Meinerzhagen. Noch nie waren die Beschäftigten der Otto Fuchs KG aus dem Sauerland so unzufrieden wie heute. Gründe für einen Kulturwandel.

Es war ein Novum für die so traditionsreiche Otto Fuchs KG in Meinerzhagen. Erstmals in der Geschichte des 1910 gegründeten Unternehmens der Familie Fuchs gab es am Dienstag einen Streik. Einen Warnstreik zwar nur, aber Arbeitskampf. Die Zeiten, in denen sich die rund 3000 Beschäftigten am Stammsitz im Sauerland stolz „Füchse“ nannten und in denen sich nur die wenigstens für eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft interessierten, scheinen vorbei zu sein. Es rumort bereits seit längerer Zeit. Ein Kulturwandel, der Gründe hat.

Otto Fuchs ist vielen bekannt für edle, geschmiedete Autofelgen aus Aluminium. Die Flügelfelge ziert so manchen Porsche 911, aber auch für Marken wie Ferrari, teure Modelle der Hersteller Audi oder Mercedes gehörte es zum guten Ton, die, mit exklusivem Preisschild versehenen, Leichtmetallräder für Luxuskarossen im Angebot zu haben. Mittlerweile aber offenbar nicht mehr um jeden Preis.

Einen Teil der Produktion hatte Otto Fuchs bereits Mitte der 1990er Jahre nach Ungarn verlagert, zunächst in einem Gemeinschaftsunternehmen mit einem US-amerikanischen Hersteller, der aber offenbar den hohen Qualitätsansprüchen der Sauerländer nicht genügte, wie es aus Unternehmenskreisen heißt. Das Werk in Ungarn gehört nun zu einhundert Prozent zur weltweit aufgestellten Otto-Fuchs-Gruppe. Nach Osteuropa soll in Zukunft ein wesentlicher Teil der Felgenfertigung aus dem Sauerland verlagert werden. Außerdem sollen Fahrwerkslenker bald in China und Südafrika, statt in Meinerzhagen produziert werden. Diese Verlagerungen vom teuren Standort Deutschland ins billigere Ausland gehören zum Programm „Mission One“ und bedeuten, dass rund 300 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz räumen sollen.

Erfinder der geschmiedeten Alufelge

Der Grund ist: Nach Jahrzehnten des Wachstumskurses, der Erschließung lukrativer neuer Geschäftsfelder, beispielsweise im Segment Luft- und Raumfahrt, steuerte Otto Fuchs am Standort Meinerzhagen mit Komponenten rund ums Auto seit einigen Jahren in Richtung rote Zahlen. Erstmals offenkundig wurde dies 2019, als die Automobilbranche mit den Nachwehen der 2018 eingeführten WLTP-Abgasnorm zu kämpfen hatte. Die verschärften Grenzwerte konnten viele Hersteller nicht rechtzeitig erfüllen, dadurch kam es zu Produktionsverzögerungen. In der Folge wurden deutlich weniger Autos verkauft, also auch weniger Felgen nachgefragt. Und: Otto Fuchs war in den 1960er Jahren der Erfinder der geschmiedeten Alufelge. Rund 60 Jahre später gibt es ernsthafte Konkurrenz auf dem Weltmarkt, auch wenn mancher „Fuchs“ die Flügelfelge aus dem Sauerland nach wie vor für das beste Rad der Welt halten mag.

Wir haben uns zu lange darauf ausgeruht, Premiumkunden zu bedienen, haben gewartet, bis die Ferraris und Porsches kommen.
Ralf Hahn - Betriebsratsvorsitzender

Wer am Standort Deutschland für den hart umkämpften und globalisierten Automarkt produziert, hat es nicht leicht. Insbesondere die im Vergleich zu vielen ausländischen Standorten hohen Energiekosten sind zum Problem geworden, zudem sind Fertigungskosten außerhalb Deutschlands oft niedriger, in Ungarn, erst recht in China.

