Hagen. Zwischen Edeka und Krombacher soll es zum „Crash“ gekommen, viele Produkte sollen nun ausgelistet sein. Das müssen Verbraucher wissen.
Was wäre ein Supermarkt in Südwestfalen ohne Krombacher im Sortiment, ausgerechnet hier, in der Stammregion des Bieres aus Kreuztal? Die Frage stellt Edeka-Kaufmann Paul Nowak, der zwei Filialen im Sauerland betreibt, und liefert die Antwort gleich mit: „nix“.
Mit (fast) Nix muss er nun jedoch erst mal arbeiten, denn eine Auseinandersetzung zwischen dem Lebensmittel-Giganten Edeka und dem Brauerei-Riesen Krombacher soll eskaliert sein. Vom „Crash“ schreibt das Getränkemarktmagazin „Inside“. In der Branche ist auch von einem „Tabubruch“ durch Krombacher die Rede. Die Angelegenheit ist kompliziert, zumal die beteiligten Unternehmen schweigen. Aber sollte der Streit anhalten, könnte auch einem Teil Südwestfalens ein Krombacher-Engpass drohen.
„Die Situation ist unangenehm. Meine Kunden lieben Krombacher, und alles, was meine Kunden lieben, liebe ich auch“, sagt der Iserlohner Edeka-Kaufmann Nowak. Er hofft, „dass der Krach nicht drei Monate dauert und man sich im Guten einigt“, und fordert: „Die müssen sich schnell an den Tisch setzen und wie bei dem Konklave verhandeln, bis weißer Rauch kommt.“
Bisher kommt allerdings nur schwarzer Rauch - beziehungsweise: gar nichts.
Auswirkungen in Südwestfalen schlimmer
Anfang Januar sei die Nachricht aus der Edeka-Zentrale in Hamburg eingetroffen, dass Krombacher „im Augenblick“ nicht bestellt werden könne, „aus dem Programm genommen“ worden sei, erklärt Paul Nowak. Diese sogenannte Auslistung beziehe sich auf alle Krombacher-Produkte (auch auf Schweppes) - abgesehen von Einweg-Artikeln und dem Halbliterkasten Pils, den der Handel gerne über Preisaktionen als Lockmittel einsetzt.
Dank einer Vorwarnung, erzählt Nowak, habe er noch rechtzeitig einen größeren Vorrat bestellt. „Bis Ostern komme ich aus“, sagt er. Sollte die Auseinandersetzung länger dauern, könnte es eng werden.
„Der Druck ist da, sich schnell zu einigen. Es handelt sich um wichtige Produkte, um das Bier der Region, und nicht um ein 0815-Produkt“, sagt Nowak. Dies gilt vor allem für den Krombacher-Kernmarkt Südwestfalen. Hier seien die Folgen der Auslistung „viel, viel schlimmer“ als in anderen Regionen Deutschlands, in denen Krombacher „nicht die Nummer 1“ sei, so Nowak.
Streitthema: Getränkelogistiker Trinks
Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen den Unternehmen soll der Einstieg des Edeka-Rivalen Rewe beim Getränkefachgroßhändler Trinks sein, der als einer von zwei großen nationalen Playern der Branche den Lebensmitteleinzelhandel versorgt (die meisten großen Brauereien liefern nicht selber aus). Bisher hielten die Gesellschafter Krombacher, Bitburger und Warsteiner die Anteile an Trinks. Im Dezember genehmigte das Bundeskartellamt dann den Einstieg von Rewe. Die Kölner beteiligen sich mit einem Anteil von 50 Prozent an dem Getränkelogistiker. Die andere Hälfte verteilt sich zu je gleicher Höhe auf die bisherigen Gesellschafter.
Durch die Beteiligung an Trinks könnte Rewe nun detaillierte Infos über Warenströme oder geplante Werbeaktionen des Konkurrenten Edeka erhalten, so offenbar die Befürchtung bei den Hamburgern. Dass die Hersteller Krombacher, Bitburger und Warsteiner einen Kunden wie Rewe bei Trinks an Bord geholt hätten, gilt manchem in der Branche als Sündenfall.
951 Millionen gegen 66 Milliarden Euro
Edeka, zu dem auch der Discounter Netto gehört, soll laut Schätzungen aus der Branche rund ein Viertel des Ausstoßes der Krombacher-Gruppe abnehmen. Umgerechnet auf den Umsatz der Siegerländer, der zuletzt mit 951,4 Millionen Euro angegeben wurde, würde das einer Summe von knapp 238 Millionen Euro entsprechen. Umgekehrt geht es aber auch für Edeka (Jahresumsatz 2022: 66,2 Milliarden Euro) um viel.
