Berlin. Junge Menschen richten sich beim Einkauf nach Youtube-, Tiktok- oder Insta-Stars – auch bei politischen Ansichten. Ist das bedenklich?
Pamela Reif ist Fitness-Influencerin. Mit ihren Workouts und Videos animiert sie viele zum Mitmachen. Allein auf Youtube folgen ihr 9,79 Millionen Menschen. Die 27-Jährige zählt damit zu den erfolgreichsten Youtuberinnen in Deutschland. Auf Instagram kommen weitere Millionen hinzu. Zudem ist sie Buchautorin und hat ihre eigene Food-Marke. Die Zahl der Influencer in Deutschland lässt sich selbst in der Branche nur grob schätzen und reicht von Hunderttausend bis einige Millionen, die auf Plattformen wie Instagram, Youtube, X (vormals Twitter) und Co unterwegs sind.
Ein Millionenpublikum wie Reif haben jedoch nur wenige. Die Fangemeinde von Influencern ist jung und groß, wie eine repräsentative Umfrage zeigt. 91 Prozent der Bevölkerung zwischen 18 und 40 Jahren folgen Influencern. Für jeden Zweiten sind sie sogar Vorbilder. Follower lassen sich von neuen Themen begeistern, kochen nach ihren Rezepten oder entdecken durch sie neue Hobbys.
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37 Prozent kaufen Produkte, weil sie von Influencern entwickelt wurden. Bei jedem Dritten haben Influencer sogar Einfluss auf die politische Meinung, das eigene Verhalten und die Geldanlage. Dies hat eine Befragung von 2000 Deutschen durch das Institut für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF) für die Baulig Consulting ergeben, die dieser Redaktion vorliegt.
Tiktok, Instagram & Co: In Ballungsräumen leben mehr Follower
Je jünger die Menschen, desto offener sind sie für Influencer. Unter den 18- bis 24-Jährigen werden nur drei Prozent nicht von Social-Media-Promis erreicht – 97 Prozent folgen ihnen. Unter den 25- bis 34-Jährigen folgen acht Prozent keinem Influencer, unter den 35- bis 40-Jährigen können bereits 15 Prozent nichts mit den Inhalten anfangen, so die Umfrage. Gefragt sind bei fast jedem Dritten vor allem Beiträge zur psychischen Gesundheit und Selbstfürsorge, Karrieretipps, Beiträge zur Ernährung, Gesundheit sowie zu Geldanlagen und Finanzen.
Etwa jeder Fünfte interessiert sich für Themen zu alternativen Lebensstilen, Technologietrends, nachhaltigem Konsum oder Kunst und Kultur. Dabei wünschen sich Männer vor allem noch mehr Inhalte zu Technologietrends, während Frauen mehr Beiträge zu Gesundheit, Ernährung und alternativen Lebensstilen wollen. Das Geschlecht oder das Einkommen spielen bei den Followern dagegen eine untergeordnete Rolle.
90 bis 93 Prozent der Erwachsenen bis 40 Jahren folgen Influencern. In Ballungsräumen sind es besonders viele: In München folgen 95 Prozent Influencern, in Hamburg 94 Prozent, während es in Sachsen nur 84 Prozent sind. Allerdings lassen sich Frauen etwas lieber von Influencern inspirieren als Männer – zum Beispiel in den Bereichen Mode, Lifestyle oder Hier nehmen 62 Prozent gerne Tipps an, bei Männern trifft dies nur für 38 Prozent zu. 40 Prozent der Frauen orientieren sich auch an den Kauftipps, zehn Prozent mehr als unter Männern.
Influencer: Viele sehen in ihnen Vorbild für junge Generation
Eine große Mehrheit von 77 Prozent denkt, dass Influencer ein Vorbild für die junge Generation sind und deren Werte und Normen prägen. Mehr als 60 Prozent glauben, dass Influencer die öffentlichen Diskurse bestimmen. Jeder zweite sagt, dass die Internet-Promis ihre persönlichen Vorbilder sind. Drei Viertel der Befragten sehen den Einfluss auch kritisch. Sie fürchten, dass über Influencer „veraltete“ Idealvorstellungen wie Körper, Schönheit oder Reichtum und oberflächliches Denken verbreitet würden.
Influencer spielen auch in der Werbung eine immer größere Rolle. „Influencer-Werbung ist inzwischen für viele Marken Teil des Mediamix und ein bedeutsames Segment“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), Bernd Nauen. Laut Statista flossen 2023 rund 569 Millionen Euro Werbegelder an Influencer in Deutschland. Bis zum Jahr könnte der Umsatz geschätzt auf 905 Millionen steigen – ein Wachstumsmarkt. Allerdings ist die Summe im Vergleich zu dem gesamten deutschen Werbemarkt von fast 49 Milliarden Euro noch eine Nische.
Die Relevanz von Influencer-Marketing wird auch in Zukunft steigen, sagt Anke Herbener, Vizepräsidentin des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW): „Zwei Entwicklungen sind zurzeit erkennbar. Zum einen der Anstieg an sogenannten Corporate Influencern, die aus dem Unternehmen für dieses authentisch werben. Zum anderen werden Influencer immer wichtiger für den Vertrieb im Social Commerce.“
Influencer und ihr Einfluss – es geht nicht nur um Reichweite
„Die Magie der Influencer liegt in ihrer Fähigkeit, eine Brücke zwischen Marken und Konsumenten zu schlagen“, meint Jeanette Okwu, Vorständin im Bundesverband Influencer Marketing (BVIM). „In einer Welt, in der traditionelle Werbeformate oft als störend oder irrelevant empfunden werden, bieten Influencer einen subtileren, persönlicheren Zugang. Sie sind die Geschichtenerzähler, die Produkte und Dienstleistungen in den Kontext des täglichen Lebens stellen, sie greifbar und begehrenswert machen.“
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Auch Influencer, die weniger Follower, dafür aber eine enge Bindung zu ihrem Publikum haben, spielten eine Rolle. Denn es gehe nicht nur um Reichweite. „Qualität, Authentizität und Engagement sind die neuen Währungen in diesem Spiel“, meint Okwu. Die Kunst bestehe darin, „die richtigen Influencer zu finden, die wirklich zur Marke passen und deren Botschaft authentisch und glaubwürdig vermitteln können“.
Einen wachsenden Einfluss von Influencern erwartet auch der Chef der Werbeagentur Charles & Charlotte. Sie seien „meisterhaft darin, sich anzupassen und echte Beziehungen zu ihrem Publikum aufzubauen, was in einer Welt, in der Authentizität und Glaubwürdigkeit immer mehr zählen, extrem wertvoll ist“, sagt Pascal Fiedler. „Ihre Empfehlungen wirken wie persönliche Tipps unter Freunden – glaubwürdig und vertrauenswürdig.“