Ralf Hahn, Betriebsratsvorsitzender der Otto Fuchs KG in Meinerzhagen, sieht diese Gründe, sie seien aber nicht allein dafür verantwortlich, dass der Automotive-Bereich im Sauerland aus der Gewinnzone gerollt ist: „Wir haben uns zu lange darauf ausgeruht, Premiumkunden zu bedienen, haben gewartet, bis die Ferraris und Porsches kommen“, kritisiert Hahn das Management. Fuchsfelgen seien schon immer teurer als die Konkurrenz gewesen, dies sei kein neues Problem. Am Standort gebe es durchaus Potenzial, die Fertigung zu optimieren, kostengünstiger zu produzieren. Statt mit der Belegschaft gemeinsam die Möglichkeiten auszuschöpfen, habe das Management lieber ein Beratungsunternehmen ins Haus geholt - statt auf die „Füchse“ zu hören, die ihr Handwerk verstehen.

Für das kritisierte Management geht es seit Monaten nicht mehr um die Frage, ob verlagert wird. Vielmehr geht es jetzt darum, welche Zukunft die knapp 300 vom Jobabbau betroffenen Beschäftigten haben. Im Unternehmen, im noch florierenden Bereich Luft- und Raumfahrt, in dem ungefähr die gleiche Zahl an Mitarbeitern benötigt wird, die im Automotivebereich abgebaut werden soll? Oder durch Ausscheiden aus der einst so stolzen Fuchsfamilie, die weder Streik noch Entlassung kannte, dafür aber übertarifliche Entlohnung? Genau darüber hat sich die Belegschaft mit dem Management so zerstritten, dass es zum Kulturwandel kam.

Luft- und Raumfahrtprodukte florieren

Der Wechsel von Automotive zu Luft- und Raumfahrt sei für viele Beschäftigte nicht einfach möglich. Es fehle mitunter an Qualifikation, was im Zweifel zu weniger Verdienst führen dürfte, erklärt Torsten Kasubke, Bevollmächtigter der Industriegewerkschaft Metall (IGM). Inzwischen sind aus vielen Füchsen Neumitglieder der Gewerkschaft geworden. Der sogenannte Organisationsgrad, also der Anteil der Beschäftigten, die Mitglieder der Gewerkschaft sind, ist laut Kasubke in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen - sonst hätte sich die IG Metall in dieser Woche auch kaum in Meinerzhagen vor das Werkstor gestellt und Trillerpfeifen verteilt.

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Nicht alle Beschäftigten werden ihren Job behalten, räumt die Geschäftsführung ein, auch wenn dies rechnerisch möglich wäre. Also geht es nun auch um die Frage der Abfindungen. „Zu Beginn dieser Woche konnten wir gute Fortschritte erzielen und haben uns mit dem Betriebsrat auf grundlegende Eckpunkte verständigt“, sagt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage dieser Zeitung. Intensiv wie konstruktiv seien die Gespräche gewesen. „Es wurde über Entgeltsicherung, Abfindungen, eine Transfergesellschaft, Ausbildungsgarantien sowie Beschäftigungssicherung gesprochen.“ Im Sinne einer einvernehmlichen Lösung sei die Arbeitgeberseite dem Betriebsrat deutlich entgegengekommen.

Der will nun das Angebot genau prüfen, bevor in einer Woche der nächste Termin bei der Einigungsstelle folgt. „Wir werden hoffentlich eine vernünftige Lösung finden“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Ralf Hahn. Ein Ergebnis ist bereits sicher: So wie früher, als „der alte Fuchs auch am Wochenende durch den Betrieb marschierte, schaute und den Arbeitern ein Wort gönnte, so wird es nicht mehr. Die Füchse, das ist Geschichte“, sagt Hahn mit Bedauern in der Stimme.

Fakten zu Otto Fuchs KG

Zur Otto-Fuchs-Gruppe gehört seit 1964 auch das Unternehmen Schüco in Bielefeld, das hochwertige Alumiuniumfenster und -türen herstellt.

Seit 2023 hat die Otto Fuchs KG einen Standort für Forschung und Entwicklung in Hagen. Im Labor sind rund 30 Mitarbieter beschäftigt. Eingerichtet wurde dies Depandance wegen der bei Lüdenscheid gesperrten A45.

Zu den Geschäftsfeldern zählen Leichtbauprodukte für Automotive, Luft- und Raumfahrt und „Extrusions“ wie Lärmschutzwände, Sonnenschutzlamellen oder Masten aus Aluminium, zudem die Schücoprodukte wie Fenster, Haustüren, Fassaden etc.

Es werden rund 10 000 Mitarbeiter beschäftigt; 3000 am Stammsitz, wo die Otto Fuchs KG 1910 gegründet wurde.