Chef Bill Anderson steigt mit einem Milliardenverlust ein: Der Pharma- und Agrarchemiekonzern hat 2023 knapp drei Milliarden Euro verloren, wie der Leverkusener Konzern am Dienstag in London mitteilte. Sein Vorgänger Werner Baumann konnte sich vor einem Jahr noch mit einem Gewinn von 4,1 Milliarden Euro verabschieden.

Die Ursache für das dicke Minus ist allerdings auch ein Erbe von Baumann: Erneute milliardenschwere Abschreibungen auf das Geschäft des von Baumann übernommenen Saatgutriesen Monsanto und sinkende Preise für dessen umstrittenes Pflanzenschutzmittel Glyphosat haben die in anderen Bereichen erzielten Gewinne aufgefressen.

Neue Glyphosat-Niederlage in USA wirkt bei Bayer nach

Erst im Januar war Bayer von einem US-Gericht erneut zu einem Schadenersatz an einen Krebspatienten verurteilt worden, der seine Erkrankung auf den Kontakt mit Glyphosat zurückführt: 2,25 Milliarden Dollar soll Bayer zahlen. Anderson kündigte an, sich mit aller Entschiedenheit dagegen wehren zu wollen. Die rechtlichen Risiken will er aber auch mit „neuen Ansätzen inner- und außerhalb der Gerichtssäle“ in den Griff kriegen. Bisher hat Bayer für außergerichtliche Einigungen bereits rund zehn Milliarden Euro ausgegeben und bereits mehrfach milliardenschwere Wertminderungen dieses Geschäfts bilanzieren müssen.

Zudem hatte Anderson bereits im Januar schlankere Strukturen im Konzern angekündigt und deutlich gemacht, dass dies auch viele Arbeitsplätze kosten werde. Wie viele, ist offen, in Deutschland beschäftigt der Konzern rund 22.000 Menschen. Der Abbau von Bürokratie und die Abschaffung mittlerer Führungsebenen soll Bayer viel Geld sparen - mit allen Maßnahmen zusammen jährlich zwei Milliarden Euro ab 2026.

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Der Konzernumsatz sank im vergangenen Jahr leicht auf 47,6 Milliarden Euro, der operative Gewinn (Ebitda) um 13,4 Prozent auf 11,7 Milliarden Euro. Der Nettoverlust von 2,9 Milliarden Euro ergibt sich im Wesentlichen aus den Abschreibungen auf das schwächelnde Agrarchemiegeschäft, das auch unter stark gesunkenen Glyphosat-Preisen leidet.

Bayer will auch seine Dividende mindestens drei Jahre lang auf das gesetzliche Minimum senken, um seine Verschuldungsproblematik angehen zu können und wieder finanzielle Spielräume zu gewinnen. Für 2023 will der Vorstand nur noch elf Cent je Aktie an seine Anteilseignerinnen und -eigner ausschütten - im Jahr davor hatten sie noch 2,40 Euro erhalten.

Bayer-Chef zur Aufspaltung: „Jetzt nicht“

Zur von ihm selbst ins Spiel gebrachten möglichen Aufspaltung des Bayer-Konzerns sagte Anderson am Dienstag: „Nicht jetzt.“ Damit sei nicht „niemals“ gemeint, man werde „für alles offenbleiben“, so Anderson. Als Möglichkeit hatte er den Verkauf der nicht rezeptpflichtigen Arzneimittel als Möglichkeit angedeutet. Angesichts des aktuell begrenzten Handlungsspielraums „liegt unser Hauptaugenmerk jetzt jedoch auf der Bewältigung unserer Herausforderungen, der Steigerung unserer Performance und der Schaffung strategischer Flexibilität“, sagte Anderson.

Der neue Bayer-Chef zeichnete ein bemerkenswert klares Bild der Probleme, die er von seinem Vorgänger übernommen hat. Baumann hatte vor einem Jahr noch betont, er übergebe Anderson ein strategisch gut aufgestelltes Unternehmen, „es ist mir eine Ehre, ihm einen optimalen Start zu ermöglichen“, sagte Baumann seinerzeit. Von dieser Einschätzung ließ der US-Amerikaner, der Bayer seit Juni 2023 führt, in seiner ersten Jahrespressekonferenz nicht viel übrig.

Anderson betont „hohen Preis“ der Strategie seines Vorgängers

So schickte der studierte Chemieingenieur seinem Vorgänger zwar ein paar übliche Blumen hinterher, lobte die „außerordentliche Leistung“ des Managements in den vergangenen Jahren sowie seinen „strategischen Weitblick und Mut“ beim Umbau des Konzerns, der von der Monsanto-Übernahme geprägt war. „Doch die Umstrukturierungen hatten einen hohen Preis“, schickte Anderson vor Journalisten gleich hinterher. Sorgen bereiten ihm vor allem hohen Schulden und „die Verlagerung des Schwerpunkts weg vom operativen Geschäft – weg von der Kernaufgabe, dafür zu sorgen, dass alle Beschäftigten jeden Tag einen Mehrwert für unsere Kunden schaffen können“.

Viel deutlicher hätte er kaum werden können, vergaß aber auch nicht zu erwähnen, wie sehr die Bayer-Aktionäre seit fünf Jahren leiden. Der Aktienkurs ist um mehr als 60 Prozent eingebrochen und hat sich aktuell auf einem 20-Jahres-Tief eingependelt. Auch für die Beschäftigten sei es eine schwere Zeit gewesen, Anderson erinnerte an mehrere Stellenabbau-Programme. Dennoch seien „die zentralen Probleme nicht behoben“ worden.

Sparprogramm wird viele der 17.000 Führungskräfte den Job kosten

Freilich lässt Anderson das nächste Sparprogramm folgen. Es dürfte vor allem einige der aktuell 17.000 Führungskräfte im Konzern den Job kosten. Bei insgesamt rund 100.000 Beschäftigten sind das Anderson deutlich zu viele. Arbeitsdirektorin Heike Prinz skizzierte, wie sich Anderson die flacheren Hierarchien vorstellt: Bisher leitet jeder dritte Manager ein kleines Team mit vier oder weniger Mitarbeitern, sagte sie, einigen sei sogar nur eine Person unterstellt. In einem Modellprojekt in den USA habe man bereits die Anzahl der Manager um 40 Prozent reduziert, die Teamgröße sei von dort acht bis neun Beschäftigte pro Führungskraft auf 15 bis 20 erhöht worden.