Im Unterschied zu Auseinandersetzung zwischen Lebensmittelherstellern und -Händlern über Preise, die immer wieder vorkommen, seien die Hintergründe der Auslistung von Krombacher-Produkten sehr kompliziert. „Das macht es für Verbraucher schwieriger, die Situation nachzuvollziehen, aber auch für Edeka, die Auslistung zu begründen“, sagt Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein.
Wenn Edeka in diesem Fall nicht Preissteigerungen des Herstellers anführe, könne dies treue Markenkäufer dazu veranlassen, bei anderen Händlern einzukaufen. „Ein solcher Wechsel könnte für Edeka-Kaufleute bedeuten, dass sie nicht nur den Umsatz mit Krombacher verlieren, sondern möglicherweise solche Kunden komplett an die Konkurrenz, da Bier oft zusammen mit dem Wocheneinkauf erworben wird. Außerdem ist der Lebensmitteleinkauf sehr gewohnheitsgetrieben. Wenn ein Kunde erst mal eine neue Routine entwickelt, sich an einen anderen Laden gewöhnt hat, kann es sein, dass er Edeka langfristig verlorengeht“, erklärt die Marketing-Expertin der Universität Siegen.
„Jetzt wissen die Jungs von Rewe, was wir von Edeka innerhalb der nächsten 20 Wochen in der Werbung planen, weil sie Zugriff auf Trinks haben. Das ist hochgradig wettbewerbsschädigend, unanständig“, sagt der Iserlohner Edeka-Kaufmann Paul Nowak.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein von der Universität Siegen sieht ebenfalls die Möglichkeit, dass Rewe nun Edeka-Warenströme auskundschaften könnte. Sie vermutet aber vornehmlich einen anderen Grund für den Rewe-Einstieg bei Trinks. Im vergangenen Jahr habe es Probleme bei der Belieferung des Handels gegeben. Mehrwegbehälter seien knapp geworden, die Logistikbranche leide auch stark unter Personalmangel. „Es könnte daher sein, dass Rewe mit dem Engagement bei Trinks auch die Versorgungssicherheit im Blick hat“, sagt Schramm-Klein.
Fehdehandschuh ins Gesicht von Krombacher
Während Edeka-Kaufmann Nowak - trotz des Ärgers - Rewe für einen „guten Schachzug“ lobt, sollen sie in der Edeka-Zentrale in Hamburg weniger Verständnis haben, zumal bei Trinks bereits seit 2022 der ehemalige Rewe-Manager Roberto Fabiano Teil der Geschäftsführung ist und in der Getränke-Branche spekuliert wird, dass Rewe seine Beteiligung an Trinks sukzessive ausbauen könnte. Um nicht abhängig von Trinks (und Rewe) zu sein, dürfte Edeka alternative Logistiklösungen anstreben, was vermutlich Zeit und vor allem Geld kostet.
Laut „Inside“ fordere Edeka-Chef Markus Mosa „Satisfaktion“ von Krombacher, Warsteiner und Bitburger. Die beiden Letztgenannten hätten „die Kuh vom Eis“ bekommen. „Wie viel das kostete, ist nicht überliefert“, bemerkt das Fachmagazin. Bei Krombacher hingegen sei „Mosas Fehdehandschuh ins Gesicht“ geklatscht.
Unternehmen schweigen
Edeka erklärte auf Anfrage in der Causa lediglich, dass man Krombacher weiterhin im Sortiment führe, ging aber nicht auf die Nachfrage ein, für welche Produkte der Siegerländer dies gelte. Auf die Frage, ob es zutreffe, dass Edeka gegen den Krombacher-Außendienst ein nationales Betretungsverbot in den rund 11.000 Filialen verhängt habe, verwies das Unternehmen darauf, dass Edeka ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von rund 3500 selbstständigen Kaufleuten sei, „die eigenständig über ihre Märkte entscheiden“. Aufgrund dieser dezentralen Struktur könne man keine näheren Auskünftige geben.
Paul Nowak, einer der 3500 selbstständigen Edeka-Kaufleute, bestätigt, dass die Edeka-Zentrale über ein Betretungsverbot für den Krombacher-Außendienst informiert habe. „Ich habe das zur Kenntnis genommen“, sagt er, „man kann Ladenverbote erteilen, aber das macht wenig Sinn vor Ort.“ Zu dem Krombacher-Außendienstmitarbeiter seines Vertrauens unterhält er freundschaftliche Beziehungen. „Wenn der auf der Matte steht, trinke ich Kaffee und esse Kuchen mit ihm“, sagt Nowak.
Krombacher wollte sich auf Anfrage nicht äußern, auch nicht zu der Frage, ob die Außendienstmitarbeiter nur noch an vier Tagen arbeiten und jeder fünf Urlaubstage opfern müsse, nachdem Edeka ein nationales Betretungsverbot ausgesprochen haben soll. So wird es in der Branche erzählt.
Auch Bitburger, Warsteiner, Rewe und Trinks äußerten sich nicht zur Sache.